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Gute Wünsche statt Gottes Segen

Mit farbigem Sand, Ballonen oder Wunschkärtchen gestaltet Anita Lusti aus Eschenbach sogenannte Willkommensrituale für Neugeborene als Alternative zur kirchlichen Taufe.

Am Klöntalersee, auf der Schwägalp, auf einem Schiff, das über den Zürichsee tuckert: Es sind idyllische Orte, die sich junge Eltern für ein Taufritual aussuchen. In der freien Natur wollen sie ihr Kind auf der Welt und in der Familie willkommen heissen – nicht im Namen Gottes, aber trotzdem im Namen der Liebe. Durch die Zeremonie führt dann nicht der Pfarrer, sondern zum Beispiel Anita Lusti aus Eschenbach.

Die 37-jährige Zeremoniegestalterin unterstützt Paare seit sechs Jahren, wichtige Lebensabschnitte wie Trauung oder Geburt eines Kindes mit einem Ritual und schönen Worten anzugehen und zu feiern.Es sind meist Paare, von denen mindestens einer oder auch beide aus der Kirche ausgetreten sind, erzählt sie. Andere sind zugezogen und haben zur Kirchgemeinde ihres neuen Wohnorts schlicht zu wenig Bezug. Das Bedürfnis aber, eine grosse Veränderung im Leben wie das Elternsein bewusst zu zelebrieren – wenn auch nicht im religiösen Rahmen – sei dennoch gross.

Ein Trend, der zunimmt

Angefangen hat die ehemalige Lehrerin und Katechetin aus Eschenbach mit freien Trauungen. Mittlerweile sind aber zunehmend auch Taufrituale gefragt. Wobei «Taufrituale» nicht ganz das richtige Wort ist. Lieber spricht Anita Lusti von «Namensfeiern» – gerade, wenn der Name des Kindes eine besondere Bedeutung hat oder mit einer Geschichte verbunden ist – oder dann von «Willkommensfeiern».

«Das Ziel ist eine persönliche Zeremonie – unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen.»

Anita Lusti, Zeremoniegestalterin

Eine Handvoll solcher Namensfeiern stehen seither jährlich in ihrer Agenda, mit jedem Jahr werden es mehr. Ein Willkommensritual kostet bei Anita Lusti rund 660 Franken, hinzu kommen Fahrspesen und die Kosten für Materialien. Für einige Zeremonien geht es hinaus ins Grüne, doch viele finden auch einfach bei den Familie zu Hause im Garten oder auf der Terrasse statt.

Das «goldenene Buch» dabei

Auch wenn freie Trauungen noch immer den Hauptteil ihrer Zeremonien ausmachen – rund 150 hat sie begleitet und ist schon jetzt für 2018 gebucht – zeichne sich auch bei den Namensfeiern eine klare Zunahme ab. Drei solcher Willkommensrituale stehen bei ihr in den nächsten Monaten an, bis dahin sammelt Anita Lusti Ideen, spricht mit den Eltern und feilt an ihren Reden für die Zeremonien. Ihre Worte wird sie später an der Feier aus dem «goldenen Buch» vortragen, wobei, eigentlich könne sie das meiste auswendig, wenn es einmal zu Papier gebracht sei. Sie lacht, die Anekdoten sprudeln nur so aus ihr heraus. Vor Leuten zu sprechen, ist sie sich als Laienschauspielerin gewohnt.

Ein Wunschbaum am See

Auch wenn jedes Ritual so individuell ist wie das Paar selbst, so gibt es doch etwas, was bei vielen Namensfeiern im Zentrum steht, weiss Anita Lusti: Das Bedürfnis, dem Kind gute Wünsche auf den Weg mitzugeben. Gesundheit, Liebe, Werte wie Ehrlichkeit und Offenheit. Auch wenn dies grundsätzlich christliche Werte seien, könne man sie auch zelebrieren, ohne sich dabei auf Gott zu berufen. Stattdessen arbeitet Anita Lusti mit verschiedenen Symbolen. Sie erzählt vom Willkommensritual mit einem Wunschbaum, dessen Äste die Familie mit Kärtchen voller guter Wünsche behängte. Oder von der Feier, bei der die Gäste farbigen Sand in eine Vase streuten und jede Farbe symbolisch für einen Wunsch oder eine gute Eigenschaft stand. Die Vase wurde den Eltern und dem Neugeborenen als Geschenk übergeben.

Wie die Werte vermitteln?

Doch kann es für ein Kind auch schwierig sein, konfessionslos und ohne Anhaltspunkte und Glaubensvorstellungen aufzuwachsen? Anita Lusti ist es wichtig, diesen Punkt anzusprechen, wenn Paare für ein erstes Gespräch zu ihr kommen. «Die allermeisten haben sich dazu Gedanken gemacht», sagt sie. Mehr über die Weltreligionen zu erfahren und ethische Werte zu thematisieren, sei für das Kind wichtig, findet sie. Die Eltern würden sich allerdings sehr genau überlegen, wie sie ihrem Kind bestimmte Werte vermitteln und über Religion sprechen wollen. Dies könne etwa ein gemeinsamer Besuch einer Kirche oder Moschee sein, oder sich die Vorstellungen von Leben und Tod in anderen Kulturen anzuschauen. Wenn sie aber spüre, dass Eltern einer kirchlichen Taufe nicht grundsätzlich abgeneigt seien, dann spreche sie das an und ermuntere das Paar zum Gespräch mit der Pfarrerin oder dem Priester, sagt Anita Lusti.

Pfarrer Martin Jud aus Eschenbach spricht von einem Mehrwert für das Kind, wenn es eine Religion nicht nur aus Büchern und aus dem Schulunterricht kennt: «Religion lebt stark von erlebten Ritualen.» Diese selber zu erfahren, sei für die religiöse Entwicklung wichtig: Er findet, dies biete Kindern eine breitere Entscheidungsgrundlage. Darauf gestützt, könnten sie später immer noch entscheiden, ob sie einer Glaubensgemeinschaft angehören wollen oder nicht.

Die Chemie muss stimmen

Anita Lusti sagt, ihr gehe es darum, mit dem Paar eine persönliche Zeremonie zu gestalten, unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen. Zum Beispiel traut sie auch gleichgeschlechtliche Paare. Im Zentrum stünden immer die persönlichen Bedürfnisse. «Die Betroffenen sollen sich wohl fühlen, für sie ganz alleine muss es stimmen.» Stimmen muss auch die Chemie zwischen ihr und dem Paar. Dass man gegenseitig «nicht warm wird miteinander», auch das hat es schon gegeben. Es stehe den Paaren frei, sich nach dem Kennenlernen für einen anderen Ritualbegleiter – oder eben doch den Pfarrer – zu entscheiden.

Es klingelt, eine Frau mit einem Strauss lilafarbener Tulpen steht in der Tür. Anita Lusti hat die Braut und ihren Mann vor kurzem rituell getraut. Eine herzliche Umarmung, dann stellt Anita Lusti die Blumen in eine Vase und zückt ihr goldenes Buch. Die Rede für die nächste Zeremonie wartet.