Interview«Die Zukunft ist elektrisch, davon sind wir zutiefst überzeugt»
Audis Entwicklungsvorstand Geoffrey Bouquot über die missliche Lage der deutschen Autohersteller und wie die VW-Tochter darauf reagieren wird.

Sinkende Absatzzahlen, Gewinneinbussen, Werksschliessungen: Für die deutschen Autohersteller ist die Lage ernst. Politisch gesteuert, haben sie in den letzten Jahren voll auf die Elektromobilität gesetzt, doch die Modelle kommen global weniger gut an als erhofft. Auch Audi kämpft derzeit mit Widrigkeiten: Im vergangenen Jahr setzten die Ingolstädter weltweit fast zwölf Prozent weniger Autos ab als im Vorjahr, der operative Gewinn brach um ein Drittel ein. Als Gegenmassnahme hat die VW-Tochter eine umfassende Umstrukturierung angekündigt: Bis 2029 sollen bis zu 7500 Arbeitsplätze gestrichen werden, bereits wurde das Werk in Brüssel mit 3000 Mitarbeitern geschlossen. Wie Audi in der technischen Entwicklung und in der Produktplanung auf die missliche Lage reagieren wird, fragten wir Technik-Vorstand Geoffrey Bouquot im Gespräch.
Herr Bouqout, die aktuelle Situation ist sehr herausfordernd. Wie wird Audi darauf reagieren?
Ja, es sind unsichere Zeiten. Was uns von anderen Herstellern unterscheidet: unsere starke Produktoffensive mit über 20 neuen Autos in den Jahren 2024 und 2025. Das bedeutet, dass Audi bis Ende Jahr das jüngste Modellportfolio im Wettbewerb haben wird. Diese Modelle decken das gesamte Spektrum der Elektrifizierung ab. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass die Elektromobilität die Zukunft ist.
Und was ist mit Verbrennungsmotoren?
Gut die Hälfte dieser 20 neuen Fahrzeuge kommen mit Verbrennungsmotoren auf den Markt. Sie basieren überwiegend auf der PPC-Plattform, die uns die Möglichkeit gibt, fast jedes Modell auch mit Plug-in-Hybridantrieb anzubieten. Das Gleiche gilt für den Mild-Hybrid, den wir ebenfalls eingeführt haben.
«Wir haben also unsere Sichtweise nicht geändert, aber wir berücksichtigen auch, was aktuell passiert.»
Gibt es eine Änderung der Strategie, um dem Absatzrückgang in China zu begegnen?
Dafür gibt es mehrere Säulen. Zum einen haben wir im vergangenen Jahr eine neue Marke für China geschaffen, «AUDI» in Grossbuchstaben und ohne die vier Ringe im Logo. Sie soll besonders technikaffine Kunden ansprechen. Dann haben wir die bekannten Audi-Modelle, die sehr ähnlich sind wie die in Europa, die aber beispielsweise einen verlängerten Radstand haben. Ausserdem ändern wir verschiedene Teile der Elektro-Plattformen, um das lokale Ökosystem und die lokalen Partner einzubinden. Und die dritte Säule sind die explizit in China für China entwickelten Produkte, die hier in Europa nicht erhältlich sind, beispielsweise der Q5 e-tron.
In China ist die Digitalisierung im Auto noch viel wichtiger als bei uns. Was macht Audi dort in diesem Bereich anders als in Europa?
Die Software und das digitale Erlebnis sind aktuell die offensichtlichste Differenzierung von China zum Rest der Welt. Aber wir sind schon sehr lange in China präsent, Audi war ja die erste westliche Premiummarke, die diesen Schritt unternahm, vor über 30 Jahren. China ist also sehr wichtig für uns und entsprechend passen wir die Strategie an. Das haben wir früher bereits getan, und das tun wir nun auch in den Bereichen Digitalisierung und Software.

Viele Autohersteller haben kürzlich die Laufzeiten der Verbrenner verlängert und frühere Ziele in Bezug auf die Elektrifizierung angepasst. Wie sieht das bei Audi aus?
Generell hat sich der Blick nicht verändert: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch, davon sind wir zutiefst überzeugt. Die Frage ist, in welchem Tempo und zu welchem Zeitpunkt wir das erreichen werden. Wir haben also unsere Sichtweise nicht geändert, aber wir berücksichtigen natürlich auch, was momentan passiert, und wir stellen uns darauf ein. Das ist unsere Aufgabe in der Entwicklung: sicherzustellen, dass wir in dieser Übergangszeit, die wir gerade erleben, alle Möglichkeiten anbieten und den Kunden diesen Übergang erleichtern.
Konkreter: Gibt es ein bestimmtes Datum, an dem Audi die Entwicklung von Verbrennungsmotoren einstellen wird?
Nun, es gibt den gesetzlichen Rahmen, wie Sie wissen, und innerhalb dieses Rahmens bewegen wir uns in Europa. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses junge Modellportfolio haben, um damit unseren Kunden jede Art von Antrieb anbieten zu können.
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass die Verkäufe von E-Autos zurückgehen, insbesondere in Deutschland und in anderen grossen europäischen Märkten?
Insgesamt wächst der Markt für Elektroautos noch immer. In China ist der Kipppunkt von 50 Prozent für elektrifizierte Fahrzeuge bei den Neuwagenverkäufen bereits erreicht. In den USA geht es derzeit etwas langsamer voran, was vielleicht auch an der politischen Situation liegt. In Deutschland gibt es eine gewisse Zurückhaltung, die wir aber nur als kurzfristiges Problem sehen. Die Kunden waren nach der Streichung der staatlichen Kaufprämien verunsichert, und das sind sie jetzt erneut, weil aktuell wieder über eine Förderprämie nachgedacht wird – da wartet man vielleicht lieber noch ein paar Monate, um zu sehen, wie sich das entwickelt. Und dann gibt es Märkte wie die nordeuropäischen Länder, die bei der Elektrifizierung weit voraus sind.
«Es ist wichtig, dass wir dieses junge Modellportfolio haben, um damit unseren Kunden jede Art von Antrieb anbieten zu können.»
Wenn wir über Elektro sprechen, meinen wir batterieelektrische Fahrzeuge, aber es gibt auch andere Möglichkeiten, Wasserstoff zum Beispiel.
Der Wasserstoffantrieb kann Sinn machen, es gibt aber viele Fragen zu klären. Wichtig ist etwa die Qualität des Wasserstoffs. Wie wurde er hergestellt, wie gross ist der damit verbundene CO2-Fussabdruck? Dann muss man auch die vollständige Umwandlung in der Brennstoffzelle miteinrechnen. Aus unserer Sicht ist der Wasserstoffantrieb eher für Nutzfahrzeuge und für die industrielle Nutzung gedacht und für Personenwagen nicht sinnvoll, zumindest im Moment.
Dann geben Sie beim Thema E-Fuels wahrscheinlich eine ähnliche Antwort?
Wenn E-Fuels einmal verfügbar sind, könnten sie eine gewisse Flexibilität für Menschen darstellen, die weiter auf den Verbrennungsmotor setzen wollen. Aber wie gesagt, wir sind davon überzeugt, dass die Elektrifizierung der beste Weg ist, um Mobilität nachhaltiger zu machen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.