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«Ich brauchte 45 Minuten, um meine Socken anzuziehen»

«Natürlich hast du Vorteile, wenn du dich gut verkaufen kannst.» Sven Helfenstein, im Anzug. (Bild: Urs Jaudas)
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An der U-18-WM im April 2000 in Kloten wurden Sie Topskorer mit elf Punkten, noch vor dem Slowaken Marian Gaborik. Er wurde ein NHL-Star, Sie nicht. Wieso?

Zuerst einmal: Es war die U-18-WM, und danach passiert noch sehr viel bei einem Spieler. Oder sagen wir es so: Bei Gaborik passierte noch viel, bei mir weniger. Auch, weil ich in jenem Sommer erstmals Rückenprobleme bekam. Bis da war alles wie am Schnürchen gelaufen. Ohne den Rücken wäre sicher einiges anders herausgekommen.

Wurde Ihnen auch zum Verhängnis, dass Sie fast zu talentiert waren, bei den Junioren in Winterthur und Kloten einfach durchliefen?

Ich mag den Begriff Talent nicht. Das wird einem irgendwann nachgesagt. Aber die Leute wissen nicht, was bis da alles passiert ist. Ich hatte das Glück, an einem Ort aufzuwachsen, wo immer «gechnebelt» wurde. Das war der Hauptgrund, dass ich in jungem Alter schon sehr gut war. Irgendwann hiess es, ich sei unglaublich talentiert. Und als Junger glaubst du das. Ich dachte plötzlich, ich sei vom Himmel heruntergefallen. Das war sicher auch ein Grund, wieso bei mir gewisse Dinge falsch liefen.

Sie beendeten Ihre Karriere mit 30. Wegen des Rückens?

Genau. Ich habe sogar noch recht lange gespielt angesichts dessen, wie ich mich fühlte. Wenn die Sportchefs gewusst hätten, was für ein Wrack ich körperlich war, hätte ich wohl schon bald keinen Vertrag mehr bekommen. Ich habe einen Scheuermann-Rücken, bei den Lendenwirbeln gab es früh sehr starke Abnützungserscheinungen. Leider konnte man nicht operieren. So hatte ich immer öfter hexenschussartige Attacken. Als 22-Jähriger brauchte ich 45 Minuten, um morgens meine Socken anzuziehen. Ich war ständig beim Chiropraktiker. Aber wenn du dein Hobby zum Beruf machen kannst, klammerst du dich an jeden Faden.

Wie geht es Ihnen heute?

Fantastisch. Wenn ich nicht Eishockey spiele, mit diesen Drehbewegungen und den Checks, geht es mir sehr gut. Darüber bin ich sehr froh. Aber ich muss schon schauen, dass ich mich fit halte. Ich probiere, mich täglich sportlich zu betätigen.

Inzwischen haben Sie Karriere gemacht als Spieleragent. Wie kam es dazu?

Ich staune manchmal auch, wer so alles als Spieleragent herumpurzelt. Ich wollte nie Agent werden, hatte auch selber keine guten Erfahrungen gemacht mit Agenten. Ich machte eine Ausbildung als Finanzplaner und kam so zu Sportlern, die ich betreute. Das Thema Agent kam erst nach zwei, zweieinhalb Jahren auf, als mich der eine oder andere fragte, ob ich das nicht auch für ihn übernehmen könnte. Ich lehnte dankend ab. Aber es kamen immer mehr Jungs auf mich zu. Während eines dreiwöchigen Urlaubs in Mallorca setzte ich mich erstmals ernsthaft damit auseinander. Ich kam zum Schluss, dass ich dumm wäre, würde ich es nicht versuchen. Ich hätte von heute auf morgen 32 Spieler unter Vertrag nehmen können. Ich startete mit sechs.

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Wer war Ihr erster Klient?

Yannick Herren. Der ist immer noch bei mir, hat nun gerade bei Fribourg unterschrieben für die nächste Saison.

Was muss man mitbringen, um ein erfolgreicher Agent zu sein? Selbstvertrauen, ein gutes Mundwerk …

… (unterbricht) Beschreiben Sie jetzt mich? (lacht) Es gibt keine Checkliste. Natürlich hast du Vorteile, wenn du dich gut verkaufen kannst. Aber seien wir ehrlich: Das hilft doch überall im Leben.

Was macht ein Agent täglich? Wie oft sind Sie am Telefon?

Oft. Ich bin froh, gibt es die Airpods. Wenn ich das Telefon die ganze Zeit an meine Ohren halten müsste, hätte ich wohl einen Riesenbizeps, aber auch ab und zu einen Krampf im Arm. Die Tagesabläufe sind sehr unterschiedlich. Doch wenn du es seriös betreibst, hast du die ganze Zeit zu tun. Du redest oft mit Klienten und den Sportchefs.

Die Clubs beklagen, dass sich die Lohnspirale immer schneller dreht. Haben Sie da nicht auch eine Verantwortung?

Es ist sehr einfach, den Agenten die Schuld zuzuschieben. Dabei ist die Rechnung simpel: Jedem Sportchef steht ein Budget zur Verfügung, und er kann selber entscheiden, wie er sein Geld verteilt. Aber wenn ein Club nach sechs Spielen den Coach entlässt (Fribourg, die Red.), der vor kurzem einen neuen, langen Vertrag erhalten hat, habe ich schon Fragen. Dass dann das Budget strapaziert wird, ist klar. Wenn ein Club mehr ausgibt, als er einnimmt, ist das nicht mein Fehler.

Wie ist die Beziehung der Agenten untereinander? Gibt es da eine gewisse Solidarität? Oder schnappt man sich gegenseitig die Spieler weg?

Eine richtige Solidarität gibt es nicht. Logisch, man kennt sich. Aber wir haben nicht jede Woche ein Kaffeekränzchen, an dem wir uns gegenseitig für die Deals gratulieren, die wir abgeschlossen haben. Wegschnappen? Grundsätzlich macht man es nicht. Aber wenn mich ein Spieler anruft und sagt, er wolle zu mir kommen, wäre es zu viel verlangt zu sagen: «Tut mir leid, ich kenne deinen Agenten und muss leider verzichten.» Dass Spieler die Agenten wechseln, ist auch okay. Wenn einer nicht mehr happy ist bei mir und weg möchte, kein Problem. Es ist auch nicht mein Ziel, möglichst viele Spieler zu vertreten. Sondern nur solche, an die ich wirklich glaube. Wenn ich mich den ganzen Tag mit Spielern herumschlagen müsste, mit denen ich gar nichts zu tun haben möchte, müsste ich mich fragen: Womit verbringst du dein Leben?

Junioren mit Ausbildungsverträgen, so circa ab 15, können nicht mehr transferiert werden, es sei denn, der Club stimmt zu. Heisst das, dass Agenten jetzt auf noch jüngere Spieler losgehen? Auf 12-, 13-Jährige?

Ich verstehe die Clubs: Sie investieren viel in einen Spieler. Und plötzlich steht er eines Morgens auf und hat das Gefühl, er müsse weg, weil ihm vielleicht der Trainer nicht passt. Da muss man sich als Agent auch einmal den Spieler zur Brust nehmen. Ich gab als Spieler oft zu früh auf. Ich hatte niemanden, der mir sagte: «Junge, du siehst es falsch! Jetzt musst du einfach mal beissen!»

Wie jung sind die Spieler, die Sie unter Vertrag nehmen?

Ich würde sagen, es beginnt mit 14. Es gibt Kritiker, die sagen, das sei viel zu früh. Das dachte ich anfangs auch. Aber inzwischen bin ich froh, kann ich schon früh beginnen, mit dem einen oder anderen zu arbeiten. In dieser Phase geht es ja nicht um Geld. Sondern um Feedback. Ich sehe nicht, wieso das schädlich sein sollte. Ich hatte einen Agenten mit 17, vor der U-18-WM. Er kam zu uns nach Hause, ein Kanadier. Er hielt eine Rede, mein Vater verstand kein Englisch, meine Mutter ein bisschen, für mich klang es sowieso gut. Ich unterschrieb und wurde mit 19 nach Bern verfrachtet. Die völlig falsche Entscheidung, nur vom Geld getrieben. Wenn mich der Agent früher kennen gelernt und besser gespürt hätte, was passt, hätte das vermieden werden können.

Man kennt Sie auch vom Fernsehen, als Experte bei Mysports. Ist das nicht ein Interessenkonflikt? Kritisieren Sie auch eigene Spieler?

Letzten Sonntag, als die ZSC Lions gegen Zug spielten, analysierte ich eine Szene, wie Christian Marti an der blauen Linie schiessen wollte, der Puck geblockt wurde und Lino Martschini alleine aufs ZSC-Tor zulief. Das war ein Fehler von Marti, der ein Klient von mir ist. Natürlich sagte ich das. Das ist auch völlig okay.

Ihre TV-Präsenz dürfte gut sein für Ihren Job als Agent. So bekommen Sie viel Publizität.

Ich überlegte mir keine Sekunde, ob das ein Vorteil sein würde. Es gibt sicher auch Leute, denen ich nicht passe. Ich sage manchmal Dinge, die einigen schräg reinkommen. Aber als mich Steffi Buchli kontaktierte, fand ich die ganze Idee gut. Wie Mysports das Eishockey in den Vordergrund stellt. Das motivierte mich. Und ich muss die Spiele sowieso verfolgen. Wenn ich also im Studio bin, schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Sie halten mit Ihren Kommentaren nicht zurück. Wie ist das Feedback auf Ihre TV-Auftritte?

Ich bekomme gar nicht so viel, am meisten von meiner Frau. Wir Schweizer sind ein zurückhaltendes Volk. Und ich bin keiner, der viel Wert legt auf die Meinungen anderer. Das sagen viele, aber dann sind sie doch schnell verunsichert. Das habe ich schon lange abgestellt. Zumal die meisten ohnehin nicht ehrlich sind, gewisse Dinge mit Hintergedanken sagen. Am Ende des Tages muss ich mich wohlfühlen in meiner Haut.

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