Schweizer Goalie-HoffnungIhn hatte nicht einmal Nationaltrainer Fischer auf der Rechnung
Für die Schweiz beginnen am Donnerstag gegen Schweden die Swiss Ice Hockey Games. Mittendrin: Connor Hughes. Der Goalie war vor wenigen Monaten noch gänzlich unbekannt.
Die Zweifel in Freiburg waren gross, als sich Nationaltorhüter Reto Berra im Oktober am Rücken verletzte und sich einem operativen Eingriff unterziehen musste. Dass Connor Hughes bei Gottéron in die Bresche springen könnte, glaubten nur die wenigsten. Er strahle nicht die Sicherheit aus, die von einem Keeper auf diesem Niveau erwartet werde, hiess es. Jetzt, zwei Monate später, kommt Hughes an den Swiss Ice Hockey Games zu seinem Debüt im Nationaldress.
«Ich fühle mich einfach grossartig, ich hätte das nie erwartet. Eine Ehre», sagt der 26-Jährige nach dem letzten Training vor dem Auftakt gegen Schweden am Donnerstag (20.15 Uhr) in der Arena Fribourg mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Pro Spiel kassiert er im Schnitt 2,03 Gegentore und ist damit der statistisch stärkste Torhüter der Liga. «Als ich ihn aufgeboten habe, reagierte Connor extrem emotional. Man spürte: Es bedeutet ihm die Welt. Ein Traum wurde wahr», sagt Nationaltrainer Patrick Fischer.
Den Schweizer Pass verdankt Hughes seinem 91-jährigen Grossvater, der in Halifax lebt. Der Mann mit Nachnamen Helfenstein wanderte einst von Luzern nach England und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada aus. «Er hatte Land erworben, eine Farm aufgebaut und Milchkühe gehalten. Die einzigen weit und breit, die Kuhglocken trugen», erzählt Connor stolz.
Der 1,93 m grosse Goalie wächst in London, Ontario, auf. Während sein Vater, ein 2,07-Meter-Riese, erst Basketball spielt, dann zum Rudersport wechselt und es bis ins kanadische Nationalteam schafft, findet Hughes zum Eishockey. Er beginnt als Feldspieler, trifft aber das Tor nicht und versucht sich deshalb als Goalie. Bis er mit 19 Jahren an einem Turnier vom damaligen Ambri-Goalietrainer Michael Lawrence, der nun in Lugano tätig ist, entdeckt wird.
Jetzt trainiert er besser
Hughes erzählt ihm vom roten Pass, reist dann erstmals für ein Probetraining in die Schweiz und wird sogleich mit einem Vertrag ausgestattet. Doch drei Jahre lang kommt er nur in der Swiss League zum Einsatz, verliert mit den Ticino Rockets Spiel um Spiel. «Das war hart», sagt Hughes. Auch die vergangene Saison nagt an ihm. So erhält er zwar in der Champions Hockey League die Auszeichnung zum besten Torwart der Gruppenphase, wird aber in der Meisterschaft gleich im ersten Spiel ausgewechselt und kommt kaum noch zum Zug.
Mittlerweile vertraut er nicht nur auf einen Mentaltrainer, auch sonst hat er einiges geändert. «Wir wollten, dass Connor einfacher und kompakter spielt. Das setzt er um, und er machte zudem im Sommertraining einen grossen Schritt. Er änderte seine Denkweise, trainiert jetzt besser», sagt David Aebischer, Gottérons Goalietrainer und erster Schweizer Stanley-Cup-Sieger.
«Ganz ehrlich: Mit Connor haben wir vor der Saison nicht gerechnet.»
Davon soll künftig auch die Nationalmannschaft profitieren. Gesucht werden die Nachfolger der 35-jährigen Leonardo Genoni und Reto Berra, die das Team seit Jahren tragen und zu WM-Silber führten. Neben Hughes kommen beim Turnier in Freiburg mit den 26-jährigen Ludovic Waeber und Gauthier Descloux zwei weitere Torhüter zum Einsatz, die kaum über internationale Erfahrung verfügen. Waeber vom ZSC hat erst ein Länderspiel bestritten, Servettes Descloux bringt es auf drei Einsätze.
«Es ist wichtig, dass sie Erfahrungen sammeln», sagt Fischer. «Alle drei verfügen über das Potenzial, in Berras und Genonis Rolle hineinzuwachsen.» Fischer denkt aber auch an Melvin Nyffeler, Sandro Aeschlimann, Philip Wüthrich, Joren van Pottelberghe und Akira Schmid, der bei New Jersey in der NHL für Aufsehen sorgt. «Zudem ist Gilles Senn wieder erstarkt.» Die Situation bei den Torhütern, so Fischer, sei besser als erhofft.
«Ganz ehrlich: Mit Connor haben wir vor der Saison nicht gerechnet», gibt der 47-Jährige zu. Weniger überrascht zeigt sich Berra. «Man würde noch staunen, wie gut einzelne Spieler sind, wenn man sie nur öfter einsetzen würde. In sämtlichen Bereichen wird immer professioneller gearbeitet», sagt der Zürcher. «Ich wusste, dass Connor bereit ist, sollte ich ausfallen. Jetzt befindet er sich im Rhythmus.»
Vor Wechsel zu Lausanne
Berra selbst trainiert übrigens seit einer Woche wieder auf dem Eis. Allerdings noch ohne Teamkollegen. Der Heilungsprozess stimmt. Geplant ist eine Rückkehr für Ende Januar. Und Hughes? Fischer will nicht verraten, welche Torhüter er in den Spielen gegen Schweden, Tschechien und Finnland einsetzen wird. Klar ist aber: Hughes hat längst das Interesse anderer Clubs geweckt. Dem Vernehmen nach soll er bereits in Lausanne unterschrieben haben.
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