Mit einer Stimme UnterschiedStänderat mit knappem Nein zu Kampagne gegen Sexismus
Die Grüne Regula Rytz wollte eine nationale Kampagne gegen sexuelle Belästigung. Barbara Steinemann (SVP) findet, das sei unnötig – und eher ein Ausländerthema.
Die Linke will die Frauen aus ihrer traditionellen Rolle befreien, für die Bürgerliche wäre es eine Volksumerziehung. Für die eine ist die Gleichstellung noch längst nicht erreicht, die andere sieht keinen Handlungsbedarf. Für die grüne Nationalrätin Regula Rytz braucht es eine grossangelegte Kampagne, um den Verfassungsauftrag der Gleichstellung von Mann und Frau nachzukommen, für SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann ist es hinausgeworfenes Geld.
Der Disput entzündet sich an einem Vorstoss von Rytz. Darin fordert sie, dass der Bundesrat eine Präventionskampagne gegen Sexismus lanciert. Und dies über mehrere Jahre und über viele Kanäle: Plakate, Inserate, Kinospots, Social Media. Was die Kampagne kosten soll, lässt Rytz offen.
Jede Fünfte zu sexuellen Handlungen gezwungen
Steinemann hat die Motion im Nationalrat erfolglos bekämpft. Der Bundesrat ist erklärtermassen bereit, die Kampagne umzusetzen. Heute kommts zum Showdown im Ständerat.
Noch bis 1988 war der Mann per Gesetz das Familienoberhaupt, die Frau ihm unterstellt. Sie durfte ohne dessen Einverständnis weder ein Bankkonto eröffnen noch einen Mietvertrag unterschreiben. Erst vor 32 Jahren brach das Bundesgesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau mit dieser althergebrachten Ordnung.
«Die traditionellen Rollenbilder halten sich hartnäckig und führen zu Diskriminierungen.»
Ein Gesetz, so zitiert Regula Rytz die frühere Nationalratspräsidentin Gret Haller (SP), lässt sich aber schneller ändern als ein Brauch oder eine Tradition. «Die traditionellen Rollenbilder halten sich hartnäckig und führen zu Diskriminierungen», sagt Rytz. Frauen erhielten zum Beispiel für gleiche Arbeit weniger Lohn als Männer, bekämen eine kleinere Rente aus der beruflichen Vorsorge, und auch sexuelle Belästigungen seien weit verbreitet. In einer repräsentativen Studie von Amnesty International sagte noch 2019 jede fünfte Befragte, dass sie schon zu sexuellen Handlungen gezwungen worden sei, die strafrechtlich einklagbar sind.
Soweit die Ausgangslage. Die Linke wie auch die Bürgerliche interpretieren sie aber völlig unterschiedlich. «Frauen müssen heute nicht mehr geschützt werden», sagt Barbara Steinemann. Mit einer solchen Kampagne fördere man nur das Image der schwachen Frau, die sich nicht selber wehren könne.
«Wird heute eine Frau belästigt, dann hat sie alle Möglichkeiten, sich zu wehren», sagt Steinemann. In ihren Augen ist es ohnehin oft nicht ein Problem zwischen Mann und Frau, sondern ein Problem zwischen Schweizern und Ausländern. Die meisten Schweizer Männer seien hochanständig, es seien Männer aus bestimmten Ländern, welche Frauen belästigten.
Für Regula Rytz hingegen ist eine Kampagne gerade heute wichtig. Insbesondere in den sozialen Medien würden traditionelle Rollenbilder mehr zementiert als aufgelöst, Frauen würden oft angemacht und heruntergeputzt. Die Kampagne soll helfen, dass junge Menschen, die Orientierung suchten, nicht in alte Muster verfielen. «Es geht auch darum, alte Vorurteile zu überwinden, zum Beispiel, dass es typische Frauen- und Männerberufe gibt.»
«Man muss sich trauen, Nein zu sagen, denn sonst hilft einem in einer solchen Situation niemand.»
Wie ist es den beiden Politikerinnen selber ergangen? Haben sie Sexismus auch schon in einer Form zu spüren bekommen? Steinemann sagt, es sei schon zu Situationen gekommen, in denen sie klar sagen musste: «Stopp, das geht nicht.» Aber: «Man muss sich trauen, Nein zu sagen, denn sonst hilft einem in einer solchen Situation niemand.»
Rytz verneint. «Ich bin schon immer recht keck gewesen.» Aber die Diskriminierung habe sie immer stark empfunden. Am Lehrerseminar etwa brachte man den «Fräuleins» nicht etwa das Obligationenrecht nahe, sondern diskutierte mit ihnen zum Beispiel, ob sie ein Verlöbnisgeschenk zurückgeben müssten, wenn die Beziehung in die Brüche ginge. «Da habe ich rebelliert», sagt Rytz.
Einig sind sich die beiden Politikerinnen nur, dass es nicht geht, dass Frauen etwa wie beim Westschweizer Fernsehen RTS Opfer von Sexismus werden. Sie ziehen aber je andere Schlüsse daraus: Barbara Steinemann räumt ein, dass es für eine Frau in einem Abhängigskeitsverhältnis zwar schwierig ist, sich gegen Belästigungen zu wehren, aber möglich. Sie hätten vor Gericht oder gleich an die Öffentlichkeit gehen können. Für Regula Rytz hingegen zeigt dieser Fall, wie normal es noch heute ist, dass Frauen sexuell belästigt werden.
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