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«Iran wird nichts gewinnen, wenn es das Atomabkommen verlässt»

Festgesetzt in Gibraltar: Der Superöltanker Grace 1 wurde offenbar benutzt, um das Ölembargo gegen Iran zu umgehen. (Keystone/AP/Marcos Moreno/4. Juli 2019)
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Die Grace 1 lag tief im Wasser, als britische Marineinfanteristen den 330 Meter langen Öltanker am Donnerstag in den Gewässern vor Gibraltar festsetzten. Das spricht dafür, dass sie voll beladen war auf ihrer Reise vom Persischen Golf einmal rund um Afrika ins Mittelmeer.

Im irakischen Basra, wo sie angeblich beladen worden sein soll, ist sie in den Hafenbüchern nicht registriert. Dafür hatte sie einige Tage den Transponder ausgeschaltet, der automatisch die Position des Schiffes überträgt, ein gängiges Manöver, um die tatsächliche Herkunft der Fracht zu verschleiern. Geistertanker werden solche Schiffe genannt.

Die Regierung von Gibraltar teilte mit, man habe Schiff und Ladung festgesetzt, weil man Grund zur Annahme habe, das Öl sei für eine Raffinerie im syrischen Banyas bestimmt, die Lieferung also ein Verstoss gegen das EU-Embargo gegen das Regime von Bashar al-Assad. Abgelegt hatte die Grace 1 tatsächlich offenbar von einem iranischen Ölterminal, der Tipp an die Briten kam von den Amerikanern.

Iran bestellte am Freitag den britischen Botschafter ein, und ein früherer Kommandeur der Revolutionsgarden, General Mohsen Resai, forderte, die Elitetruppe der Islamische Republik möge im Gegenzug ein britisches Schiff aufbringen. So wird die Sache zum Politikum und einem weiteren Hindernis beim Versuch der Europäer, das auf der Kippe stehende Atomabkommen mit Iran noch zu retten.

Teheran will die Anreicherung von Uran weiter erhöhen

Das französische Aussenministerium sprach indes öffentlich aus, was europäische Diplomaten ihren iranischen Verhandlungspartnern schon lange sagen: «Iran wird nichts gewinnen, wenn es das Atomabkommen verlässt.» Und wenn Teheran den Deal in Frage stelle, verschärfe das nur die ohnehin hohen Spannungen in der Golfregion. Doch gibt es keine Anzeichen dafür, dass Iran sich auf dieses Argument einlässt, im Gegenteil.

Präsident Hassan Rohani hat angekündigt, Iran werde wie angedroht gleich mehrere zentrale Beschränkungen für das iranische Atomprogramm nicht mehr einhalten – ein von Iran gestelltes zweimonatiges Ultimatum läuft an diesem Sonntag aus. Iran hat bereits die im Abkommen vorgeschriebene Höchstmenge für auf bis zu 3,67 Prozent angereichertes Uran überschritten. Von Sonntag an werde man Uran auch wieder höher anreichern, kündigte Rohani an.

Für Atomwaffen muss das spaltbare Uran 235 auf einen Anteil von 90 Prozent angereichert werden. Doch schon ein Anreicherungsgrad von 20 Prozent, wie bei den Brennelementen des Forschungsreaktors in Teheran, wäre ein grosser Schritt in diese Richtung. Auch will Iran den Umbau eines Schwerwasserreaktors in Arak stoppen. In seiner alten Konfiguration würde er in grösseren Mengen Plutonium erbrüten, der zweite Stoff neben Uran, aus dem sich die Bombe bauen lässt.

Die Suche nach der «intelligenten Antwort»

Diplomaten aus Europa hatten bei einem Treffen in Wien vor zwei Wochen gesagt, man müsse «eine intelligente Antwort» auf die absehbaren iranischen Überschreitungen finden. Doch Iran wird sich nicht bescheiden damit, dass der von Frankreich, Grossbritannien und Deutschland eingerichtete Zahlungskanal Instex nach monatelangen Vorbereitungen nun in Betrieb ist und eine erste Transaktion abwickelt. «Ohne Ölgeschäfte, das ist klar, wird Instex nicht funktionieren», sagte Irans Ölminister Bijan Zangeneh. Dafür aber ist Instex nicht vorgesehen, auch müsste der Zahlungskanal dann für Drittländer wie China geöffnet werden – Irans wichtigstem Ölkunden.

Iran verlangt von den Europäern Kompensation für die Ausfälle, die durch die US-Sanktionen entstehen. Aus dem Atomabkommen aber lässt sich dieser Anspruch aus Sicht der EU nicht ableiten – abgesehen davon, dass sie sich nicht in der Lage sieht, ihn zu erfüllen. Auch China und Russland forderten in Wien von Iran, das Abkommen weiter einzuhalten. Dazu hatte Iran sich selbst verpflichtet, als Teheran entschied, trotz des Ausstiegs der USA an dem Deal festzuhalten. Doch müsse man «ein ziemlicher Optimist sein, um zu glauben, dass sich das Abkommen noch retten lässt», sagte jüngst eine mit dem Dossier vertraute Person. Versuchen will man es auf jeden Fall – ein Treffen der Aussenminister ist bereits vereinbart.

Am Sonntag könnte dessen Dringlichkeit weiter steigen.