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«Jeder hat die gleiche Religion»

Mark Streit, nach 820 Spielen in der NHL nun seit zwei Jahren in einem neuen Leben. (Bild: Andrea Zahler)
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Welche Bilder kommen Ihnen den Sinn, wenn Sie auf Ihre NHL-Karriere zurückschauen?

Mark Streit: Den ersten NHL-Match vergisst man nie. Wie nervös man ist. Aber auch diese riesige Freude, nur schon ein NHL-Spiel geschafft zu haben. Und das erst noch in Montreal, wo Eishockey geatmet wird. Bei den Islanders war es dann familiärer. Sportlich war es in New York nicht immer einfach, aber persönlich hatte ich als Captain und Allstar-Teilnehmer schöne Erfolge. In Philadelphia hatte ich eine wunderschöne Zeit. Eine Riesen-Sportstadt und eine coole Truppe. In Pittsburgh war ich nur ein paar Monate, aber es war eindrücklich, in diese Welt einzutauchen. Mit Crosby zu spielen, Malkin, in einer Organisation, in der alles für den Erfolg getan wird. Privat war die Geburt unserer ersten Tochter Victoria in Philadelphia das Highlight. Wir wollen in ein paar Jahren zurückgehen und ihr zeigen, in welchem Spital sie geboren ist. Ich schwelge gern in Erinnerungen.

Das heisst, Victoria hat auch den US-Pass?

Ja, sie hat den US-Pass. Es war witzig, wir brauchten ja ein Dokument, als wir nach der Saison in die Schweiz heimreisten. Den Schweizer Pass zu beantragen hätte wohl länger gedauert. In Amerika gingen wir auf die Post, legten unsere Tochter auf einem Tisch auf ein weisses Tuch, der Angestellte stand auf einen Stuhl und schoss ein Foto. Sehr unkompliziert. Drei Wochen später war der Pass im Briefkasten. Den hat sie nun. Wenn sie 18 ist, kann sie dann selber entscheiden, was sie damit tun möchte.

«Es werden einem alle Wünsche von den Lippen abgelesen.»

Man stellt sich das NHL-Leben glamourös vor: Fünfsternhotels, Privatjets, ein Staff, der einem alle Wünsche erfüllt. Was hat Ihnen am besten gefallen?

Alles, was Sie jetzt gerade aufgezählt haben. (lacht) Ja, es werden einem alle Wünsche von den Lippen abgelesen. Aber man muss schon sehen: 82 Spiele sind physisch sehr anspruchsvoll. Wenn du da noch mit dem Bus unterwegs wärst, würdest du es nicht durchstehen. Du bist in den besten Hotels, in coolen Städten, reist im Privatjet, es ist Business gestuhlt, das Essen ist exzellent, in den meisten Trainingszentren haben sie eigene Köche. Da gibt es Frühstück, Mittag- und Abendessen. Es ist für alles gesorgt.

Bei den Montreal Canadiens begann Mark Streits NHL-Karriere 2005. (Bild: Charles Laberge/Getty Images)

Was waren Ihre Lieblingsdestinationen?

Chicago war sehr cool. Oder Los Angeles. Im Januar, Februar, wenn der Winter an der Ostküste schon lang ist, habe ich mich auf wärmere Regionen gefreut. Und in kanadischen Städten wie Toronto oder Montreal herrscht immer eine spezielle Atmosphäre. Winnipeg stand nicht zuoberst auf meiner Liste. Wenn du im Januar aus dem Flieger steigst und es minus 25 Grad ist, meidest du es, nach draussen zu gehen.

Wie verbringt man die freie Zeit auf Roadtrips?

Wenn wir einen freien Tag hatten, schlief ich gern aus und bestellte das Frühstück aufs Zimmer. Das habe ich so richtig genossen. Dann trifft man sich mit den Jungs, geht in die Stadt, ins Kino, shoppen, an den Strand. Vielleicht besucht man ein Baseballspiel. Diese Trips über sechs, sieben, acht Tage sind eine gute Möglichkeit, als Team zusammenzufinden. Ich habe das enorm geschätzt. Aber nach einer gewissen Zeit war es dann auch wieder gut, wenn man nach Hause konnte.

«Jeder weiss: Es könnte auch ihn treffen.»

Ein NHL-Team ist wie eine Weltauswahl. Wie findet man sich da?

Jeder hat die gleiche Religion: Eishockey. Da findet man sich. Und weil hier alles so schnelllebig ist, du von einem Tag auf den anderen weg sein kannst, herrscht unter den Spielern eine grosse Solidarität. Jeder weiss: Es könnte auch ihn treffen. Ich war ja auch in dieser Situation. Wenn du in ein neues Team kommst, bist du froh, wenn der eine oder andere auf dich zukommt.

Wie sind Sie mit dem permanenten Druck umgegangen, performen zu müssen?

Ich spürte immer eine gewisse Unruhe, wollte immer gute Leistungen bringen. Aber es ist unvermeidbar, dass du Schwankungen hast. Es gibt Spiele, in denen es gar nicht läuft. Du kannst dich in dieser Liga nie zurücklehnen und sagen: Jetzt läuft es einfach. Du bist immer am Kämpfen. Wichtig ist, dass du auch einmal abschalten kannst. Mir tat Besuch aus der Schweiz immer enorm gut – von der Familie, von Freunden. Jeder hat ein anderes Ventil, um den Druck abzulassen.

Topathleten sind sehr gut darin, sich aufs Positive zu fokussieren. Wie taten Sie das?

Wenn ich in einem Strudel war, ein paar schlechte Spiele gehabt hatte, erinnerte ich mich daran, dass ich ja ein wunderschönes Leben habe. Jeder muss für sich herausfinden, was er braucht. Man lernt sich über die Jahre gut kennen. Wichtig ist, auch einmal auszubrechen für ein paar Stunden. Sich nicht den ganzen Nachmittag den Kopf darüber zu zerbrechen, was für ein schlechtes Spiel man am Vortag gemacht hat. Aber ich war immer enorm angespannt nach den Spielen, mit Adrenalin vollgepumpt. Und dann solltest du ins Bett liegen und schlafen. Damit hatte ich extrem Mühe.

«Wir hatten Schlafdoktoren, die uns Werkzeuge mitgaben.»

Viele nehmen Schlafmittel, einige werden davon abhängig. Wie machten Sie es?

Ich schaute oft Fernsehen. Aber das Problem ist: Wenn du am Freitag und am Samstag spielst, kannst du nicht am Freitag bis um fünf Uhr morgens wach sein. Wir hatten Schlafdoktoren, die uns Werkzeuge mitgaben. Ich versuchte, ihre Tipps umzusetzen, aber es war enorm schwierig. Melatonin oder Tee nahm ich zeitweise, um mich zu beruhigen. Und wenn es gar nicht mehr geht, nimmst du halt eine Schlaftablette. Doch eben, das kann sehr gefährlich sein, wenn es zur Gewohnheit wird.

Haben Sie Souvenirs aus Ihrer Karriere aufbewahrt?

Ich habe sicher 100 Leibchen zu Hause – aus der NHL, der Schweiz, dem Nationalteam. Von jedem Team, für das ich spielte, habe ich mindestens eines. Die sind noch zu Hause bei meinen Eltern in einem Schrank im Keller. Wir sind daran, ein Haus zu planen in der Region Bern. Da wird es ein Zimmer geben, wo die Souvenirs ihren Platz bekommen.

Sein grösster Erfolg: Streit gewinnt 2017 mit Pittsburgh den Stanley-Cup. (Bild: Dave Sandford/NHLI via Getty Images)

Wo haben Sie Ihren Stanley-Cup-Ring?

In einem Bank-Schliessfach. Den trage ich selten. Ich nehme ihn ab und zu mit, wenn ihn jemand sehen will. Aber er ist nicht so alltagstauglich.

Sie gehen also nicht mit dem Ring in den Ausgang?

(lacht) Ich glaube, das würde in der Schweiz gar nicht gut ankommen.

«Am Morgen früh in die Berge, es auskosten auf der Piste und am Mittag Bratwurst und Röschti mit einem Bier.»

Gibt es Dinge, auf die Sie verzichten mussten, die Sie nun auskosten?

Es gibt ganz viele Dinge. Ich achte immer noch aufs Essen und schaue, dass ich aktiv bleibe, nicht zu viel Gewicht zulege. Das habe ich gut im Griff. Aber klar, ich liebe Desserts, ich liebe gutes Essen, ein Glas Wein, ein Bier mit den Jungs. Und ich liebe das Skifahren. Letzten Winter begann ich wieder damit. Ich kaufte mir bei meinem Götti im Sportgeschäft eine komplette Ausrüstung. Fabienne (seine Frau) fährt auch Ski. Es macht wahnsinnig Spass. Am Morgen früh in die Berge, es auskosten auf der Piste und am Mittag Bratwurst und Röschti mit einem Bier. Es gibt im Winter nicht viel Schöneres.

Das ganze Gespräch hören Sie im Podcast «Eisbrecher». Dort erfahren Sie auch, was Mark Streit nach 13 Jahren in Übersee vermisst am Leben in Nordamerika – und was gar nicht.

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Eisbrecher – der Hockey-Podcast von Tamedia

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