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Pandemie in Portugal
In Lissabon verschärft sich die Corona-Lage

Die Zahl der Infektionen steigt: Verkehrskontrolle der Polizei in Lissabon.
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Die Zeit der Entspannung war kurz – und offenbar folgenschwer. Erst vor wenigen Wochen hatte Portugal begonnen, sich zu öffnen. Nach dem Kollaps des Gesundheitssystems im Februar schöpfte man Hoffnung, dass die Feriensaison zu retten wäre und damit die Tourismusbranche, von der etwa 12 Prozent des portugiesischen Bruttoinlandprodukts abhängen. Also ging man Schritte, die mutig waren, aber nicht waghalsig. Der «plano de desconfinamento» koppelte jede Lockerung an Inzidenz und R-Wert, so wollte man die Verbreitungsdynamik im Blick behalten. Allerdings rechnete wohl niemand damit, dass eine neue Virusvariante diese Überlegungen zunichtemachen würde.

Zunächst schien der Plan aufzugehen, die Inzidenz blieb in Portugal über Wochen so niedrig wie kaum irgendwo sonst in Europa. Bald kehrten auch die Feriengäste zurück. Zaghaft noch, doch schon hörte man wieder Englisch, Deutsch, Französisch unter den lilablauen Blüten der Jacaranda-Bäume im Zentrum Lissabons. Doch womöglich brachten die Touristen nicht nur Erholung für die Reisebranche, sondern auch das Virus mit. Nach Pfingsten kam die Trendwende: Seither geht die Kurve in Portugal nach oben, während sie im Rest der EU immer weiter gesunken ist.

Sorge um die Gesundheit des Einzelnen

Der Grossraum Lissabon führt die steigende Kurve an. Bereits Ende Mai stammte die Hälfte der gemeldeten Infektionen aus der Hauptstadtregion, obwohl dort nur gut ein Viertel der Bewohner des Landes lebt. Dieser Trend hat sich verschärft. Inzwischen entfallen 75 Prozent der Corona-Neuinfektionen auf Lissabon und das Umland. Portugals Regierung hat gehandelt und am Wochenende die Hauptstadtregion abgeriegelt. Von Freitagnachmittag bis Montagmorgen dürfen die Bewohner den Grossraum nur in Ausnahmefällen verlassen.

Mit dieser Massnahme wolle man verhindern, dass die Infektionen aus der Hauptstadt auf den Rest des Landes übergreifen, sagte Regierungschef António Costa. Eine Ausgangssperre war die Massnahme nicht, denn innerhalb der Metropolregion konnten sich die Bewohner frei bewegen. Auch ausländische Touristen waren von der Abriegelung ausgenommen. Fraglich ist daher, was die Abriegelung überhaupt bewirkt.
Costa schloss nicht aus, dass sie an den kommenden Wochenenden wiederholt werde. Die Regierung fürchtet die Risiken der in Indien entdeckten Delta-Variante: Diese mache nach Einschätzung des nationalen Gesundheitsdienstes Insa bereits 60 Prozent aller Neuinfektionen in Lissabon aus.

Es ist fraglich, was die Abriegelung überhaupt bewirkt: Regierungschef António Costa.

Gegenüber der Zeitung Público gab Portugals Gesundheitsministerin Marta Temido zu, dass nicht der Druck aufs öffentliche Gesundheitssystem die Politik zum Handeln gebracht habe, sondern vielmehr die Sorge um die Gesundheit des Einzelnen, da über die langfristigen Folgen der Krankheit noch wenig bekannt sei. Ist das Grund genug, die 2,9 Millionen Bewohner der Hauptstadtregion in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken? Juristen meldeten bereits Zweifel an.

Etwa ein Viertel der portugiesischen Bevölkerung hat zwei Impfdosen erhalten, knapp 50 Prozent sind einmal geimpft.

Gesundheitsexperten des Landes diskutieren derweil, wie mit der Virusvariante am besten umzugehen sei. Da vor allem Menschen unter 50 Jahren zu den Infizierten gehören, die noch keine oder erst eine Impfdosis erhalten haben, fordern immer mehr Experten eine Änderung der Impfstrategie. Bislang liegt die Impfquote Portugals im europäischen Mittel: Etwa ein Viertel der portugiesischen Bevölkerung hat zwei Impfdosen erhalten, knapp 50 Prozent sind einmal geimpft. Um der aktuellen Lage zu begegnen, ruft die Regierung ab diesem Montag alle über 35-Jährigen dazu auf, sich für eine Impfung anzumelden.

Dem Lungenfacharzt António Diniz, Mitglied im Covid-19-Krisenkabinett, geht diese Erweiterung des Impfangebots nicht weit genug. Er sieht von den Neuansteckungen vor allem Menschen betroffen, die sowohl jünger und mobiler sind als auch «anfälliger für Pandemiemüdigkeit». Diese müssten so bald wie möglich geimpft werden. Ausserdem empfiehlt Diniz, das Impfschema zu ändern, um Zeit zu gewinnen: Menschen, die bereits eine Dosis des AstraZeneca-Impfstoffs erhalten haben, sollten schon nach vier Wochen eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs bekommen statt erst nach drei Monaten die zweite Dosis AstraZeneca, so Diniz.