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AboDer Zürichsee machte Segler nervös
Das Clubhaus drohte wegen des Hochwassers zu kippen

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Historische Markierung: So kann ein Geomatiker beim nächsten Hochwasser herausfinden, ob sich das Haus bewegt hat.
Klein ist es nicht: Trotzdem haben sich die Verantwortlichen des Stäfner Segelclubs Sorgen um die Statik ihres Vereinsgebäudes gemacht. 
So hoch war das Wasser in seinem Leben noch nicht: Ein Jungsegler misst den Pegelstand des Zürichsees.

Das Hochwasser lupft den hinteren Teil des einstöckigen Gebäudes am Stäfner Seeufer: Mit diesem Worst-Case-Szenario rechnete der Vorstand des lokalen Segelclubs noch bis zum letzten Mittwoch. Und als Gegenmittel wurde erwogen, das Untergeschoss zu fluten. Wasser hinein- statt herauspumpen. Es ist das Gegenteil dessen, was viele See-Direktanwohner in ihren Häusern derzeit tun müssen.

Regula Helbling steht vor dem Clubhaus, die Sonne drückt durch. Um sie herum wuseln Jungsegler, die ihre Jollen bereitmachen. Es ist Trainingszeit, und an einem frühen Freitagabend gibt es wohl nichts Schöneres, als mit einem kleinen Boot hinaus auf den See und der Sonne entgegen zu segeln. Helbling ist guter Dinge.

«Am Freitag wurde ich richtig nervös»: Clubpräsidentin Regula Helbling vor dem Vereinshaus.

Anders war die Stimmungslage eine Woche zuvor gewesen. «Am Freitag wurde ich richtig nervös», berichtet die Präsidentin des Segelclubs Stäfa. Regenfälle hatten den Zürichsee deutlich anschwellen lassen. Und ihre Amtsvorgänger hatten ihr mit auf den Weg gegeben: Bei Hochwasser musst du schauen! Bereits 1999 und 2005 hatten Hochwassersituationen kleinere Schäden am Gebäude des Segelclubs verursacht. «Ja, aber was tun?», fragt Helbling.

Nach der Sturmnacht auf Dienstag füllte sich der Walensee, die Linth transportierte das Wasser weiter in den Zürichsee. Der Pegel stieg bedrohlich. Helbling berief eine Krisensitzung ein. Das Problem war bekannt: Das Holzgebäude ist auf einer alten Abfalldeponie gebaut, also auf relativ instabilem Untergrund. Der seeseitige Vorkeller, den die Segler «Kriechkeller» nennen, war bereits voll Wasser. Das Vorkellerwasser bilde den Seespiegel ab, erklärt Fabian Haas, im Club zuständig für die Junioren. Der eigentliche Keller aber ist dicht.

Der Vorkeller des Clubhauses füllt sich immer wieder mit Wasser – er wird vier- bis fünfmal am Tag ausgepumpt.

Der Clubvorstand wälzte also Ideen. Eine ernsthafte Option war, den Keller zu fluten, um dem Gebäude mehr Stabilität zu geben. «Man muss das Gebäude schwerer machen», erklärt Helbling. «Wir wogen die Risiken ab», sagt sie und meint: entweder Risse im Gebäude und Probleme mit den Leitungen oder Stromunterbruch und Wasserschäden im Keller, in dem sich die Heizung und viel Seglermaterial befindet. Am Dienstagabend entschied man sich für den Beizug von Experten.

Am Donnerstag macht sich Peter Schuster an die Arbeit. Er ist Clubmitglied und vor allem Bauingenieur ETH. Er zieht einen Geomatiker bei, der den genauen Wasserspiegel berechnet. Schuster erklärt die Ausgangslage so: Der Betonkeller ist wie eine Wanne oder ein Schiff, das im Grundwasser schwimmt. Steigt der Wasserpegel, entsteht durch dessen Druck mehr Auftrieb. Die Folge: Das Haus erhebt sich – wenn es nicht mit dem Eigengewicht dagegenhalten kann. Je nach Wassermenge kann dies laut Schuster 4 bis 5 Zentimeter ausmachen. Was nach wenig tönt, könnte aber gravierende Schäden verursachen.

Das Gebäude ist einseitig verankert

Beim 1983 errichteten Clubhaus kommt nämlich eine Spezialität dazu: Seeseitig ist es seit der Aufstockung vor 15 Jahren mit langen Pfählen bis in die Felsen verankert. Bergseitig aber liegt das Betonfundament auf dem alten Deponieschutt. Wenn sich das Haus anhebt, kippt es also Richtung See.

«Fluten wäre eine Lösung», sagt Ingenieur Schuster. Oder eine grosse Menge Sandsäcke in den Keller schleppen. Er erstellte einen sogenannten Auftriebsnachweis. Die Frage lautete: Ist das Gebäude schwer genug? Schuster rechnete zwei Szenarien durch: beim Seepegel von 406,56 Metern – dem Stand am Mittwoch – und bei 407 Metern, dem Höchststand 1999.

Bald konnte Schuster Entwarnung geben: Ja, die Sicherheit ist gewährleistet. Das Gebäude hält auch noch einen höheren Pegelstand aus. Welchen, hat Schuster nicht berechnet: «Es musste schnell gehen.» Eine Vermutung ist, dass das Haus dank der Aufstockung mit 5 Tonnen Holz genügend an Gewicht zugelegt hat. Es ist gemäss Schuster unklar, ob es ohne Zusatzstock gereicht hätte.

Markierung für das nächste Mal

Die Erleichterung bei Regula Helbling war gross, als sie vom Verdikt erfuhr. «Ich trage die Verantwortung für das Clubhaus von über 300 Mitgliedern.» An der Wand im bergseitigen Teil des Hauses hat sie eine Markierung mit dem Datum 15. Juli 2021 anbringen lassen. «Dann kann man beim nächsten Hochwasser herausfinden, ob sich das Gebäude anhebt.»

Zum Gaudi der Kinder tun die Segler nun doch das, was viele am See auch tun: Sie pumpen das Wasser aus dem Kriechkeller heraus, damit es nicht in den richtigen Keller fliesst – was vier- oder fünfmal am Tag vor dem Clubhaus zu einer kleinen Überschwemmung führt.

Fliesst das ausgepumpte Kellerwasser aus dem Schlauch, bietet sich für die Jungsegler die Gelegenheit herumzutollen.