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Neue Chefin der FDP-Frauen
Sie hat berühmte Verwandte – und will jetzt selber Geschichte schreiben

Bettina Balmer, neue FDP-Frauen-Chefin, vor dem Bundeshaus in Bern am 06.03.2025.
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In Kürze:
  • Nationalrätin Bettina Balmer (FDP, ZH) wird am Samstag Präsidentin der FDP-Frauen Schweiz.
  • Sie löst Susanne Vincenz-Stauffacher ab, die mit der Volksinitiative für eine Individual­besteuerung erfolgreich war.
  • Balmer ist Kinderchirurgin, Medizin ist ihre politische Domäne. Aber auch in der Altersvorsorge und bei der Kinderbetreuung hat sie Pläne.

Bettina Balmer kommt ausser Atem zum Gesprächstermin und entschuldigt sich für die zehnminütige Verspätung – das Treffen mit dem Bundesamt für Gesundheit habe länger gedauert. In einer halben Stunde muss sie weiter. Der Sessionsalltag ist hektisch, täglich mehrere Termine. Ihr wichtigster ist am Samstag, am internationalen Tag der Frau. Dann werden die Delegierten der FDP-Frauen Schweiz Balmer aller Voraussicht nach zur Präsidentin und Nachfolgerin von Susanne Vincenz-Stauffacher küren.

Die 58-jährige Zürcherin präsidiert damit künftig eine Organisation, die mit der Volksinitiative «für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» eine weitreichende Reform angestossen hat.

Bettina Balmer wurde durch das Kinder-Thema politisiert

Als sie mit gut 40 der FDP beitrat, war ihr jüngstes Kind drei Jahre alt, die älteren beiden in der Primarschule. Balmer und ihr Mann hatten sich im ersten Jahr des Medizinstudiums an der Universität Basel kennen gelernt, beide sind Kinderärzte, beide arbeiten heute am Kinderspital Zürich. Doch es lief nicht immer im Gleichschritt. Bettina Balmer hätte sich gern auf ihr Fachgebiet Kinderneurochirurgie fokussiert, doch sie merkte, dass es mit drei kleinen Kindern nicht geht, wenn beide Eltern voll arbeiten. Sie liess ihm den Vortritt, karrieretechnisch habe das damals mehr Sinn gemacht, sagt sie.

Gefuchst hat es sie dennoch. Dadurch wurde sie politisiert. Sie ging also zur FDP, wurde Gemeinderätin, Kantonsrätin und 2023 Nationalrätin. Daneben hat sie verschiedene Ämter, etwa in der Zürcher Ärztegesellschaft, im wissenschaftlichen Beirat der Klinik Balgrist und als Präsidentin der Zürcher FDP-Frauen. Ihr Arbeitspensum als Kinderchirurgin beträgt heute 50 Prozent, was mit 35 Stunden pro Woche fast einem Vollzeitjob gleichkommt.

Berühmter Onkel, prominente Cousine

Balmer wuchs in Baselland auf, obwohl ihre Eltern aus Zürich stammen. Der Vater – Bruder des früheren Nationalbank-Chefökonomen Kurt Schiltknecht – arbeitete damals in der Nähe. Besonders geprägt wurde sie durch ihre Urgrossmutter, die fünf Kinder allein grosszog und daneben einen Laden führte. «Meine Familie mütterlicherseits ist geprägt von Frauen mit grossem Gestaltungs- und Selbstverwirklichungswillen», sagt Balmer. Und es ist klar, dass sie sich selber mitmeint. Über die Urgrossmutter gibt es ein Buch: «Die Witwe – Lebensgeschichte der Marie Suppiger-Marbach». Auch andere bekannte Namen fallen im Gespräch mit Balmer. Etwa jener von Flavia Kleiner. Die Mitgründerin der Operation Libero ist ihre Cousine, Witwe Suppiger ist auch Kleiners Urgrossmutter.

Bettina Balmer sei eine Chrampferin, sei sich für kaum etwas zu schade, sagen Parteikollegen. Sie stehe mühelos morgens um 7 Uhr am Bahnhof Stadelhofen, um Flyer zu verteilen, sei zugänglich, praktisch rund um die Uhr erreichbar und immer gut drauf. Auch ausserhalb der Partei fallen links wie rechts fast nur lobende Worte. Intelligent, gut vorbereitet. Eine Parlamentarierin aus dem linken Lager sagt: «Bettina Balmer ist ja eigentlich eine klassische Zürichberg-Frau: ehrgeizig, beruflich erfolgreich, sehr fleissig und gut situiert. Doch es fällt auf, dass sie dieses Zürichberg-Image nicht haben will.»

Bettina Balmers Domäne ist die Gesundheitspolitik

Im Bundeshaus ist sie eine untypische Erscheinung. Trotz Stress und hohem Arbeitspensum geht etwas Fröhliches, Leichtes von ihr aus. Ihre Offenheit ist aussergewöhnlich. So nimmt sie etwa ein Telefonat entgegen und sagt nach einer Minute Konversation: «Entschuldigung, ich bin gerade mit einem Bundesratskandidaten im Gespräch.» Andere Politiker würden das nicht sagen, ohnehin würden sie in dieser Situation das Telefon nicht abnehmen.

Ihre Domäne ist die Gesundheitspolitik. Zehn von zwölf Vorstössen, die sie bisher im Nationalrat eingereicht hat, handeln davon. Von Gebärmutterhalskrebs, Impfung gegen RSV-Infekte, die Kinder besonders treffen. Oder von Notfallstationen, die wegen Bagatellfällen überlastet seien. Rund ein Drittel der Notfallpatienten könnten sich selber versorgen oder zum Hausarzt gehen, sagt sie, Sparpotenzial: jährlich 300 Millionen Franken. Hier spricht sie aus Erfahrung. Es ärgert sie, wenn ihr ein Notfallpatient geradeheraus sagt, er sei gekommen, weil er gerade Zeit gehabt habe. Oder wenn jemand in den Notfall geht, weil er das Schmerzmittel dort gratis bekommt. «Das ist frech, und wir können nichts machen, wir müssen alle Fälle nehmen.» Es mangle vielen Leuten auch an medizinischem Basiswissen. «Manche wissen nicht, wie man einem Kind ein Fieberzäpfli gibt. Und viele haben nicht einmal einen Fiebermesser zu Hause.»

Frauen-Präsidium als Sprungbrett

«In diesen Themen hat sie als Ärztin natürlich eine hohe Glaubwürdigkeit», sagt ein Parteikollege. Und sie sei hartnäckig, wenn sie Probleme orte. Sie könne sich in die Themen richtiggehend «hineinfressen». Susanne Vincenz-Stauffacher freut sich über diese Nachfolgelösung. «Mir hat das Amt seinerzeit als neu gewählte Nationalrätin geholfen, sichtbarer zu werden.» Das werde hoffentlich auch Bettina Balmer so gehen.

Als Präsidentin der FDP-Frauen will Balmer ihr Themenfeld verbreitern – etwa um die Altersvorsorge. Die missglückte BVG-Reform – «es hat mich sehr geärgert, dass sie abgelehnt wurde» – müsse man anpacken, sie sei gerade für Frauen wichtig für eine bessere finanzielle Absicherung im Alter. Ein weiteres Thema ist die Kinderbetreuung, dort wolle sie insbesondere in den Kantonen die nötigen Strukturen schaffen. Auch will sie in den acht Kantonen, die noch keine FDP-Frauen-Sektion haben, eine solche gründen.

Sie freut sich auf das Amt. Netzwerken liegt ihr. Wichtig sei ihr Eigeninitiative, selber anpacken, bei Widerständen nicht gleich aufgeben, Alternativen suchen, sagt sie – ganz in FDP-Manier. Und: «Es braucht bei allem immer auch Glück, und nicht alle haben Glück. Die Politik muss hier einen Ausgleich schaffen.»