Sheryl Sandberg verlässt Facebook-Konzern«Fixiert auf sich selbst»
Die Geschäftsführerin lässt Meta in einem stark angeschlagenen Zustand zurück. Ihr Abgang könnte die überfällige Neuausrichtung auslösen.
Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin der Meta-Plattform, tritt nach 14 Jahren zurück und will «das nächste Kapitel in meinem Leben» schreiben. Ihre 1542 Worte lange Erklärung auf Facebook wurde von Lobeshymnen der anderen Konzernmanager begleitet. Mark Zuckerberg beschrieb ihren Rückzug als «Ende einer Ära» und liess durchblicken, dass ihre Position nicht mehr besetzt werde und eine grössere Rotation an der Spitze zu erwarten sei.
Sandberg war 2008 von Google zu Facebook gestossen und war lange Zeit das sympathische Gesicht des Konzerns, dessen Chef Mühe hatte, sich öffentlich zu erklären und sich Anerkennung zu verschaffen. Während Zuckerberg zunehmend zum Aussenseiter im Silicon Valley wurde, zog sie sich nach dem Auffliegen des Datenskandals rund um die Präsidentschaftswahlen 2016 zusehends zurück.
In den letzten zwei Jahren trat sie kaum mehr in Erscheinung, weshalb ihr Rücktritt nicht völlig überraschend kam. Sie will sich nun ihren privaten gemeinnützigen Stiftungen widmen. Eine politische Karriere, die einmal zur Debatte stand, scheint ausgeschlossen.
«Sheryl und Zuckerberg sind zutiefst autistisch und fixiert auf sich selbst.
Die Managerin war die treibende Kraft hinter dem globalen Feldzug um digitale Werbegelder. Ihr Erfolg machte Facebook zu einem gefürchteten, aber nicht hoch geachteten Giganten im Silicon Valley. Sandberg wurde 2008 von führenden Venture-Capital-Firmen angeworben, um dem 23-jährigen Zuckerberg als erfahrene Beraterin beizustehen. Sie galt als die «Erwachsene im Raum», aber ihr zurückhaltendes Auftreten täuschte darüber hinweg, dass sie Zuckerberg in dessen Profithunger in nichts nachstand.
«Durch den Erfolg verblendet»
Einer, der ihre Karriere aus nächster Nähe verfolgt hat, ist Roger McNamee, Serienunternehmer und einer der ersten Facebook-Investoren. Er war es, der 2008 Sandberg überzeugte, das Angebot von Facebook anzunehmen, da er sich von ihr einen produktiven und dämpfenden Einfluss auf Zuckerberg versprach. Heute ist McNamee ernüchtert.
Er habe sich in Sandberg getäuscht, sagte er im Gespräch mit uns. «Es kostete mich viel Zeit, zu akzeptieren, dass sich Zuckerberg und Sheryl durch den Erfolg verblenden liessen.» Sie gäben sich zwar als progressiv, seien aber das totale Gegenteil davon. «Sie sind zutiefst autistisch und fixiert auf sich selbst. Ihr ganzes Leben wurde ihnen gesagt, dass es keine Grenzen für sie gebe. Diese Haltung produzierte zwar grossartige Resultate in ihrem geschlossenen Wertesystem, aber sie kollidierte mit den Werten der Welt um sie herum.»
Nach Auffliegen des Cambridge-Analytica-Skandals habe er geglaubt, so McNamee, dass die beiden Topmanager in sich gehen würden. «Das war naiv. Sie sind in einer Blase gefangen und sehen nicht, wie ihr Machthunger Facebook in die Katastrophe geführt hat. Das Unternehmen ist völlig blind gegenüber den sozialen Bedürfnissen aller anderen.»
Sandbergs Vermächtnis ist gemischt. Zwar war sie es, die den Konzern zur grössten Social-Media-Plattform machte. Rund 97 Prozent der Einnahmen von Facebook in Höhe von 117 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 stammten aus dem Verkauf von Anzeigen. Das unaufhaltsame Wachstum von Facebook machte sie zur Milliardärin. Sandberg versuchte 2016 nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns, ihr Privatleben abzuschirmen, sorgte aber immer wieder für negative Schlagzeilen.
Internen Berichten zufolge forderte sie Facebook-Mitarbeiter auf, die Finanzen des demokratischen Geldgebers und Milliardärs George Soros zu untersuchen, nachdem er den Social-Media-Riesen kritisiert hatte. Kürzlich kam ans Licht, dass sie die «Daily Mail» unter Druck gesetzt hatte, weil die Zeitung wenig schmeichelhafte Geschichten über ihren Partner Bobby Kotick, den CEO von Activision Blizzard, veröffentlicht hatte.
Absprung in einem Tief
Sie verlässt das Unternehmen im schlechtesten Zustand seit der Gründung. Der Konzern erscheint richtungslos und hat seit letztem Herbst mehr als die Hälfte des Marktwertes verloren. Wegen der iOS-Datenschutzsperre von Apple erlitt Meta einen Umsatzeinbruch von 10 Milliarden Dollar. Auch sind die Investitionen von 10 Milliarden ins Metaversum weit davon entfernt, Früchte zu tragen.
Google und Microsoft sind besser aufgestellt, das Metaversum zu monetarisieren. Sandberg soll die Meta-Pläne weit weniger euphorisch beurteilt haben als Zuckerberg. Nachdem kürzlich Peter Thiel, eine weitere Schlüsselfigur in der Wachstumsgeschichte von Facebook, gegangen ist, steht Zuckerberg isolierter da denn je.
Nicht nur ist unklar, wie das Unternehmen im Metaversum Geld verdienen will oder wie viel mehr die Datenschutzänderungen von Apple kosten werden oder wie stark es seine Algorithmen für Benutzer in Europa anpassen muss, was dem Wachstum schaden könnte. Im Februar meldete Meta zum ersten Mal einen Rückgang der täglich aktiven Nutzer, was darauf hindeutet, dass sein Geschäft den Höhepunkt erreicht haben dürfte.
Sandberg geht auf einem Tiefpunkt, aber es ist nicht auszuschliessen, dass es noch weiter bergab geht. Mag zwar sein, dass ihr Abgang und jener von Thiel das Management zwingen wird, das Grössenwachstum um jeden Preis zu überdenken. Zuckerberg hat keine Entschuldigung mehr. Nach der Demission von Sandberg ist er der Einzige, der das Unternehmen in eine sozial und politisch verantwortliche Richtung lenken kann.
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