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Ex-SCB-Sportchefin Schelling
Freunde sagten oft: «Wenn du ein Schnäbeli hättest, wäre es einfacher»

Im April 2021 wurde Florence Schelling nach nur einem Jahr als SCB-Sportchefin abgesetzt. Die heute 34-Jährige ist überzeugt, keine echte Chance erhalten zu haben, und übt harsche Kritik.

Ihr Engagement sorgte weltweit für Aufsehen. Als erster Eishockey-Club überhaupt verpflichtete der SC Bern im April 2020 mit Florence Schelling eine Sportchefin. «Uns war wurst, ob wir eine Frau oder einen Mann einstellen. Kompetenz ist wichtig, nicht das Geschlecht», sagte der damalige CEO Marc Lüthi, der dem Hockeyclub heute als Präsident vorsteht. Schelling selbst hatte den Job nicht gesucht. Er wurde ihr angeboten, nachdem Alex Chatelain, der Baumeister dreier Meisterteams, nach einer missglückten Saison abgesetzt worden war und der langjährige Captain Martin Plüss Bern den Job abgelehnt hatte.

Schelling wurde mit Interview-Anfragen, auch aus dem Ausland, überhäuft. Gegen 40 waren es am ersten Tag. Und auch danach riss der Rummel nicht ab. Mütter und Väter schrieben ihr, sahen die heute 34-Jährige als Wegbereiterin für ihre Töchter. Doch nur ein Jahr später war der Zauber vorbei, Schelling musste den Club wieder verlassen. Sie bringe nicht genügend Erfahrung mit, erklärte Lüthi. Da 13 Spielerverträge auslaufen, sei nun höchste Fachkompetenz gefordert. 

Seither wurde es ruhig um die ehemalige Weltklassetorhüterin. Interview-Anfragen, auch von dieser Zeitung, stiessen stets ins Leere. Nachrichten blieben unbeantwortet. Nun aber äussert sich Schelling im Schweizer Frauen-Sportmagazin «Sportlerin» erstmals über ihre Zeit beim SCB. Und übt harsche Kritik am 16-fachen Schweizer Meister. Dank ihres Master-Studiums in Wirtschaft, ihrer Vergangenheit im Eishockey und den Beziehungen sei sie sehr gut qualifiziert gewesen. Der Job sei nicht schwierig, doch nie hätte sie den Rückhalt genossen, den sie benötigt hätte, um in Ruhe arbeiten zu können, kritisiert Schelling. «Ich spürte sehr, sehr schnell, dass ich bei einigen überhaupt nicht willkommen war. So nach dem Motto: ‹Meitschi, was willst du denn hier?›»

«Wo ist die Grenze zum Mobbing?»

Schelling spricht von sehr schwierigen, nicht besonders modernen Strukturen. «Sie waren zum Scheitern verurteilt. Es reden viel zu viele Leute mit. Und man sah ja auch danach, dass die Strukturen nicht funktionierten.» Dass es nicht einfach werden würde, sei ihr bewusst gewesen, so Schelling weiter. «Es gab schwierige Situationen und viele Momente, in denen ich auf enorme Widerstände stiess. Es wurde stundenlang über unwichtige Dinge diskutiert, das war wenig zielorientiert.»

Die Frage, ob sie gemobbt oder gar sexistisch beleidigt worden sei, verneint Schelling, fragt im Gegenzug aber: «Wo ist die Grenze zum Mobbing?» Die Zürcherin hätte sich Veränderungen gewünscht. «Meine Aufgaben waren klar: Ich sollte frischen Wind entfachen, neue Perspektiven aufzeigen und die vorhandenen Strukturen aufbrechen. Leider war das unmöglich. Ich hörte oft im Freundeskreis: ‹Wenn du ein Schnäbeli hättest, wäre es einfacher.›»

Es sind happige Vorwürfe. Kommentieren will sie der SCB nicht. «Wir haben bei der Vertragsauflösung Stillschweigen vereinbart und halten uns daran», schreibt der Club auf Anfrage. In Schellings Worten dürfte viel Frust mitschwingen. Ihr Engagement stand schon von Beginn weg unter keinem guten Stern. Sie übernahm das Amt im ersten Jahr der Pandemie und begann im 50-Prozent-Pensum, nachdem sie sich bei einem Skiunfall einen Halswirbel gebrochen und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte.

Schelling war oft abwesend, leitete aber zum Start des Eistrainings im August ein Girls Camp in Arosa. Weilte sie in Bern, richtete sie das Büro neu ein, führte Einzelgespräche mit Spielern oder gab Interviews. «Den ganzen Sommer lang. Irgendwann sagte ich, dass ich nicht mehr kann», klagt Schelling.

«Alle wollten ihr helfen, wenn sie sich nur hätte helfen lassen und sich einigermassen vernünftig verhalten hätte.»

Ein ehemaliger SCB-Verantwortlicher

Es gibt aber auch eine andere Seite: Ein Boulevardmedium etwa musste sich drei Monate lang gedulden, um einen Interview-Termin zu bekommen. Der damalige Kommunikationsverantwortliche Christian Dick versuchte, Schelling zu unterstützten, sie zu entlasten. Und war dabei längst nicht der Einzige. Einer, der während Schellings Amtszeit nahe am Geschehen war, sagt hinter vorgehaltener Hand. «Alle wollten ihr helfen, wenn sie sich nur hätte helfen lassen und sich einigermassen vernünftig verhalten hätte. Es ging nur um sie, und spätestens beim Saisonstart hatte sie alle gegen sich aufgebracht.»

Schelling habe sich fast ausschliesslich mit Marc Lüthi unterhalten. «Sie sprach in den ersten zwei Wochen öfter mit Lüthi als andere in fünf Jahren. Vertrat jemand an einer Sitzung eine andere Meinung, fühlte sie sich persönlich angegriffen.» So soll Schelling, als ihr Verwaltungsratsmitglied Mark Streit von einem ausländischen Spieler aufgrund von läuferischen Defiziten abgeraten hatte, eine Woche lang nicht mehr mit dem 820-fachen NHL-Verteidiger gesprochen haben. «Es ist nun ein schäbiges Nachtreten. Aus purem Frust, weil sie gescheitert ist», kritisiert ein ehemaliger SCB-Verantwortlicher. 

Nachbaur und der Fragebogen

Freilich, die Strukturen waren aussergewöhnlich. Schellings Vorgänger Chatelain etwa übernahm die sportstrategischen Bereiche, blieb also im Club. Doch auch er soll seine Hilfe angeboten haben. Vergeblich. Vieles blieb während Schellings Amtszeit auf der Strecke. Bei einem Vorbereitungsspiel in Worb gingen sogar beinahe die Schiedsrichter vergessen, weil das Spiel zunächst nicht in der zentral verwalteten Datenbank erfasst wurde. Nicht zuletzt litt die Trainersuche, die erst im Spätsommer abgeschlossen werden konnte.

Johan Lundskog, Sam Hallam und Don Nachbaur schafften es in die engere Auswahl. Schelling priorisierte Lundskog. Doch ablösefrei verfügbar war einzig Nachbaur, weshalb der Austro-Kanadier den Zuschlag bekam. Bereits im November musste der sonderbare Coach, der seinen Assistenten schon im ersten Training vor versammelter Mannschaft in den Senkel stellte und den Stürmer Ted Brithén als neuen Verteidiger willkommen hiess, den Club wieder verlassen.

Bezüglich der Tatsache, dass Schelling vor der Verpflichtung einen 60 Kriterien umfassenden Fragenkatalog mit Nachbaur ausgefüllt hatte, verweist sie im Interview mit der «Sportlerin» auf den heutigen SCB-CEO Raeto Raffainer, der ihr dieses Dokument zugespielt hatte. Der Fragebogen findet jedoch auch bei Swiss Ice Hockey Anwendung und dient dazu, Kompetenzen zu gewichten. Er soll eine Unterstützung darstellen.

Schelling scheint mit sich im Reinen zu sein. Sie sei halt der Sündenbock gewesen, weil der SCB keinen Erfolg hatte. Ans Aufgeben habe sie nie gedacht. Dennoch habe sie sich nach ihrer Freistellung, als der ganze Druck abfiel, 50 Kilogramm leichter gefühlt. Mittlerweile hat sich Schelling selbstständig gemacht, bietet als Coach mit ihrer Firma Module, Vorträge und Workshops an. Ein Spiel des SCB hat sie keines mehr besucht.

Er verwechselte die Spieler, stellte seinen Assistenten vor versammelter Mannschaft in den Senkel und verlor Spiel um Spiel. Kurz: Don Nachbaur war beim SCB eine Fehlbesetzung.