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Wenig Neuansteckungen
«Im Tessin tragen viele freiwillig eine Maske»

Ein Kellner in einem Restaurant an der Piazza Grande in Locarno.
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In der Schweiz steigt die Zahl der Neuinfektionen seit ein paar Tagen rasant. Im Tessin jedoch bewegt sie sich nach wie vor auf tiefem Niveau. Was macht der Kanton besser?

Den Tessinerinnen und Tessiner sitzt noch die Zeit in den Knochen, als die Infektionszahlen in die Höhe schnellten und viele Leute ins Spital eingeliefert wurden; fast jeder kannte jemanden, der gegen das Coronavirus kämpfte. So sind die Sensibilität und der Respekt gegenüber dem Virus noch grösser als in der übrigen Schweiz.

Wie zeigt sich das im Alltag?

Das Tessin ist stärker mit der Lombardei verbunden als mit der Deutschschweiz – jeden Tag pendeln bis zu 70’000 Personen von dort in den Kanton. Italien hat die Einschränkungen langsam gelockert, und das hatte auch einen positiven Effekt auf das Tessin. Bis vor kurzem galt in Italien noch eine Maskenpflicht in Läden und Restaurants. So tragen auch im Tessin viele Leute freiwillig eine Maske, und insbesondere Ältere befolgen nach wie vor die Regeln aus der Zeit des Lockdown und meiden etwa Feste.

Es scheint, als wäre der Gotthard für die Tessiner nun zum Schutzwall gegen das Virus geworden.

Ja, paradoxerweise schützt nun der Gotthard uns davor, dass bei uns die Zahlen in die Höhe schnellen. Etwas sind sie auch gestiegen, aber nie in dem Masse wie in der übrigen Schweiz.

«Der Bundesrat hat die Einschränkungen des Lockdown zu schnell gelockert.»

Italien wurde langsam aus dem Lockdown geholt und hat nun tiefe Infektionszahlen. Hat der Bundesrat die Einschränkungen zu schnell gelockert?

Ja, das hat er. Die Corona-Taskforce empfahl, dass zwischen den Lockerungsschritten mindestens vier bis fünf Wochen liegen sollen, damit sie die Situation evaluieren kann. Tatsächlich waren es jeweils nur zwei Wochen. Das Problem ist: Es dauert zwei bis drei Wochen, bis erkennbar wird, wie sich die Zahl der Neuinfektionen entwickelt. Auch steckten sich zu Beginn nur wenige Personen an, und man verlor den Respekt vor dem Virus. Die Politiker und Expertinnen stehen in der Verantwortung. Sie hätten dem Druck der Wirtschaft nicht nachgeben dürfen – auch wenn er gross war.

Weshalb steigt die Zahl der Neuinfektionen nun so stark?

Darüber wird viel spekuliert. Sind es die Ferienrückkehrer? Stecken sich die Leute in den Clubs an? Oder an Familienfesten, wie Bundesrat Alain Berset sagt? Wir wissen es nicht. Uns fehlen die Daten, um diese Frage zu beantworten – dabei wären sie vorhanden. Die Contact-Tracer in den Kantonen erheben sie tagtäglich. Diese Daten müssten gesammelt, aufbereitet und veröffentlicht werden. Dann wüssten wir, wo das Problem in der Schweiz liegt.

Die Entwicklung im Tessin zeigt: Es ist möglich, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, wenn man sich etwas einschränkt. Was hat sich besonders bewährt?

Der Unterschied liegt in der Maskenpflicht. Nehmen wir ein Beispiel: Die Italiener und Italienerinnen dürfen Restaurants und Bars nur mit Maske betreten, und sie müssen sie so lange tragen, bis sie sich an den Tisch gesetzt haben – auch in den Bars. An der Theke werden keine Getränke ausgeschenkt. Zudem sind die Tische weit auseinander. Das hat sich bewährt, Italien verzeichnete keine Ausbrüche nach Restaurantbesuchen.

Im Kanton Zürich trägt die Bevölkerung Masken im öffentlichen Verkehr und in den Läden. Dennoch steigt die Zahl der Ansteckungen.

Masken werden nicht zu oft, sondern zu wenig getragen. In der Schweiz fehlte der Politik aber der Mut, sie an mehr Orten für obligatorisch zu erklären. Masken müssten überall dort getragen werden, wo der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, also auch an Schulen oder am Arbeitsplatz. Es ist eine einfache Massnahme, die viel bringt.

Was raten Sie der Bevölkerung über das Maskentragen hinaus?

Weiterhin gut die Hände waschen. Und an Familienfesten zum Beispiel Abstand halten, vor allem wenn auch Gäste anwesend sind, die nicht zusammen wohnen. Der Grossvater und die Grossmutter sollten immer eine Maske tragen, wenn sie die Distanz von 1,5 Metern nicht einhalten können – und die Familie sollte das respektieren.