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«Geht nicht gibt es nicht»

Anikó Donáth: «Komödie ist eine dramatisch ernste Sache, zumindest bis das Stück bühnenreif ist».

Ein Tag im Februar. Es ist bitterkalt, das Gesicht schmerzt, der Weg «hard» unter der Brücke. Wie ein blauschimmernder Eiszapfen ragt der Prime Tower in Zürichs wolkenverhangenen Himmel. Rasant ist die Fahrt hoch ins 25. Stockwerk, in die Wolke, das Panoramabistro Clouds. Die Luft sollte dort etwas dünner sein ­– meine Chance, beim Interview mit Anikó Donáth zu Wort zu kommen, denn die Schauspielerin nimmt, wie man weiss, kein Blatt vor den Mund.

Anikó Donáth, Sie kommen ­gerade von der Aufzeichnung des TV-Formates «Boser & ­Böser» (TeleZüri). Sind Sie noch böser oder schon lieber?

Anikó Donáth (46): Ich bin immer böse . . .

Oh, nun denn . . . Sie agieren in Musicals, Komödien, Filmen, ­amten als Synchron- und Werbesprecherin und treiben es mit ­Exfreundinnen bunt auf Bühnen. Tanzen also auf verschiedenen Hochzeiten – ausser der eigenen. Ist es die Vielfalt, welche Sie an dieser Berufung reizt?

Du musst einfach alles tun, was Geld bringt, ausser Pornos. Ich habe keine Berührungsängste oder Überheblichkeit gegenüber gewissen Genres. Ich fühle mich in Komödien wie im ernsten Fach wohl. Eigentlich bin ich zufällig im Boulevardtheater gelandet. Ich dachte nämlich, ich würde zu Fausts Gretchen.

Ist es noch immer – auch nach 24 Jahren Bühnenpräsenz – ein Kampf um Engagements?

Nein. Ich kämpfe nicht, das ist mir zu anstrengend. Ich arbeite konzentriert, bin zuverlässig und kann gut mit Konkurrenz umgehen. Was sich ergibt, ergibt sich.

Der Name Anikó taucht im Web im Zusammenhang mit ungarischen Olympiamedaillengewinnerinnen auf. Aus aktuellem Anlass: In welcher Sportart oder anderem sind Sie richtig gut?

Ich komme ursprünglich vom Tanz (Ballett) und beherzige Yoga. Aber wenn es schmerzt, höre ich auf.

Also eher eine Passivsportlerin?

Beim Après-Ski auf jeden Fall. Eiskunstlauf, Kunstturnen oder Turmspringen faszinieren mich. Goldmedaillen abräumen würde ich, wenn jemand sagt, irgend­etwas sei unmöglich, nicht machbar. Da sträuben sich meine Nackenhaare, dann kocht der Berufsehrgeiz.

Auf einer Internetplattform für Schauspieler steht, dass Sie die ungarische Sprache beherrschen. Dann sind also Ihre Grosseltern seinerzeit nach ­Neftenbach ausgewandert?

Mein Vater kam 1956 aus Ungarn in die Schweiz. Ich kann zwar ­relativ akzentfrei, aber ganz schlecht und falsch sprechen.

Und haben im Dorf eine glückliche Kindheit erlebt . . .

Ja, sehr.

Sie sind also ein richtiges Landei.

Ja, total. Meine Eltern wohnen immer noch im «Chrut usse» und sind grösstenteils Selbstversorger. Wir hielten auch Hühner und galten als Exoten: Ausländer, grün angehaucht und Künstler. Ich kann auch melken, wurde aber mit dieser grossartigen Fähigkeit noch nie in einer Filmrolle besetzt. Im Dorf hörte ich oft «Das tut man nicht». Das war mir damals und ist mir heute egal.

«Zum Thema Männer, frei nach dem Fisherman's-Friend-Slogan: ‹Bin ich zu stark, sind sie zu schwach›.»

Anikó Donáth

Sie stammen aus einer musikalischen Familie. Weshalb sind Sie nicht Musikerin geworden?

Meine Grosseltern waren beide Musiker und mein Bruder ist Cellist. Ich war darin wohl einfach nicht gut genug. Mich hat es aber schon immer ins Schauspielfach gezogen.

Sie haben aber erst Jura studiert, also einen anständigen Beruf erlernt.

Ja, sieben Semester, nachdem ich zuvor durch sämtliche Schauspielprüfungen gefallen war. Ich wollte folglich nichts mehr mit Kunst zu tun haben. Trotz vielen tollen Begegnungen und spannenden Erfahrungen in der Juristenwelt zog es mich zurück zum Theater.

Trotzdem hilft es Ihnen nun vermutlich, sich bei Gagenverhandlungen mit Veranstaltern durchzusetzen?

Bei Verträgen ja und wie man ein Anliegen durchsetzt. Auch dass es nicht um Gerechtigkeit, sondern Argumentation geht.

Mit welcher schicksalhaften Begegnung hat es Ihnen den Ärmel reingezogen?

Mit verschiedenen, privat wie beruflich. Was möchten Sie hören?

Beides.

Mit Dominik Flaschka arbeite ich seit Jahren eng zusammen. Wir sind auch privat befreundet. Es ist eine sehr spezielle Zusammenarbeit. Ich habe bei ihm fast so etwas wie eine Carte blanche: Er vertraut mir und weiss, was er von mir erwarten darf.

Sich orientieren, was man von Schauspielerinnen und -spielern erwarten darf, ist auf sogenannten Sedcards ersichtlich. Irgendwo habe ich zu Ihrem Namen gegoogelt: «Figur: sehr gut». ­Bezieht sich das jetzt auf die Studentenzeit oder hatten Sie einfach keine Musse, diese Webseite aktualisieren zu ­lassen?

Also auf meiner steht das bestimmt nicht. Wäre ja schon etwas eitel. Obwohl, es stimmt.

Wie haben Sie es schliesslich geschafft, in diesem Business Fuss zu fassen?

Keine Ahnung. Ich wusste, wer Jörg Schneider war, aber Erich Vock war mir kein Begriff. Ich spielte im Theater Stok und rundum haben die Kolleginnen gezittert, wenn diese Ikonen des Schweizer Boulevardtheaters auftauchten. Ich wurde von beiden vom Fleck weg engagiert. Zu Beginn schämte ich mich, keine Schauspielausbildung durchlaufen zu haben, und hoffte, dass es keiner merkt. Während ich heute noch dabei bin, sind einige mit Ausbildung von der Bildfläche verschwunden. Manche Quereinsteiger haben es geschafft. Vielleicht, weil sie es wirklich wollen.

Seit einem Vierteljahrhundert haben Sie in diesem brotlosen Beruf – der Applaus ist das Brot des Künstlers – der Schauspielerei überlebt. Heute sind Sie glücklicherweise so etwas wie eine Selbstläuferin, oder?

Nein, nein, das tönt schlimm und man hofft doch auch noch auf etwas anderes als Brot. Ich geniesse einfach das Privileg, mich in der Szene etabliert zu haben und dass es gut läuft. Klar, wenn ich gleichzeitig verschiedene Dinge angeboten bekomme, pflücke ich mir das Sahnetörtchen heraus. Es ist eine Momentaufnahme. Die Nachfrage kann jederzeit abebben. Wenn mein Typ Schauspielerin nicht mehr gefragt ist, höre ich auf. Ich würde das nicht «durestiere» wollen, obwohl es mein Sternzeichen ist. Ich würde mich «ergeben» und mich über die tolle Zeit, die ich erleben durfte, freuen. Noch werde ich selten für Mutter- oder Faltenrollen gebucht. Zudem haben wir mit den Exfreundinnen unser eigenes Projekt kreiert und das ist etwas ganz Besonderes.

Ich nehme an, eine eigentliche Traumrolle haben Sie nicht?

Nein, jede Figur hat auf ihre Art ihren Reiz und stellt Herausforderungen. Aber nicht nur das Spiel an sich ist sehr befriedigend. Ich habe mit Isabelle Flachsmann, einer der Exen, und Oliver Paulus, einem etablierten Filmemacher und Autor, ein irres Drehbuch für einen Kinofilm geschrieben. Darauf bin ich extrem stolz. Mit diesen Powerfrauen bin ich nun doch schon eine ganze Weile quer durch die Schweiz unterwegs und, allen Unkenrufen zum Trotz, sehr erfolgreich. Man sagt meist, ein zweites Programm könne selten an den Erfolg des Erstlings anknüpfen. Dem muss ich deutlich widersprechen – es ist besser. Das sage ich nur, weil ich Teil eines Teams bin. Sonst wäre das ja stinkendes Eigenlob.

Ist es nicht schwierig, mit einer reinen Frauentruppe ein Stück zu erarbeiten?

Bei schwierig erhöht sich wie gesagt mein Blutdruck. Die Amerikaner würden sagen, es ist eine Herausforderung. Das ist es definitiv. Ich scheue keine Schwierigkeiten, Hürden, Nein und Konflikte. Mit dem Ziel vor Augen fliegen die Fetzen, bis es erreicht ist. Vier Alphafrauen haben Meinungsverschiedenheiten, aber die beiden Stunden auf der Bühne, sind die schönsten des Tages. Dort sind wir eine unschlagbare Einheit. Ein Programm zu schaffen, ist Knochenarbeit. Das erfordert Ruhe und Disziplin. Unsere Proben sind wenig lustig, umso mehr konzentriert. Also ein Drama für die Komödie oder Comedy. Gelacht wird ja meistens über die schlimmen Dinge des Lebens.

Nun wohnen Sie in Zürich. Im Innenhof steht Ihr Wohnwagen. Ein Rückzugsort, eine kleine Insel?

Aktuell steht er in der Garage. Ich kaufte diesen spontan nach Vermittlung durch meinen Kollegen Philipp Galizia. Eigentlich wollte ich gar keinen – also Wohnwagen. So lässt man sich von schrägen, liebenswerten Menschen, die man im Showbusiness kennen lernt, beeinflussen und kommt zu so Zeugs.

«Ich kann auch ­melken, aber bisher hat mir noch kein Filmproduzent eine entsprechende Rolle angeboten.»

Anikó Donáth

Schon in Urlaub gefahren damit?

Ja. Mit meiner kleinen Familie, den Cousins und der ganzen Sippe haben wir den Campingplatz gerockt.

Ihr sieben Jahre alter Sohn ist vermutlich Ihr Fitnessprogramm. Wie schaffen Sie das als alleinerziehende Mutter?

Die Leute denken, ich stünde dauernd unter Strom. Ich bin aber gerne zu Hause. Dann räume ich am liebsten auf oder lege die Kleider schön zusammen. Ausserdem esse ich für mein Leben gern. Deshalb will ich auch gut kochen. Fertigrisotto kommt mir nicht auf den Tisch. Und ich kann mich auf die Dienste eines Au-pairs verlassen.

Schauspielerinnen haben dafür tagsüber mehr Zeit . . .

Wann?! Ist mein Sohn in der Schule, bin ich im Tonstudio, schreibe an einem neuen Stück oder probe. Wenn er abends schläft, stehe ich auf der Bühne.

Ist bei Ihrem Sohn schon Talent fürs Schauspielern spürbar?

Ich glaube, er würde derzeit das Lego-Spielen einer Kinderrolle vorziehen. Manchmal übt er mit mir Text und kann ganze Monologe auswendig. Aber eigentlich möchte er Lastwagenfahrer werden. Kürzlich erzählte ich ihm, dass Mozart eine musikalisch nicht minder begabte Schwester hatte. Diese aber nicht Musikerin werden durfte, weil sie eine Frau war. Er schaute mich entsetzt an. Ich erklärte ihm, dass dies zwar lange her sei und in der Bundesverfassung (BV4) stehe, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind, sie aber in den meisten Berufen nicht gleich viel verdienen. Er: «So gemein, wenn ich gross bin und arbeite, zahle ich dir das Geld zurück.»

Die Rechtschreibung jetzt mal nicht beachtend, denkt man bei Ihrem Namen unweigerlich an Süsses. Stimmt das, oder täuscht der Schoggiüberzug?

Ich bin süsser, als man denkt. Der Schoggiüberzug ist echt. Ich habe auch einen weichen Kern, eben wie Donuts.

Sie wirken sehr souverän.

Das bin ich nicht immer, besonders nicht vor einer Premiere. Aber ich bin es im Laufe der Berufsjahre geworden. Bei einem Rollencasting denke ich: Vermutlich geht es um die Augenfarbe, das Alter oder die Nasenform. Den Rest kannst du nicht beeinflussen. Gut, wenn es nicht klappt, kein Problem. Vielleicht lasen die irgendwo «Figur: sehr gut» und ich habe deshalb die Rolle nicht bekommen. (lacht)

Nicht immer süss sprechen Sie mit den Exfreundinnen über Männer. Sie spielen in Ihrem ­Leben – aktuell leider (oder leidend) – nur auf der Bühne eine Rolle. Im Gegenteil, oft bekommen die Saures ab. Weshalb eigentlich, es geht doch auch nicht ohne?

Sie sind das Thema, das Salz in der Suppe. Hätte ich meinen ersten Freund geheiratet, hätte ich ein süsses, vielleicht monotoneres Leben gelebt. Aber alle Erfahrungen, auch die unangenehmen, machen das Leben bunt.

Tappen Sie deshalb noch durch die freie Wildbahn, weil potenzielle Kandidaten fürchten müssen, gnadenlos in einem eurer Comedy-Programme erlegt zu werden?

Das gab es schon. Aber die waren zu wenig speziell und das muss man schon sein, um in unseren Programmen eine tragende Rolle zu spielen, sprich erwähnt zu werden. Ich halte es so wie beim etwas abgeänderten Fisherman's- Friend-Slogan: «Bin ich zu stark, sind sie zu schwach.» Wer ein Huscheli sucht, liegt bei mir falsch. Ich bin kein Mauerblümchen, geniesse das Leben, schlage mir aber auch nicht wie früher die Nächte um die Ohren.

Weshalb eigentlich der Titel «Zum Fressen gern». Ihr habt euch lieb und Männer sind zum Verschlingen da?

Manchmal würde man doch liebend gerne jemanden ins Pfefferland schicken, ihn dennoch anknabbern wollen und zum Fressen gern haben. Aber auch wieder ausspucken. In unserem zweiten Exen-Programm geht es aber in erster Linie um Frauenfreundschaften. Ein dreifaches Hoch darauf! Es ist Realsatire. Männer werden zwar noch thematisiert, aber nur am Rande. Es ist die perfekte Fortsetzung unseres Erstlings. Aber wer diesen verpasst hat, hat nichts verpasst – also irgendwie schon, aber es hindert nicht am Einstieg ins Exen-Universum.

Weshalb soll man euch also in den Topf schauen?

Man – auch Mann – kann sich zwei Stunden lang kringeln vor Lachen. Es wird nicht einfach nur Oberflächliches thematisiert und bietet für Emmentaler genauso viel wie für Basler. Die Leute sind begeistert. In dieser Intensität haben wir das nicht erwartet. Und das endet nicht einfach mit dem Schliessen des Vorhanges, danach will man mit uns in Kontakt kommen und bleiben. Der Dialog geht weiter.

Die Exfreundinnen – «Zum Fressen gern»7. bis 25. März. 20 Uhr, Sonntag 18 Uhr. Andere Aufführungsdaten sind auf www.exfreundinnen.ch ersichtlich. Theater am Hechtplatz, Zürich. Tickets: Telefon 044 415 15 15.