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Ein Tag im Leben eines Schlagzeugers
«Mein liebster Ton der Wanderung? Die brechenden Eiszapfen»

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Der Weg als Instrument: Als Schlagzeuger, der gerne wandern geht, war ich gwundrig, wie 4000 Meter Höhendifferenz klingen. So bin ich eines Morgens mit dem ersten Zug nach Domodossola gefahren, mit dabei meine Schlagzeugstöcke und ein Aufnahmegerät. Mein Ziel: in fünf Etappen auf den Weissmies im Kanton Wallis zu wandern.

Ein ähnliches Projekt hatte ich vor ein paar Jahren. Da bin ich von Basel über den Jura-­Höhenweg bis nach Genf gewandert und habe Klänge aufgenommen, indem ich auf dem Weg auf allen möglichen Materialien und Gegenständen spielte. Daraus ist ein Album entstanden. Nun aber wollte ich wissen: Wie klingt es, wenn ich so eine Strecke vertikal statt horizontal angehe?

Vom Bahnhof in Domodossola ging ich direkt los. Ich war etwas nervös, weil die erste Wanderetappe eigentlich fünf Stunden dauerte, ich aber unterwegs immer wieder anhalten musste, um genügend Material aufzunehmen, ohne zu spät bei der Unterkunft anzukommen. In einer Hand hatte ich das Aufnahmegerät, in der anderen den Schlagzeugstock, und auf alles, wovon ich mir interessante Töne erhoffte, schlug ich drauf. Die Leute haben schon etwas seltsam geschaut.

Das Städtchen selber tönte eher industriell. Ich habe auf Fenstergitter getrommelt, auf Strassenschilder und Plastikröhren. Manchmal klingt jede Latte einer Holzbank anders. Man weiss es erst, wenn man draufschlägt. Dieses sich Herantasten ohne Vorurteile gefällt mir. Ich kreiere die Töne nicht, sie sind schon da – ich setze sie nur frei aus dem Material, in welchem sie sind.

Bald führte der Weg in den Wald. Auf einmal tönte alles ganz anders. Ein Wald klingt eher warm, schon auch hölzern und hart, aber es gibt eine Wärme, die es in Steinen nicht hat. Im Wald hat es auch mehr Resonanz, mehr Widerhall – fast als wäre man in einem Raum. Ganz schön ist auch trockenes Laub.

Später kam ich an einem verlassenen Kurhotel vorbei. Das war etwas unheimlich. Einige Scheiben waren eingeschlagen. Aber die im Fensterrahmen verbliebenen Glasstücke klangen fantastisch! Der Weg führte weiter durch ein Dorf, das nur von Hunden bewohnt schien – ausgerechnet, ich habe eine Höllenangst vor Hunden! Auf dem fertigen Album ist das Gebell zu hören. Die Komposition entsteht aber erst im Studio: Ich nehme unterwegs nur Töne in unterschiedlichen rhythmischen Mustern auf. Am Computer collagiere ich sie, sodass Musikstücke entstehen.

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Für eine Mittagspause hatte ich keine Zeit, ich nutzte jede Marschpause zum Aufnehmen. Mit Riegeln und Nüssen hielt ich mein Energielevel hoch. Unterwegs traf ich fast niemanden. Diese Wanderstrecke ist nicht so bekannt. Empfohlen hatte sie mir ein befreundeter Bergführer, Mischu Wirth. Er würde mich am fünften Tag für die letzte Etappe auf den Gipfel begleiten, denn ab da ist es eine Hochtour.

Doch noch war ich im Wald, leicht gestresst wegen der Zeit und weil ich mir Sorgen um das Wetter machte. Für mich als Musiker ist so was speziell, sonst muss ich fürs Arbeiten ja nur ein Studio mieten. Aber alles ging gut. Müde, aber zufrieden kam ich am Abend in der Unterkunft an.

Der ganze Wanderweg ist jetzt auf dem Albumcover eingezeichnet, die Trackliste entspricht den Höhenmetern. Ich finde es beeindruckend, wie stark sich die Klanglandschaft verändert, je höher man steigt. Tatsächlich klingt es zwischen 500 und 1000 Metern ganz anders als zwischen 3000 und 3500 Metern. Ganz oben auf dem Gipfel gab es fast keine Klänge – ausser die plappernden Bergsteiger. Wir baten sie, zwei Minuten ruhig zu sein, damit ich aufnehmen konnte, wie der Gipfel tönt.

Mein liebster Ton der Wanderung? Die brechenden Eiszapfen. Das klang wie ein Xylophon!

Protokoll: Eva Hirschi