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Online-Aktivismus
SMS gegen russische Propaganda

Aus der Stube die Geschehnisse in der Ukraine verfolgen und dann zum Handy greifen und handeln: Das ist einerseits sehr bequem, andererseits vielleicht besser als ganz untätig zu bleiben. 
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Der Informationskrieg hat asymmetrische Fronten. Los ging es mit Nachrichten auf Bewertungsseiten russischer Restaurants oder Geschäfte. Hier sollte man die Wahrheit über den Angriff auf die Ukraine schreiben, um die Bürger, die hinter den Informationssperren des Kreml ahnungslos bleiben, wachzurütteln.

Seit viele Online-Dienste von Russland gesperrt wurden, kommt man mit dieser Strategie nicht mehr weit. Nun hat ein polnisches IT-Kollektiv mit dem Namen Squad3o3 die Website 1920.in gestartet. Von hier aus kann man SMS oder E-Mails nach Russland schicken oder Russen anrufen.

Die Website arbeitet mit einer Datenbank von fast 140 Millionen russischen Mail-Adressen und 20 Millionen Handynummern. Woher die Kontakte kommen? Ein Sprecher der Aktivisten-Gruppe gibt nur an, man habe diese Informationen durch den Hack einer «russischen Datenbank» erhalten.

Man kann aus einer Reihe von Nachrichten in kyrillischer Schrift auswählen. Übersetzt steht dann zum Beispiel Folgendes: «Hallo, mein russischer Freund, wir kennen uns nicht, aber ich habe beschlossen, Ihnen zu schreiben. Ich habe gehört, dass sich die Situation in Russland aufgrund der Reaktion auf die brutale russische Invasion in der Ukraine zu verschlechtern begonnen hat. Wie geht es dir?»

Aufforderung zum Dialog

Es handelt sich also eher um eine Aufforderung zum Dialog als um plumpe Vorwürfe oder Belehrungen. Ein Sprecher der Hackergruppe vergleicht die Bemühungen mit Projekten aus der Zeit des Kalten Krieges, wie dem von den USA finanzierten Radio Free Europe, das via Kurzwelle in mehreren Sprachen über den Eisernen Vorhang hinweg ausstrahlte.

Man schickt also Nachrichten, deren Inhalt man im Zweifel nicht versteht, an Nummern, deren Inhaber man nicht kennt: Eher ein verzweifeltes Rufen ins Dunkel. Doch immer wieder berichten Nutzer der Website von Antworten. Viele Beleidigungen oder auch das Wiederkäuen der offiziellen Propaganda. Aber einige Angeschriebene lassen sich auf ernsthafte Dialoge ein.

Ist das echtes Engagement oder nur gemütlicher Online-Aktivismus von der Couch aus? Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass das Mitmachen per Mausklick eher negativ mit der Bereitschaft korreliert, zu spenden oder auf die Strasse zu gehen. Aber warum sollte eine Handlung weniger wert sein, nur weil sie online vollzogen wird? Besteht gar eine «moralische Verpflichtung» der Bürger des Westens, die Informationssperren der russischen Regierung zu umgehen, wie Thomas Kent, ehemaliger Präsident von Radio Free Europe, kürzlich sagte? Bis vor einer Woche, so behauptet die Gruppe, seien jedenfalls bereits mehr als 30 Millionen Nachrichten verschickt worden.