Machtkampf in SüdtirolIn Bozen tobt ein Medienkrieg
In Südtirol herrscht ein mediales Quasimonopol. Nun klagt der mächtige Konzern Athesia auch noch gegen seinen kleinen, unbequemen Konkurrenten «Salto» – um ihn mundtot zu machen?
Südtirol ist eine kleine Welt für sich, reich und schön, eine halbe Million Einwohner. Ein bisschen entrückt in den Bergen, in sich gekehrt und still beneidet vom Rest Italiens, weil da oben ja alles so viel besser funktionieren soll als weiter südlich. Manchmal aber kommen von da oben auch Nachrichten, die das provinzielle Korsett sprengen und nicht so gut ins hübsche Bild passen. Wie jetzt wieder. Über den Tälern Südtirols liegt die Sorge, die Pressefreiheit sei in Gefahr und mit ihr natürlich die Demokratie insgesamt.
So jedenfalls sehen es die Macher und Unterstützer von «Salto», einem kleinen, erfolgreichen Nachrichtenportal im Netz, unabhängig und einzigartig zweisprachig. In einem vollen Kinosaal in Bozen haben sie die Öffentlichkeit darüber informiert, dass ihnen der grosse und schier übermächtige Medienkonzern in der Region, die Athesia AG von Michl Ebner, eine Verleumdungsklage in der Höhe von 150’000 Euro zugestellt habe. Bei «Salto» nennen sie es einen «Frontalangriff», eine Kampagne der «Einschüchterung», um sie «mundtot» zu machen. Und wenn man dieser Praxis der «strategischen Klage» nicht wehre, dann werde das Schicksal auch andere ereilen. Bis nichts mehr da ist, nur noch Athesia.
Der «Platzhirsch» und die «kleine Schaluppe»
Nun muss man dazu wissen, dass Athesia (von Athesis, dem lateinischen Namen für den Fluss Etsch) jetzt schon rund 80 Prozent des Medien- und Anzeigenmarktes hält im Trentino und in Südtirol. Zum Portfolio gehören unter anderem die drei grössten Tageszeitungen in der Region: die deutschsprachige «Dolomiten» und die italienischsprachige «Alto Adige» in Südtirol sowie «L’Adige» im Trentino. Dazu eine Reihe von Onlineplattformen, Radiosendern, ein Buchverlag, eine Agentur für Werbung in Kinos, an Bushaltestellen. Die italienische Aufsichtsbehörde im Kommunikationswesen beschrieb die Lage in einem Bericht als «bedenkenswerte publizistische Konzentration».
Das war vor fünf Jahren. Seither wuchs die Macht weiter an, Athesia hält ein Quasimonopol. Zuweilen nennt man die Verlagsgruppe auch den «Platzhirschen», eine Metapher aus der Tierwelt, die ja durchaus in die Region passt. «Was in Südtirol passiert, steht in den ‹Dolomiten›», sagt man in Südtirol. «Was nicht in den ‹Dolomiten› steht, ist nicht passiert.» So lässt sich auch schon mal eine unliebsame Affäre unter den Teppich wischen.
«Wir sind eine Schaluppe im Wettstreit mit einem Ozeandampfer», sagt Christoph Franceschini, 58 Jahre alt, der berühmteste und profilierteste Autor von «Salto», früher lange sein Chefredaktor. «Wenn wir den Dampfer nicht beleuchten, dann erfüllen wir unsere Aufgabe nicht.»
In Wahrheit ist «Salto» mit seinem forschen Tonfall und seinen Scoops zusehends zu einem Stachel im Fleisch des alten Machtgefüges in Südtirol geworden – und von Athesia, die über diesem alten Machtgeflecht auch schon mal ihr Mäntelchen des Schweigens legt. In der kritischen Bevölkerung und unter politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern liest man «Salto». Man erfährt da zuweilen auch Dinge, die nicht in den «Dolomiten» stehen, obschon sie es vielleicht verdient hätten.
«Für mich ist diese Vorherrschaft demokratiepolitisch nicht tragbar.»
Athesia beanstandet insgesamt 58 Artikel mehrerer Autoren von «Salto», die in den vergangenen vier Jahren erschienen sind. In der einen oder anderen Form rückten alle die vorherrschende Stellung von Athesia und die angeblichen Interessenkonflikte von deren Chef Michl Ebner in den Fokus. Ebner ist eine prominente Persönlichkeit, Unternehmer und Politiker. Für die Südtiroler Volkspartei, die dauerregierende SVP, sass er im italienischen und dann im europäischen Parlament. Seit vielen Jahren ist er auch Vorsitzender der Südtiroler Handelskammer. Da kommt also viel zusammen.
«Für mich», sagt Franceschini, «ist diese Vorherrschaft demokratiepolitisch nicht tragbar.» «Salto» sei einfach eine lästige, kritische Stimme, die immer wieder auf die Vermengung der Interessen hinweise, als ständiger Warnruf. Er habe dabei den Bogen sicher auch mal überspannt, sagt er. «Damit ich mich verteidigen kann, muss man mir aber sagen, was die Vorwürfe genau sind, die begangenen Fehler, die Beleidigungen.» Nun stehe da einfach eine pauschale Verleumdungsklage wegen 58 Artikeln, ohne präzise Vorhaltungen.
Athesia rechtfertigt die Klage damit, dass «Salto» gegen sie «mediales Stalking» betreibe. «Mit der Zeit ist es schon etwas viel geworden», sagt Elmar Pichler Rolle, der Sprecher von Athesia. Er war früher Chefredaktor der verlagseigenen Wochenzeitung «Zett» und zwischenzeitlich Obmann der SVP. «Jetzt haben wir halt diesen Schritt gesetzt.» Wenn es tatsächlich eine Schadenersatzzahlung über 150’000 Euro geben werde, dann würde man das Geld einem wohltätigen Zweck stiften.
Richtigstellungen mit «süffisanten Kommentaren»
Es stimme schon, dass Athesia eine starke Stellung einnehme, räumt Pichler Rolle ein. Das sei in anderen Regionen in Italien und im Ausland ähnlich, man lasse sich für seinen Journalismus aber nicht ständig kritisieren: «Bei uns arbeiten ja auch mehr als hundert Berufsjournalisten, die ihre Aufgabe erfüllen und ordentlich umsetzen.» Der Konzern habe über die Jahre hinweg immer wieder Richtigstellungen eingefordert, die «Salto» auch veröffentlicht habe. «Teilweise wurden sie mit süffisanten Kommentaren versehen.»
Das Klima ist eben leicht entflammbar, gerade jetzt: Im kommenden Oktober finden in Südtirol Landtagswahlen statt, und im Innern der SVP brodelt es. Da ist es natürlich entscheidend, dass die Kanäle der Meinungsbildung vielfältig sind. Und frei. Schliesslich ist das eine Demokratie.
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