Grösster Insider-ProzessHans Ziegler: Ein «schamloser Serientäter» oder ein Unschuldiger?
Die Anklage fordert vor dem Bundesstrafgericht fünf Jahre Gefängnis für den «Sanierer der Nation», die Verteidigung einen vollen Freispruch.
Fünf Stunden dauerte am Dienstag das Plädoyer von Staatsanwalt Werner Pfister vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona. Dann kam er zur Sache: Hans Ziegler sei zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren zu verurteilen. Gründe für eine Strafmilderung sehe er keine.
Die Ermittlungen gegen den Multi-Verwaltungsrat und bekannten Sanierer hätten sich zum grössten und aufwendigsten Verfahren in Sachen Insiderhandel und Verrat von Geschäftsgeheimnissen entwickelt. Pfister rief die Vielzahl der Fälle in Erinnerung, die fein säuberlich in seiner über 200 Seiten langen Anklageschrift der Bundesanwaltschaft aufgelistet sind.
«Offensichtliche Dreistigkeit»
Er prangerte die «offensichtliche Dreistigkeit» an, mit der Ziegler vorgegangen sei. Er habe «schamlos» vertrauliche Informationen für seine Deals ausgenutzt. Dabei hätte er diese Art von Verdienst gar nicht nötig gehabt angesichts der Honorare und übrigen Einnahmen aus seinen Mandaten. Ziegler sei «ein Serientäter», rücksichtslos und auf hohem Niveau.
Beim Industriekonzern OC Oerlikon habe er als Verwaltungsrat die rote Linie überschritten, als er Geschäftsgeheimnisse an die internationale Finanzberatungsfirma Lazard weitergab, wo sie sofort ins Ausland gelangt seien.
Hans Ziegler, der während dieser Ausführungen regungslos an seinem Platz sass, dürfte es auch nicht getröstet haben, dass der Staatsanwalt zum Schluss doch noch einen positiven Punkt anführte: Der Beschuldigte habe das Verfahren nicht behindert und sich meist kooperativ gezeigt. «Er forderte die Bundesanwaltschaft nicht mit Beschwerden heraus, wie dies leider in anderen Fällen immer wieder vorkommt», betonte Pfister.
Ankläger will mit Strafmass ein Zeichen setzen
Fünf Jahre seien eine hohe Strafe, meinte der Staatsanwalt, «aber absolut angemessen». Man müsse mit dem Strafmass ein Zeichen setzen, appellierte er an das Gericht.
Hans Ziegler, ein von Gier getriebener Geschäftsmann, der laufend Gesetze verletzt hat? Patrick O’Neill, Zieglers Verteidiger, vertrieb diesen Eindruck, der sich im Saal des Bundesstrafgerichts über Stunden breitgemacht hatte, in flottem Tempo.
Verteidiger gibt Fehler zu, bestreitet aber die Vorwürfe
«Mein Klient bestreitet alle Vorwürfe.» Der Anwalt verlangte, dass sämtliche Klagen abzuweisen, beschlagnahmte Gelder freizugeben seien und dem Beschuldigten eine angemessene Entschädigung zu entrichten sei.
«Er hat mit der Zeit die roten Ampeln nicht mehr gesehen. Aber das ist nicht strafbar.»
Aus dem Plädoyer schälte sich ein Geschäftsmann heraus, der zwar gewisse Dinge bedauert. Zum Beispiel, dass er in unzulässiger Weise Akten an den mitangeklagten Kadermann von Lazard weitergegeben habe. Das sei ein Fehler gewesen. Er habe nicht damit gerechnet, dass der Kadermann die Informationen ins Ausland weitergebe.
Sein Klient bedaure auch, dass er mit Wertpapieren von Unternehmen gehandelt habe, bei denen er im Verwaltungsrat sass. «Er hat mit der Zeit die roten Ampeln nicht mehr gesehen», erklärte O’Neill. «Aber das ist nicht strafbar.» Denn: «Er hat kein Gesetz verletzt.»
Und so zerpflückte O'Neill praktisch jeden Punkt der Anklage als juristisch nicht haltbar. Ziegler habe wohl Informationen weitergegeben. «Sie mochten vertraulich gewesen sein, aber es sind keine Geschäftsgeheimnisse verletzt worden.»
Insiderhandel? Es sei unbestreitbar, dass Verwaltungsrat Ziegler bei OC Oerlikon Sperrfristen verletzt habe. Doch sei der Vorwurf des Insiderhandels aus anderen Gründen nicht haltbar. Fazit: In keinem der von der Bundesanwaltschaft aufgelisteten Fälle von Insiderhandel sieht der Anwalt eine Rechtsverletzung. Ziegler sei deshalb in allen Fällen vom Vorwurf freizusprechen.
Der Anwalt verlangte für seinen Klienten eine Entschädigung für die Kosten sowie eine Genugtuung.
Zweiter Beschuldigter verlangt vollen Freispruch
Zum Mittel des Zerpflückens nach allen Regeln der Juristenkunst griff am Dienstag schliesslich auch Lorenz Erni namens seines Klienten, des zweiten Beschuldigten in diesem Verfahren. Die Vorwürfe gegen den früheren Kadermann bei Lazard entbehrten jeglicher Grundlage, legte er in seinem zweistündigen Plädoyer dar. Der Lazard-Vertreter war von Ziegler regelmässig mit Interna aus jenen Unternehmen beliefert worden, in denen Ziegler im Verwaltungsrat sass.
Die Bundesanwaltschaft habe dem Beschuldigten kein strafbares Verhalten nachweisen können, sagte Erni. Weshalb sie dennoch Anklage erhoben habe, sei eine unbeantwortete Frage. Denn: Die blosse Kenntnisnahme eines verratenen Geheimnisses sei kein Delikt und somit auch nicht strafbar. Auf jeden Fall verlangt der Anwalt einen vollumfänglichen Freispruch.
Die Bundesanwaltschaft beantragt vor Gericht, dass der Kadermann zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten verurteilt werde, wovon 14 zur Bewährung auszusetzen seien.
Das Urteil wird für den 22. Juni erwartet.
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