Formel 1: Hochspannung in Abu DhabiVerstappen entreisst Hamilton den WM-Titel in der letzten Runde
Der Niederländer nutzt seine späte Chance und macht sich erstmals zum Weltmeister. Es ist die Krönung einer aussergewöhnlichen Saison.
In einem spektakulären Finale hat Max Verstappen seinem Rivalen Lewis Hamilton die WM-Krone auf den letzten Metern noch entrissen und zum ersten Mal die Weltmeisterschaft gewonnen. Als seine Chancen im Showdown von Abu Dhabi schon so gut wie dahin waren, nutzte der Niederländer zwei Safety-Car-Phasen und kürte sich mit einer famosen Aufholjagd zum 34. Weltmeister der Geschichte. «Oh mein Gott, ich fasse es nicht», schrie Verstappen in der Wüstennacht über Funk.
Der 24-jährige Niederländer kniete später neben seinem Auto nieder, ehe er von seinen ersten Teammitgliedern umarmt und schliesslich auf Schultern getragen wurde. Wenige Minuten später waren seine ersten Worte als Weltmeister gegenüber Jenson Button: «Es ist unglaublich. Ich habe das ganze Rennen gekämpft, in der letzten Runde hatte ich meine Chance. Es ist verrückt.»
«Mein Team verdient es und Honda, wir arbeiten seit 2016 zusammen. Herzlichen Dank auch meinem Teamkollegen ‹Checo› (Pérez, Red.), er hat sein Herz rausgefahren, das war ein unglaubliches Teamwork. Ich liebe mein Team, hoffentlich können wir das noch 10, 15 Jahre so weitermachen. Ich werde nie wechseln wollen.»
Verstappen zerstörte mit seiner Adrenalinfahrt die Hoffnung von Hamilton auf dessen achten Titel – der 36-jährige Brite bleibt bei sieben wie Michael Schumacher. «Gratulation an Max und sein Team, sie haben das ganze Jahr einen unglaublichen Job gemacht. Ich bin aber auch stolz auf mein Team, alle haben so hart gearbeitet. Im zweiten Teil der Saison haben wir alles gegeben. Ich fühlte mich toll in den letzten Monaten. Bitte bleibt alle gesund, wir sind noch mitten in der Pandemie. Wir sehen dann weiter fürs nächste Jahr», so der faire Verlierer.
Es war ein Jahr der Grenzerfahrung. Die Formel 1 steuerte durch die nächste Corona-Saison, und in Verstappen vs. Hamilton fand sie das atemloseste Titelduell seit Jahren. In den 259 Tagen seit dem Start der Saison in Bahrain bekämpften sich die Ausnahmepiloten knallhart auf dem Asphalt, auch zum Ende auf dem Yas Marina Circuit. Gift wurde versprüht zwischen dem niederländischen Frühreifen, 2016 in Spanien mit 18 Jahren und 228 Tagen jüngster Grand-Prix-Gewinner, und dem Formel-1-Aushängeschild aus England.
Silverstone, Monza, Dschidda – es krachte auch zwischen Verstappen und Hamilton. Vor dem letzten Rennen herrschte höchste Eskalationsgefahr: Crasht sich Verstappen zum ersten Titel? Die Ausgangslage war klar: Fallen beide punktgleichen Fahrer aus, wäre der Red-Bull-Mann wegen der höheren Zahl der Saisonsiege erstmals Weltmeister. «In 10, 20 Jahren werden die Leute auf diese WM zurückschauen und sich daran erinnern – ich auch», sagte Verstappen über das Duell.
Erstmals seit 1974 rasten zwei Piloten punktgleich ins Finale. Verstappen hob das Spannungslevel mit seiner Fabel-Pole am Samstag sogar nochmal an, Hamilton lauerte direkt dahinter. Dann dieser Start des Briten! Hamilton schoss förmlich davon, Verstappen rollte nur langsam los – eine Zehntelsekunde in der Reaktionszeit war nach dem Erlöschen der Roten Ampeln entscheidend.
Erstes Rencontre in Kurve sechs
Schon in der ersten Runde in Kurve sechs attackierte der Niederländer am Limit, bremste extrem spät und liess seinem Rivalen keinen Platz. Der Engländer musste den Kurs verlassen und blieb dank der Abkürzung vorne. Erst beklagte sich Verstappen, dass Hamilton die Strecke verlassen habe. Dann beklagte sich Hamilton, dass ihn Verstappen rausgedrängt habe. «Das ist unglaublich», schimpfte Verstappen. Er sah sich nicht ansatzweise mitschuldig.
Nach einem Bremsplatten in der Qualifikation ging Verstappen mit der weichen Reifenmischung ins Rennen. Diese ist zwar schneller, baut aber auch schneller ab. Hamilton hatte die haltbareren Mediums am Mercedes. Verstappen wusste: Jetzt spricht alles gegen ihn. «Wir sind alle ein bisschen schockiert», reagierte Red-Bull-Teamchef Christian Horner empört auf die Entscheidung der Rennleitung, den Fast-Crash nicht zu untersuchen.
Die vielen Fans in Orange auf den Tribünen wurden immer leiser. Denn nach dem verpatzten Start ihres Helden liessen auch noch die Reifen nach – nicht überraschend. Der Plan, mit den Softs einen Vorsprung rauszufahren, schlug komplett fehl. In Runde 14 wechselte Verstappen als Erster die Reifen und stieg auf die härteste Mischung um. Mercedes reagierte einen Umlauf später, obwohl Hamilton noch hätte weiterfahren können. Ein Sicherheits-Boxenstopp – dem Gegner nur keinen möglichen taktischen Vorteil lassen.
Pérez und Safety-Car helfen Verstappen
Hamilton hatte nun Verstappens Teamkollege Pérez vor sich. Knapp zwei Runden lang hielt der Mexikaner hart dagegen, kostete den Mercedes-Mann rund sechs Sekunden, ehe dieser sich wieder an die Spitze setzte. «Checo ist ein Tier», lobte Verstappen via Funk.
Nun war der Niederländer nur noch eine Sekunde hinter Hamilton, der sich aber anschliessend wieder absetzen konnte. Dann ein Virtuelles Safety-Car. Red Bull riskierte. Verstappen bekam in Runde 37 neue Mediums – Hamilton blieb aber draussen. Sein Vorsprung betrug nur noch 17 Sekunden. Und dieser schmolz! Aber nicht zu rapide.
In Runde 53 von 58 folgte dann Safety-Car-Phase, Latifi hatte sein Auto zerlegt. Verstappen holte sich die schnellsten Gummis – Hamilton wurde wieder nicht reingeholt. «Das ist unglaublich, Leute», schimpfte der Brite, dessen Stimme auf den letzten Kilometern längst nicht mehr so fest und entspannt wie gewohnt war. Nach der Rennfreigabe setzte sich Verstappen in einem unfassbaren Duell aber noch vor Hamilton, in der 58. von 58 Runden. Der Titel!
Räikkönens bitterer Abschied
Ein unwürdiges Ende seiner Karriere erlebte Kimi Räikkönen in seinem 349. Grand Prix. Nach einem Fahrfehler kam er von der Strecke ab und landete in der Streckenbegrenzung. Der Weltmeister von 2007 konnte zwar noch an die Box fahren, musste seinen Alfa Romeo aber nach nicht mal der Hälfte der Renndistanz abstellen. Zum Abschied waren auch seine Ehefrau Minttu und die beiden Kinder in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist.
Nicht viel besser erging es Teamkollege Antonio Giovinazzi. Der Italiener musste wenige Runden nach Räikkönen wegen Problemen mit der Hydraulik ebenfalls aufgeben.
Runde 20/58: Pérez ärgert Hamilton
Verstappens Teamkollege Sergio Pérez hat natürlich den Auftrag erhalten, den heranfliegenden Hamilton aufzuhalten. Zuerst scheint das nicht zu gelingen, der Brite zieht mit DRS auf der Geraden vorbei, doch der Mexikaner kontert und wehrt sich nach Kräften. Hamilton will keinen Crash riskieren und gibt schliesslich nach, ehe er Pérez in Runde 21 endgültig überholt. Das hat aber Zeit gekostet, Verstappen ist wieder dran an Hamilton. Dieser führt das Rennen nun an, weil sich Pérez neue Reifen holt. Verstappen lobt seinen Teamkollegen via Funk: «Checo ist ein Tier.»
Runde 19/58 - Verstappen schnappt Sainz
Verstappen stösst auf Platz 3 vor, er überholt Carlos Sainz junior. Der Rückstand auf Hamilton beträgt aber bereits über acht Sekunden.
Runde 17/58 - Hamilton zaubert, Verstappen patzt
Hamilton zaubert mit den harten Reifen gleich eine schnellste Runde auf den Asphalt, Verstappen hingegen begeht kurz vor der Zielgeraden einen Fahrfehler, kann das Auto aber auffangen. Souverän ist anders.
Runde 14/58 - Verstappen an der Box, Hamilton auch
Verstappen hat den ersten Stopp hinter sich, er hat sich die harten Reifen aufziehen lassen. Mit diesen könnte er theoretisch zu Ende fahren. Verstappen hat sich auf Platz 4 wieder eingereiht. Und dann kommt in Runde 15 auch Hamilton zum Stopp. Der Titelverteidiger kommt hinter dem aktuell Führenden Pérez wieder auf die Strecke.
Zeitverlust beim Boxenstopp
Wie wir gerade gelernt haben, beträgt der Zeitverlust bei einem Boxenstopp hier im Schnitt 23 Sekunden. Damit fiele Verstappen momentan bis auf Platz 8 zurück. Und wieder meldet der Niederländer, dass seine Hinterreifen richtig Probleme machen. Er versucht nun, einigermassen schonend zu fahren.
Alfa Romeo ausserhalb der Top 10
Hinter dem Spitzenduo folgt übrigens Pérez im zweiten Red bull. Die Alfa-Romeo-Fahrer sind momentan ausserhalb der Top 10, Giovinazzi liegt auf Platz 13, Räikkönen auf 16.
Die Reifen lassen nach
Verstappen meldet in der neunten Runde, dass die Hinterreifen nachlassen.
Nachteil Verstappen
Für Verstappen ist das natürlich ziemlich unglücklich. Er ist jetzt bereits hinter Hamilton und wird mit seinen weichen Reifen früher an die Box kommen müssen.
Die Diskussionen laufen
Hamilton wird nicht angewiesen, Platz 1 seinem Konkurrenten zu überlassen, die Rennleitung findet, der Brite sei von der Strecke gedrängt worden. Red Bull sieht das natürlich anders, wohl zurecht. Und Verstappen enerviert sich: «Das ist unglaublich, was tun die hier?»
Hamilton gewinnt den Start, Verstappen kontert
Trotz des Reifennachteils schnappt sich Hamilton am Start Verstappen. Das kommt doch überraschend. Verstappen kontert umgehend und zieht innen vorbei, die beiden Autos berühren sich. Hamilton fährt von der Strecke, kürzt ab und ist nun wieder vorne. Der Niederländer sagt über Funk: «Er muss mir den Platz zurückgeben.» Damit hat er wohl recht. Hamilton wiederum findet, er sei von der Strecke gedrängt worden.
Aufwärmrunde läuft
Die Autos sind losgerollt, die Fahrer auf der Aufwärmrunde. Lange dauerts nicht mehr bis zum Start, der mit Spannung erwartet wird.
Die Strecke
Der Yas Marina Circuit ist nach dem GP im Vorjahr umgebaut worden. Er ist nun 5,281 Kilometer lang statt wie bisher 5,554 Kilometer, zudem ist die Durchschnittsgeschwindigkeit höher. Experte Marc Surer glaubt, dass Hamilton im Mercedes aufgrund der langen Geraden einen leichten Vorteil hat. Zu fahren sind 58 Runden.
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Das Wetter
Der Vollständigkeit halber: Die Streckentemperatur beträgt 29,5 Grad, die Lufttemperatur 25 Grad. Es dürfte trocken bleiben – was nicht unbedingt überrascht in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Verstappen stichelt
In einem Interview mit der niederländischen Zeitung «De Telegraaf» hat Verstappen im Vorfeld noch ein bisschen gegen Hamilton gestichelt und dabei Sätze gesagt wie: «Wenn ich in seinem Auto gesessen hätte, wäre die Saison längst entschieden.» Oder: «Ich glaube, ich mache ihn nervös, wenn er mich in seinen Spiegeln sieht. Er ist ein anderer Fahrer als ich, weniger aggressiv. Er weiss nicht, wie man Rennen fährt so wie ich. Das kann ich ihm auch nicht verübeln, denn er hat es nie so gelernt wie ich von meinem Vater.» Das lassen wir einfach mal so stehen.
Verstappen entspannt
Ist das nur die Ruhe vor dem Sturm? Max Verstappen hat vorher bei der Fahrerparade jedenfalls einen ziemlich entspannten Eindruck gemacht.
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Die Startaufstellung
Hinweis: Heute besteht das Feld nur aus 19 Fahrern, da Haas-Pilot Nikita Masepin positiv auf das Coronavirus getestet worden ist. Ersatzfahrer Pietro Fittipaldi wird den Regeln entsprechend nicht einspringen dürfen, weil er nicht wenigstens an einem Freien Training teilgenommen hat.
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Die Reifenfrage – Vorteil Hamilton?
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Reifen. Von den Top Ten starten nur Tsunoda und die Mercedes-Fahrer auf Medium. Verstappen muss den ersten Stint mit den weichen Reifen beginnen. Dadurch dürfte er zwar am Start einen Vorteil haben, muss aber wohl einiges früher an die Box als Hamilton. Reifenhersteller Pirelli rechnet damit, dass die Piloten nur einen Stopp einlegen.
Hier mögliche Strategien:
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Nicht vergessen: Räikkönens Abschied
Damit es nachher nicht komplett untergeht, wenn der Titel ausgefahren wird: Kimi Räikkönen bestreitet sein letztes Rennen in der Königsklasse des Motorsports. Wir verdrücken eine Träne und stellen uns vor, was der wortkarge Finne dazu sagen würde: …
Genau, vermutlich nichts. Aber wenn er jeweils redet, dann ist das oft sehr unterhaltsam, wenn auch nicht immer angenehm für die Journalisten. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich noch einmal die besten Momente des früheren Weltmeisters zu Gemüte zu führen. Und das können Sie hier tun: Mal betrunken, mal als Gorilla im Schneemobil: Die Kultfigur tritt ab.
Wenn Sie hören wollen, wie Räikkönen seine Karriere selbst zusammenfasst, sei Ihnen dieses Video empfohlen. Vermutlich hat er noch nie so viel am Stück geredet.
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Das sagt Experte Marc Surer
Kollege René Hauri hat vor dem finalen Zweikampf mit dem ehemaligen Formel-1-Fahrer Marc Surer gesprochen. Warum er Verstappen für den schnelleren, Hamilton aber für den besseren Piloten hält, lesen Sie im Interview.
Wem drückt die Prominenz die Daumen?
Die Formel 1 hat am Samstag ein Video getwittert, indem verschiedene Prominente – darunter auch Fabian Cancellara – ihre Sympathien verraten. So viel sei gesagt: Diese sind ziemlich einseitig verteilt.
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Vielleicht hat die F1 darum heute nachgelegt und noch ein Video gepostet, um das Ganze auszugleichen.
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dpa/kai/mke
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