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Geschichte eines Tollpatschs
Happy Birthday, Goofy!

Die nilpferdartigen Zähne, die lächerliche Mütze und der viel zu grosse Pullover gehören zu Goofys Markenzeichen.

Wer ist eigentlich Goofy, der ­heute Mittwoch seinen 90. Geburtstag feiert? Generationen von Comicleserinnen und Zeichentrickfreunden sind mit ihm aufgewachsen, erinnern sich an seine schlaksigen Bewegungen, vor ­allem an sein rätselhaft unkoordiniertes Lachen.

In seiner Un­beholfenheit war und ist Goofy deutlich sympathischer als die fürchterlich streberhafte Mickymaus oder die total überspannte Ente Donald Duck. Hätte man sich aus dem Disney-Taschenbuch-Universum einen Freund fürs ­Leben auswählen dürfen, so wäre es – natürlich – Goofy gewesen. Warum eigentlich?

Man müsse sich Goofy als ­Zusammensetzung aus einem «unverbesserlichen Optimisten, einem barmherzigen Samariter, einem Halbidioten und einem hilflosen, gutmütigen Hinterwäldler» vorstellen, so fasste es Disney-Zeichner Art Babbitt in den 1930er-Jahren zusammen. Babbitt, der interessanterweise auch für die Entwicklung eines anderen starken Charakters, nämlich desjenigen der bösen Königin in Disneys erstem abendfüllenden Film, «Schneewittchen und die sieben Zwerge» aus dem Jahr 1937, verantwortlich war, wird gerne als Erfinder Goofys bezeichnet.

Vom Einzelgänger zum alleinerziehenden Vater

Doch die Sache ist komplizierter. Auf der Suche nach neuen unterhaltsamen Charakteren für die Mickymaus-Familie berichtete der Schauspieler Pinto Colvig, der für die Walt Disney Studios als Sprecher arbeitete, dem Anima­tionsteam vom «Dorftrottel» (heute muss man sich für diesen Ausdruck entschuldigen) des Städtchens, in dem er Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts in Oregon aufgewachsen war. In seiner Jugend war Colvig, das jüngste von sieben Kindern, von den interessanten Eigenheiten dieses Mannes fasziniert und beobachtete ihn.

Später schlüpfte Colvig als Clown auf den Bühnen der damals sehr beliebten Kleinvariétés in dessen Rolle. Um Firmenboss Walt Disney den Charakter näherzubringen, habe er ihm im Konferenzzimmer eine ­kleine Kostprobe gegeben, ist in Colvigs Erinnerungen zu lesen.

Disney beauftragte daraufhin einen seiner Zeichner, Skizzen von Colvigs Posen und Gesten ­anzufertigen, die ja eigentlich die des namenlosen Aussenseiters aus Jacksonville, Oregon, waren. Und Animator Art Babbitt erhielt später die Aufgabe, den Charakter weiterzuentwickeln. Heraus kam die (von Colvig gesprochene) Figur eines anthropomorphen Hundes, welcher – kaum grösser als eine Maus – Micky in einem Kurzfilm erstmals als Freund an die Seite gezeichnet wurde.

Wirkte er mit seinem Leben nicht derart zufrieden, so bräuchte er wahrscheinlich dringend Hilfe.

Fast immer blieb Goofy ein Einzelgänger (erst in den 1990er-Jahren verpatchworkte man ihn zum alleinerziehenden Vater) – ungeschickt, aber gelassen. Statt «Gosh!» sagt er im Original «Gawrsh!», vermutlich, weil er aus Oregon kommt. Sein eruptiv auftretendes Lachen klingt eher nach «Ah-hyuck!» als nach «Haha». Und eigentlich ist schon sein Name diskriminierend: ­«Albern» (anfangs hiess er ­«Dippy Dawg», verdrehter Hund).

Alles nicht nett. Zusammenfassend muss man über Goofy sagen: Wirkte er mit seinem Leben nicht derart zufrieden, so bräuchte er wahrscheinlich dringend Hilfe. Dramaturgisch folgt der Charakter einem bis heute sehr bewährten Muster: Neben dem Helden braucht eine Geschichte eben immer auch einen Narren.

Humor macht das Leben immer leichter

Das Lachen über den Buffo-Charakter ermöglicht dem Leser, der Hörerin oder dem Zuschauer ein tieferes Eintauchen in die Geschichte. Das beweisen ­Papageno in Mozarts «Zauber­flöte», ­Snoopy und Woodstock bei den «Peanuts». Aber auch Grobi oder Ernie in der ­«Sesamstrasse» und Obelix und Idefix als lustige Kontraparts zu Asterix. Humor macht das Leben immer leichter.

Er ist alles andere als ein Held: Goofy als Kraftprotz auf der Rückseite des Comics «Superhelden im Doppelpack».

Und so spiegelt auch Goofy mit seinen nilpferdartigen Zähnen, seiner lächerlichen Mütze, seinen ausgelatschten Schuhen, der geflickten Hose, dem viel zu grossen Pullover und einer völlig sinnlosen Weste vor allem eines: den Durchschnittsbürger, der alles andere ist als ein Held.

Man kann nur hoffen, dass sich Goofys nicht ganz unproblematische Herkunft noch weiter herumspricht. Sonst wird er wohl irgendwann dem «Altar des Götzen der Political Correctness quasi geopfert», wie es die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek jüngst formuliete – in ihrem Protest gegen die vom Egmont-Ehapa-­Verlag überarbeiteten, einst von Erika Fuchs ins Deutsche übersetzten Mickymaus-Geschichten. Denn das würde ihm wirklich nicht gerecht.