Cadillac will in die Formel 1John Wayne stürmt kopfvoran in den Saloon
Die amerikanische Rennsportgrösse Michael Andretti will zusammen mit General Motors das Team Cadillac an den Start bringen. Doch die Etablierten sind von dem Vorhaben wenig begeistert.
Als die Formel 1 im Jahr 2012 ihren letztlich entscheidenden Versuch unternahm, den Rennsportmarkt in den USA zu erobern, da erteilte ein lokaler Fernsehsender den Besuchern an der damals neuen Rennstrecke in Austin, Texas, zehn Benimmregeln, von denen die vierte den heftigen Zusammenprall zwischen europäischer und amerikanischer Kultur pointiert deutlich machte: «Leute, lasst das Bier und die Waffen zu Hause!»
Viel passte damals noch nicht zusammen. Aber Mario Andretti, der frühere US-Rennfahrer und Formel-1-Weltmeister von 1978, der als Botschafter für den Circuit of the Americas arbeitete, versprach, Austin sei «die Medizin, die die Formel 1 in den USA gebraucht hat». Und wahrlich, von den zehn Austragungsorten, die die Rennserie zuvor auf der Suche nach einer Heimat quer über den Kontinent schon ausprobiert hatte, war Texas der erste, der vom Publikum auch angenommen wurde.
Wie gut die Medizin allerdings wirken sollte, das konnte nicht einmal Andretti ahnen. Elf Jahre nach der Premiere in Austin ist die im Wesenskern so europäische Rennserie auf dem Weg, eine amerikanische zu werden.
Im Vorjahr schon kreisten die Autos zusätzlich in Miami, in dieser Saison kommt ein drittes Rennen in Las Vegas hinzu. Und hierfür bricht der amerikanische Unterhaltungskonzern Liberty Media, der 2016 die Formel 1 für 4,4 Milliarden Dollar übernahm, sogar mit der heiligen Sonntagstradition. Das Rennen wird an einem Samstagabend stattfinden, wenn in Las Vegas die Partystimmung auf dem Höhepunkt ist: am 18. November, in der Woche vor Thanksgiving.
«Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass jemand etwas gegen den Einstieg von General Motors haben könnte.»
Der Boom der Formel 1 in den USA hat viel, aber nicht nur mit dem Erfolg der Netflix-Serie «Drive to Survive» zu tun. Die Einführung des Budgetdeckels, mit dem die Kosten der Teams planbar geworden sind, und die Aussicht auf das von 2026 an geltende umweltfreundlichere Motorenreglement haben schon Audi angelockt. Und nun hat auch noch General Motors angekündigt, seine Marke «Cadillac» in die Startaufstellung schieben zu wollen. Den Motor würde das Team zunächst von einem der etablierten Hersteller beziehen; Renault, Eigner des Alpine-Teams, gilt als Kandidat.
Fusion kein Thema mehr
Leiten soll die Equipe der 60-jährige Weltmeistersohn Michael Andretti, der als aktiver Fahrer 13 Rennen in der Formel 1 erlebte, danach in diversen Rennserien Teams anführte – und der seit einiger Zeit vergeblich versucht, auch in der Königsklasse anzudocken. Zuletzt scheiterte sein Versuch, den Sauber-Rennstall zu übernehmen, was daraufhin Audi gelang. Mit seinem nächsten Anlauf allerdings gedenkt Andretti, die Formel 1 mit so viel Wucht zu erobern, als stürme John Wayne mit dem Kopf voran in einen Saloon.
Als er klargemacht habe, dass er gerne einsteigen würde, da habe man ihn gefragt: «Wen wollt ihr zur Party mitbringen?», so hat es Andretti erzählt. «Nun, wir bringen einen der weltweit grössten Autokonzerne mit, mit einer Marke, die alle kennen. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass jemand etwas gegen einen Formel-1-Einstieg von General Motors haben könnte.» Andretti will nicht länger fusionieren – er möchte als elftes Team dazustossen.
Zumindest beim Automobil-Weltverband FIA wird er mit dem Plan offene Fahrertüren einrennen. Präsident Mohammed Ben Sulayem hat den Wunsch für eine Vergrösserung des Starterfelds kundgetan und einen «Prozess der Interessenbekundung für potenzielle neue Teams» in die Wege geleitet. Weniger begeistert von Andrettis Plänen dürften weiterhin die etablierten Teams sein, denn bei gleich bleibenden Einnahmen der Formel 1 würde deren Preisgeld durchschnittlich um ein Zehntel sinken.
Mercedes-Chef Toto Wolff hat argumentiert, die bisherigen Teams hätten mit «mehr als einer Milliarde Dollar» ihr Investment angeschoben, und gefragt: «Wenn ein Team hinzukommt, wie können sie dann nachweisen, dass sie mehr Geld einbringen, als es tatsächlich kostet?» Auch die in jedem Fall von einem Neueinsteiger zu entrichtenden 200 Millionen Dollar seien als Entschädigung nicht ausreichend, hat Christian Horner von Red Bull vorgerechnet.
Die riesige Rennfabrik
Es gibt in der Formel 1 zwar schon einen Wettbewerber aus den USA: das Team Haas. Doch erstens ist dieses nicht erfolgreich, und zweitens hatte es bis vor einem Jahr noch die Firma eines russischen Oligarchen und Putin-Freunds als Hauptsponsor. Die Andrettis hoffen nun darauf, dass niemand ihrem Traum eines rein amerikanischen Teams und der Verschmelzung der Namen Cadillac und Andretti widerstehen kann. In Fishers, einem Vorort von Indianapolis, ziehen sie eine neue Rennfabrik hoch. 200 Millionen Dollar kostet die Anlage, die sich über 50’000 Quadratmeter erstreckt. Mario Andretti erklärte bei der Grundsteinlegung im Dezember: «Sie wird grösser als die von Ferrari.»
Jetzt brauchen die Andrettis nur noch eine Starterlaubnis wie Ferrari.
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