Fussball-Deutschland überraschtJoachim Löw geht aus freien Stücken – wer wird sein Nachfolger?
Nach langen Debatten hört der deutsche Bundestrainer nach der EM im Sommer auf.
Als Joachim Löw am vergangenen Wochenende in München auf der Tribüne sass, als einer der wenigen Beobachter des 4:2 zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund im Stadion, da liess er sich nichts anmerken.
In der Halbzeit sprach er im Sky-Interview noch einmal über eine mögliche Rückkehr von Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng in die Nationalmannschaft. Er gab ihnen für den Fall einer Nominierung für die EM, über die er im Mai entscheiden werde, eine Einsatzgarantie, das war dann die Neuigkeit des Abends. Und es hätte natürlich dem Anlass unangemessen beiläufig geklungen, wäre er bereits auf seine Gedanken zu einer anderen Entscheidung eingegangen. Ach so, übrigens: Von Sommer an übernimmt dann jemand anders.
Löw, 61 Jahre alt und die vergangenen 15 davon deutscher Bundestrainer, habe darum gebeten, seinen ursprünglich bis zur WM 2022 laufenden Vertrag unmittelbar mit Abschluss des EM-Turniers zu beenden, das teilte der Deutsche Fussball-Bund (DFB) am Dienstag mit. Der Verband habe dem zugestimmt.
«Ich gehe diesen Schritt ganz bewusst, voller Stolz und mit riesiger Dankbarkeit, gleichzeitig aber weiterhin mit einer ungebrochen grossen Motivation, was das bevorstehende EM-Turnier angeht», so liess sich Löw in der Mitteilung zitieren. Und so oft über seinen Rücktritt nach der EM spekuliert worden war, so rege schon Nachfolger diskutiert wurden, so überraschend kam der Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung.
In zwei ausführlichen Interviews mit dem «Kicker» und der «Sportschau» hatte Löw zuletzt geradezu kämpferisch geklungen im Bezug auf seine Motivation für die EM. Er hatte plausibel über eine mögliche Unterbrechung des Generationenumbruchs im Nationalteam gesprochen, wogegen er sich zuvor noch eher gewehrt hatte. Er erweckte den Eindruck eines Trainers, der sich einsichtig zeigt mit der Kritik an seinen Entscheidungen und seine Schlüsse daraus gezogen hat. Dass dies allerdings auch seinen zukünftigen Rückzug bedeutete, das musste man sich dazu denken.
Nach dem bislang letzten Länderspiel, dem 0:6 in Spanien im November, war Löw von DFB-Präsident Fritz Keller gefragt worden, ob er sich einen Rücktritt nach der EM vorstellen könne, was Löw damals noch verneinte. Er habe im Gespräch mit dem DFB-Präsidium keine sportliche Analyse der Niederlage vorgelegt, sondern vielmehr angesprochen, dass ihn die Aussendarstellung des Verbands gestört habe, sagte er dem «Kicker» und meinte damit die öffentliche Diskussion um seine Person. «Zurzeit ist Ruhe eingekehrt», sagte Löw. Aber das blende er aus, um sich auf die sportlichen Aufgaben zu konzentrieren.
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«Ich habe grossen Respekt vor der Entscheidung von Joachim Löw», so lässt sich nun Keller in der Mitteilung am Dienstag zitieren. Der DFB-Präsident nennt Löw darin «einen der grössten Trainer im Weltfussball», der dem deutschen Fußball «international zu höchstem Ansehen verholfen» habe. Sein Bedauern, «dass sich nach der Euro unsere Wege beruflich voneinander trennen», erklärte DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Doch auch Bierhoff hatte zuletzt die Fragen nach möglichen Nachfolgern Löws nicht abgelehnt. «Absolut», sagte er zum Beispiel, traue er Löws langjährigem Assistenten und Bayern-Trainer Hansi Flick den Job zu.
Klopp sagt ab
Wenn es um den nächsten Bundestrainer geht, sind seit Wochen auch zwei andere Namen im Gespräch. Zum einen Jürgen Klopp, der erfolgreichste deutsche Trainer der Gegenwart, der derzeit beim FC Liverpool ausnahmsweise in Serie Spiele verliert. Der 53-Jährige verweist jedoch auf seinen bis 2024 laufenden Vertrag und sagt: «Ich werde im oder nach diesem Sommer nicht als möglicher Bundestrainer zur Verfügung stehen.»
Zum anderen steht der Name von Ralf Rangnick im Raum, dem früheren Trainer und Sportdirektor von RB Leipzig, der Zeit hätte. «Grundsätzlich ist das Amt des Bundestrainers für keinen deutschen Trainer ein Amt, das ihn nicht interessiert», sagte er kürzlich. Flick sagte dagegen, er sehe keinen Grund, über etwas anderes nachzudenken als den Job bei den Bayern. Es wird eher nichts daran ändern, dass er in den kommenden Tagen noch ein paar Mal danach gefragt wird.
Schon im vergangenen Sommer, als Flick mit den Münchnern die Champions League gewann, war oft der zwangsläufige Vergleich mit seinem langjährigen Vorgesetzten angestellt worden. «Hansi wächst gerade in diese Jogi-Rolle rein», sagte etwa der frühere Nationalspieler Per Mertesacker, Weltmeister unter Löw und Flick 2014.
Über Rangnick würde dagegen wahrscheinlich niemand sagen, dass er zum Jogi werden könnte, vor allem würde er wohl selbst protestieren. Rangnicks Art, den Fussball zu interpretieren, käme einem stilistischen Kurswechsel beim DFB gleich. Es dauerte am Dienstag nur zwei Stunden, da nannte Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus Rangnick im TV-Sender Sky seinen «grossen Favoriten» für die Stelle.
Zuletzt kämpfte Löw noch um Bayern-Juwel Musiala
Am Dienstag ging es jedoch sogar Matthäus, der sich zuletzt zum Chefkritiker Löws aufgeschwungen hatte, auch darum, den Bundestrainer zu würdigen. Als «tollen Schachzug» lobte er dessen Entschluss. Löw habe eine «enorm erfolgreiche Ära geprägt», sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern, der sich zuletzt mit Kritik am DFB auch nicht gerade zurückgehalten hatte.
Tatsächlich kann man sich eine Nationalmannschaft ohne den Trainer Löw fast gar nicht mehr vorstellen. Wenn Ende März die nächsten Länderspiele anstehen, WM-Qualifikationsspiele gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien, dann wird Löw in Jamal Musiala, 18, vom FC Bayern womöglich einen Debütanten nominieren, der drei Jahre alt war, als Löw den Bundestrainerjob nach der WM 2006 übernahm.
Dass er um den gebürtigen Stuttgarter kämpfte, der sich auch für eine Nationalmannschaftskarriere für England hätte entscheiden können, ihn in einem persönlichen Gespräch in München vom DFB überzeugte, das war jüngst ein Anlass dafür gewesen, zu dem der seit dem deutschen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 nahezu permanent in der Kritik stehende Löw ausnahmsweise mal wieder uneingeschränktes Lob erfuhr. «Herr Löw hat mir bei diesem Treffen einen sehr klaren Weg für mich in der Nationalmannschaft aufgezeigt», sagte Musiala. Den Weg, der Talente wie ihn und den deutschen Fussball in die Zukunft führen soll, bestimmt nun jedoch jemand anders.
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