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Doku-Podcast «Judging Amanda Knox»
Ein Mordfall, der zur Medien­sensation wurde

ROME, ITALY - MAY 10: In this picture released on June 11, Amanda Knox is seen on the set of the television show "Cinque Minuti" at Rai Studios, on June 10, 2024 in Rome, Italy. (Photo by Antonio Masiello/Getty Images)
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Weiss, wer es wissen will, nicht längst alles über den Fall Amanda Knox? Über die Amerikanerin, die beschuldigt wurde, 2007 als Studentin in Perugia eine WG-Mitbewohnerin ermordet zu haben. Die dafür zweimal verurteilt und zweimal von der jeweils nächsten Instanz wieder freigesprochen wurde. Die auf beispiellose Weise in die Öffentlichkeit gezerrt und von dieser vorverurteilt wurde.

Warum also dieser achtteilige True-Crime-Podcast, «Judging Amanda Knox» bei Spiegelonline.de vom deutschen Podcaster Khesrau Behroz und der «Spiegel»-Journalistin Alexandra Berlin? Weil vieles von dem, was bis heute in etlichen Köpfen hängen geblieben ist über Knox und den Mordfall, falsch ist.

Wer sich über die Jahre hinweg, in denen sich diese Affäre hingezogen hat – sie ist nach wie vor nicht gänzlich beendet, denn gegen Knox ist aktuell noch ein Verleumdungsverfahren anhängig –, kontinuierlich in seriösen Medien informiert hat, erfährt, was die Fakten betrifft, wohl kaum Neues. Dennoch ist es unerlässlich, sie hier noch einmal auszubreiten. Um sie in Erinnerung zu rufen. Um ganzheitlich auf den Fall zu blicken. Um das Wahre vom Strittigen und das Strittige vom Falschen zu trennen.

FILE - In this Sept. 26, 2008 file photo, Amanda Knox is escorted by Italian penitentiary police officers to Perugia's court, Italy, at the end of a hearing. A Florence appeals court Tuesday, July 9, 2013 has set Sept. 30 as the start date for the retrial of American student Amanda Knox in the 2007 death of her British roommate. In March, Italy's highest court overturned Knox's acquittal, faulting the lower court for "deficiencies, contradictions and illogical" conclusions in freeing Knox and her onetime boyfriend, Raffaele Sollecito. It ordered a new appeals court to consider all the evidence to determine if they helped kill Meredith Kercher. (AP Photo/Pier Paolo Cito, File)

Nur auf dieser Grundlage können Behroz und Berlin ihre eigentliche Geschichte erzählen. Es ist eine medien- und gesellschaftskritische, eine behörden- und vor allem auch eine selbstkritische Befassung mit der Causa. Den Titel des Podcasts, «Judging Amanda Knox», sollte man nicht als Anmassung missverstehen: Es wird nicht noch einmal – medial – zu Gericht gesessen. Sondern es geht beiden Autoren darum, die Person Amanda Knox und die Umstände ihres Falls neu zu bewerten. Und damit der «Geschichte einer masslosen Dämonisierung», so Behroz in der ersten Episode, eine besonnene, auch empathische Betrachtung entgegenzusetzen.

Dem Podcast gelingt es, zwei Mechanismen offenzulegen. Der eine wirkt auf dem Feld polizeilicher und staatsanwaltlicher Ermittlungen. Hier wurde, das ist in einem Gutachten zweier Forensikerinnen festgehalten, in fatalem Ausmass geschlampt, vor allem was die Spurensicherung anbelangt. Dieses Gutachten hat den Ausschlag gegeben für Knox’ Freispruch und den des mitangeklagten Raffaele Sollecito. Darüber hinaus sind von den Behörden empörend viele Dokumente durchgestochen worden, im Netz finden sich haufenweise Gerichtsakten und Vernehmungsprotokolle.

Ist der Fall Amanda Knox ein Systemversagen?

Das führt zum zweiten zentralen Mechanismus: dem der medialen und damit der öffentlichen Aufmerksamkeit für diesen Mordfall, der schnell und andauernd nicht nur absurde, sondern für die Betroffenen auch extrem bedrohliche Ausmasse angenommen hat.

Vor allem die vierte Podcast-Episode verhandelt die Aufwallung aus Sensationsberichterstattung und Social-Media-Detektivspiel. Was zu einer Vorverurteilung führte, die einzig auf Spekulationen über Knox’ vermeintlichen Charakter beruhte. Die Autoren sprechen hier immer von einem «Wir», weil sie diese Entgleisung als ein Systemversagen bewerten. Und das führt schliesslich zu einer kritischen Befassung mit der eigenen Rolle. Klar, auch «Judging Amanda Knox» zerrt diesen Fall noch einmal in die Öffentlichkeit. Bedient die Faszination für eine tatsächlich rasend interessante Geschichte, in der naturgemäss die Opfer ein weiteres Mal als solche präsentiert werden.

Behroz und Berlin machen aber glaubhaft, dass der aufklärerische Wert ihrer Recherche die Nachteile überwiegt. Sie sind sich ihrer Verantwortung bewusst und werden ihr weitestgehend gerecht. Sie sprechen mit Amanda Knox selbst, mit Menschen aus ihrem Umfeld, dazu sehr ausführlich auch mit dem Staatsanwalt Giuliano Mignini sowie mit der Journalistin Anke Helle, die Teil der Medienmeute war. Gerade weil diese Gespräche nicht konfrontativ geführt und dennoch die entscheidenden Fragen nach der jeweiligen Verantwortung gestellt werden, öffnen sich die Befragten und zeigen Haltung.

«Judging Amanda Knox», immer donnerstags eine neue Episode bei Spiegel+ und eine Woche darauf in allen Podcast-Apps.