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Krieg in Nahost
Biden und Netanyahu streiten jetzt öffentlich

FILE - U.S. President Joe Biden, left, meets with Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu, right, to discuss the the war between Israel and Hamas, in Tel Aviv, Israel, on Oct. 18, 2023. The United States has offered strong support to Israel in its war against Hamas. But the allies ar increasingly at odds over what will happen to the Gaza Strip once the war winds down. (Miriam Alster/Pool Photo via AP)
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Spannungen gibt es zwischen den beiden schon länger, jetzt ist es öffentlich: Benjamin Netanyahu und Joe Biden fechten massive Differenzen über das weitere Vorgehen im Gazastreifen aus. Der israelische Ministerpräsident hatte in einem kurzen Video, das sein Büro am Dienstagabend in den sozialen Medien verbreitete, selbst darauf verwiesen: Ja, es gebe Meinungs­verschiedenheiten darüber, was mit Gaza nach dem Ende der Hamas geschehe, gab Netanyahu zu. Seine Position sei klar: «Ich werde nicht zulassen, dass Israel die Fehler von Oslo wiederholt.»

Damit bezog sich Netanyahu auf den 1993 in Oslo eingeleiteten Friedensprozess zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, der eine Reihe von Abkommen mit sich brachte und die Weichen für den Übergang zu einer Zweistaatenlösung bilden sollte. «Nach dem grossen Opfer unserer Zivilisten und Soldaten werde ich nicht erlauben, dass jene nach Gaza Zutritt erhalten, die Terrorismus lehren, unterstützen und finanzieren», sagte Netanyahu und fügte hinzu: «Gaza wird weder Hamastan noch Fatahstan werden.»

USA sehen Rolle für Fatah

Damit widersetzt sich der israelische Regierungschef offen der US-Forderung, dass die von der Fatah dominierte palästinensische Autonomiebehörde künftig eine starke Rolle im Gazastreifen einnehmen müsse. Die Hamas hatte 2007 die Fatah gewaltsam aus dem Gazastreifen verdrängt und die Kontrolle über den Küstenstreifen übernommen.

Netanyahu bezog sich damit offenkundig auch auf Äusserungen des palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Shtayyeh. In dessen bevorzugtem Szenario sei im Gazastreifen nach Kriegsende die Hamas als Juniorpartner der Autonomiebehörde vorgesehen. Netanyahu versicherte dann noch, dass es nach einem intensiven Austausch mit Biden und dessen Team die volle Unterstützung der USA für die Bodenoffensive und die Abwehr des internationalen Drucks gebe, den Krieg zu beenden.

«Bibi» müsse sich bewegen

Nach voller Unterstützung hörte sich aber nicht an, was US-Präsident Biden wenige Stunden später in Washington bei einer Veranstaltung vor Spendern seiner Wahlkampagne von sich gab. Vielmehr übte er erstmals seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober öffentlich Kritik an der israelischen Kriegsführung. Israel habe die USA, die Europäische Union und den «grössten Teil der Welt» hinter sich. «Aber sie beginnen, diese Unterstützung durch wahllose Bombardierungen zu verlieren.»

Der US-Präsident richtete einen direkten Appell an den israelischen Regierungschef. Netanyahu müsse sich ändern, sagte Biden und verwies auf dessen Regierungskoalition, die er als «die konservativste in der israelischen Geschichte» bezeichnete. Insbesondere der rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und seine Leute würden eine Annäherung an eine Zweistaatenlösung ablehnen und mit den Palästinensern gar nichts zu tun haben wollen.

Israel's National Security Minister Itamar Ben-Gvir arrives for a cabinet meeting at the prime minister's office in Jerusalem on August 27, 2023. (Photo by Menahem KAHANA / AFP)

Diese Regierung erschwere es Netanyahu, sich zu bewegen, sagte Biden. Aber Israel könne letztlich nicht Nein sagen zu einem palästinensischen Staat, «wir müssen beginnen, daran zu arbeiten», sagte Biden. «Wir haben die Möglichkeit, die Region zu vereinen. Aber wir müssen dafür sorgen, dass ‹Bibi› versteht, dass er sich bewegen muss.» Die palästinensische Autonomiebehörde müsse gestärkt werden. Er bezeichnete Netanyahu, den er bei seinem Spitznamen Bibi nannte, als «guten Freund».

Auf Bidens Äusserungen reagierte Armeesprecher Daniel Hagari: Die israelischen Streitkräfte würden zwischen Hamas-Kämpfern und Zivilisten unterscheiden – und sie seien in engem Kontakt mit den USA. Auf politischer Ebene kam der Widerspruch von dem öffentlich weniger präsenten Kommunikationsminister: «Wir leben hier, und das ist unser Land», sagte Shlomo Karhi, der Netanyahus Likud-Partei angehört. «Es wird keinen palästinensischen Staat hier geben. Wir werden nie die Schaffung eines anderen Staates zwischen dem Fluss und dem Meer erlauben.» Es werde keine Rückkehr zum Oslo-Prozess geben, denn das gefährde Israel.

Oslo als «Mutter aller Sünden»

Damit wiederholte er mit ähnlichen Worten, was sein Chef am Montag hinter verschlossenen Türen in einem Knesset-Ausschuss gesagt hatte. Laut israelischen Medien bezeichnete Netanyahu den Oslo-Prozess als «Mutter aller Sünden». Dabei zog er einen Vergleich, der bei den Oppositionsparteien heftige Kritik auslöste: Netanyahu sagte, die Oslo-Abkommen mit den Palästinensern hätten in den Neunzigerjahren so viele Tote wie das Massaker der Hamas am 7. Oktober gekostet, «auch wenn das über einen längeren Zeitraum» gewesen sei.

Oppositionsführer Yair Lapid warf Netanyahu daraufhin vor, trotz des Kriegs eine politische Kampagne zu führen, «deren einziger Zweck ist, ihn von Verantwortung freizusprechen, andere zu beschuldigen und Hass zu schüren». In der Tageszeitung «Haaretz» heisst es in einem Kommentar, dass sich Israel nun auf Wahlen Mitte des nächsten Jahres einstellen könne. Das von Netanyahu ins Netz gestellte Video markiere den Start seiner Wahlkampagne.