Thronjubiläum in GrossbritannienQueen verfolgt Militärparade – und sagt Gottesdienst ab
Seit 70 Jahren regiert Königin Elizabeth II. das Vereinigte Königreich. Zum Platin-Jubiläum lässt sich die Monarchin nun tagelang von ihrem Volk feiern.
Kaiserwetter für die Königin: Zehntausende Menschen haben in London den 70. Throngeburtstag von Queen Elizabeth II. gefeiert. Laut brauste Jubel auf, als sich die 96-Jährige zwei Mal auf dem Balkon des Buckingham-Palasts im Stadtzentrum zeigte (Sehen Sie die Bilder der Feier in unserem Zoom-Blog).
Allerdings wird die Queen nicht am Dankgottesdienst zu ihren Ehren an diesem Freitag teilnehmen. Die Königin habe während der Feierlichkeiten «einige Beschwerden» verspürt und werde die Zeremonie in der Kathedrale St. Paul’s «mit grossem Widerwillen» verpassen, teilte der Buckingham-Palast am Donnerstagabend mit. Die für Donnerstagabend geplante Zeremonie in Windsor, bei der die Queen ein Leuchtfeuer anzünden sollte, werde sie jedoch weiterhin wahrnehmen, hiess es.
In einem taubenblauen Kleid nahm die Monarchin am Donnerstag lächelnd die Huldigungen entgegen, beim zweiten Auftritt trug sie eine Sonnenbrille. Bei strahlendem Sonnenschein stand der Auftakt der viertägigen Jubiläumsfeiern im Fokus der britischen Streitkräfte. Das Militär ehrte seine Oberbefehlshaberin mit der traditionellen Parade «Trooping the Colour», einem Formationsflug von mehr als 70 Flugzeugen und Helikoptern sowie Dutzenden Salutschüssen.
An der Seite der Queen standen ihre engsten Familienangehörigen, etwa Sohn und Thronfolger Prinz Charles sowie Enkel Prinz William, auch er ein künftiger König, samt Familien. Charles und William hatten mit Queen-Tochter Prinzessin Anne – alle in Galauniform – die Königin zuvor bei der Parade vertreten. Doch auf dem Balkon stahl ein kleiner Gast der Queen die Schau. Prinz Louis (4), jüngster Sohn von William und Herzogin Kate, machte Grimassen und hielt sich beim lautstarken «Flypast» der Royal Air Force die Ohren zu. Lächelnd neigte sich die Königin zu ihrem Urenkel herunter und plauderte mit ihm.
In einem Matrosenanzug erinnerte Louis an den Auftritt seines Vaters William bei der Militärparade 1985. Sein älterer Bruder Prinz Georg (8) trug hingegen einen Anzug und Krawatte, Schwester Charlotte (7) ein Kleid. Die Kinder hatten bereits alle Blicke auf sich gezogen, als sie gemeinsam mit Mutter Kate und Queen-Schwiegertochter Herzogin Camilla, der Ehefrau von Charles, in einer offenen Kutsche den kurzen Weg vom Palast zum Exerzierplatz Horse Guards Parade zurücklegten.
Noch bis Sonntag herrscht im Vereinigten Königreich der royale Ausnahmezustand. Die Queen dankte ihren Landsleuten vorab für die Feier. «Ich weiss, dass bei diesen festlichen Anlässen viele schöne Erinnerungen entstehen werden», hiess es in einer Grussbotschaft.
Störer werfen sich auf die Strasse
Vor der Militärparade kam es auf dem Prachtboulevard Mall zu einem Zwischenfall: Mindestens vier Menschen den Aufmarsch der Soldaten gestört. Drei Männer rannten am Donnerstag auf den Prachtboulevard The Mall und warfen sich vor einer Militärkapelle auf den Boden, wie im Fernsehsender Sky News zu sehen war. Ein weiterer Mann lief einige Meter vor den Soldaten und hielt einen Zettel hoch. Was darauf stand, war zunächst nicht bekannt.
Polizisten rannten herbei und zerrten die Störer weg, von denen einer eine nachgemachte Krone trug. Die Männer wurden festgenommen. Es lag nahe, dass es sich um einen Protest von Monarchie-Gegnern handelte, allerdings waren die tatsächlichen Hintergründe zunächst unklar.
Nur «Working Royals» auf dem Balkon
Bei der Parade liess sich die Königin, die zuletzt immer wieder «Mobilitätsprobleme» hatte, von Prinz Charles vertreten.
Um die Queen und die Parade zu sehen, haben sich bereits seit Mittwoch zahlreiche Menschen auf den Weg in die aufwändig geschmückte Londoner Innenstadt gemacht. Manche übernachteten sogar an der Paradestrecke, um einen guten Blick zu haben.
«Trouping the Colour» ist eine mehr als 200 Jahre alte Tradition im Vereinigten Königreich. Üblicherweise findet sie alljährlich Anfang Juni statt, um den Geburtstag der Queen im April bei möglichst schönem Wetter nachzufeiern. In diesem Jahr bildet die Parade den Auftakt der Feierlichkeiten zum Platin-Thronjubiläum, die bis Sonntag dauern.
Weitere Höhepunkte sind unter anderem das Entzünden von tausenden Leuchtfeuern in Grossbritannien und den Commonwealth-Staaten am Donnerstagabend, ein grosses Pop-Konzert am Samstagabend und landesweite Festessen unter freiem Himmel und ein grosser Festumzug in London am Sonntag.
Harry und Meghan besuchen überraschend Militärparade
Überraschend verfolgten auch Queen-Enkel Prinz Harry und seine Ehefrau Herzogin Meghan die Militärschau. Der Besuch des in die USA ausgewanderten Ehepaars hatte vor allem in den konservativen britischen Medien Angst vor einer «Sussex-Bombe» ausgelöst – dass Meghan und Harry, die sich jüngst von einem Netflix-Filmteam begleiten liessen, das Jubiläum mit egoistischen Auftritten überschatten könnten.
Nun deuten die Zeichen eher auf einen Familienfrieden hin. Denn auch am Freitag bei einem Dankgottesdienst in der Londoner Kathedrale St. Paul’s, der allerdings ohne die Königin stattfinden wird, sowie am Samstagabend bei einer grossen Party mit Musikstars und Promis am Buckingham-Palast wird das Paar erwartet. Die Queen habe ihre Limousine geschickt, um ihren Enkel samt Familie vom Flughafen abholen lassen, berichteten britische Zeitungen.
Mehr noch: Am Samstag ist Medienberichten zufolge ein privates Treffen mit Harrys Grossmutter vorgesehen. Dabei könnte die Queen erstmals Urenkelin Lilibet treffen, die nach dem familieninternen Spitznamen der Monarchin heisst. Auch Brüderchen Archie (3) ist dabei. Die mögliche Audienz hat Gerüchte geschürt, das Ehepaar könnte seine Tochter im Beisein der Queen taufen lassen. Dies wäre eine weitere Friedensgeste im familieninternen Zwist. Vor allem Harrys Vater Prinz Charles und Bruder Prinz William sollen dem 37-Jährigen dessen scharfe Kritik am Palast der vergangenen Monate noch übel nehmen.
Für Harry und Meghan gab es aber auch eine klare Grenze: Sie waren nicht mit auf dem Buckingham-Balkon dabei. Dort waren nur «Working Royals» vorgesehen, wie der Palast bestätigte. Harry und Meghan hatten mit ihrem Umzug in die USA aber ihre royalen Pflichten aufgegeben. Auch der zweitälteste Queen-Sohn Prinz Andrew wird fehlen. Er hat sich wegen seiner Verwicklung in einen Skandal um sexuellen Missbrauch weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Landesweite Feiern geplant
An den kommenden Tagen steht umso mehr die Queen im Mittelpunkt. Elizabeth ist seit dem Tod ihres Vaters König Georg VI. am 6. Februar 1952 britische Königin. Gekrönt wurde sie am 2. Juni 1953.
Landesweit feiern Millionen Menschen bei Strassenfesten ihre Königin. Am Donnerstagabend sollten landesweit Leuchtfeuer den dunklen Himmel erhellen. Den symbolischen Start sollte die Königin auf ihrer Residenz Schloss Windsor übernehmen. Zeitgleich wollte ihr Enkel William 35 Kilometer weiter östlich am Buckingham-Palast einen Lichterbaum erstrahlen lassen. Feuer sollen auch auf den höchsten Gipfeln aller vier Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland entzündet werden sowie an etlichen anderen Orten, auch in Ländern des Staatenbundes Commonwealth.
Auch am Wochenende sind Veranstaltungen geplant. So gehört das bekannte Pferderennen Epsom Derby am Samstag zu den zentralen Feierlichkeiten, am Sonntag ist in London ein «Street Pageant», eine Art Strassenkarneval, geplant. Damit die Menschen ihre Königin gebührend feiern können, gibt es einmalig einen weiteren arbeitsfreien Feiertag. Zudem dürfen Pubs deutlich länger öffnen.
Die Feier der «ewigen» Monarchin wirkt auch wie ein wichtiger Moment der Selbstvergewisserung in unsicheren Zeiten. Party statt «Partygate»-Skandal, Budenzauber statt Brexit, Krönung statt Krieg: Der viertägige Festreigen soll das Land wieder zusammenschweissen. Überall wehen schon seit Tagen britische Flaggen, Vorgärten und Häuser sind geschmückt. Hartgesottene Royals-Fans campten auf der Londoner Prachtstrasse Mall. Ziel: ein guter Platz für die Parade.
Vor allem die Queen ist nach wie vor äusserst beliebt im Land. Wie das Meinungsforschungsinstitut Yougov ermittelte, sind 84 Prozent der Menschen in Grossbritannien der Ansicht, die Königin habe in ihren 70 Jahren auf dem Thron sehr gute oder gute Arbeit geleistet. Allerdings schwindet unter jüngeren Menschen die Unterstützung für die Monarchie. Bei den 18- bis 24-Jährigen sank die Zahl der Befürworter einer Yougov-Umfrage zufolge seit 2011 von 59 Prozent auf 33 Prozent.
«Apropos» – der tägliche Podcast
Den Podcast können Sie kostenlos hören und abonnieren auf Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Apropos».
SDA/AFP/aru
Fehler gefunden?Jetzt melden.