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Wer wird Generalsekretär des Europarats?
Alain Berset liegt nach dem ersten Wahlgang vorne

Bundesrat Alain Berset zum Thema GPK, am 28. November 2023 in Bern. Foto: Nicole Philipp
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Noch ist das Rennen nicht entschieden. Aber es sieht gut aus für Alain Berset. Hat er doch im ersten Wahlgang 92 Stimmen erreicht und liegt damit vor seinen Konkurrenten Indrek Saar (78 Stimmen) und Didier Reynders (70 Stimmen).

Damit hat niemand das absolute Mehr von 121 Stimmen erreicht. Es kommt deshalb zwischen 16 und 18 Uhr zu einem zweiten Wahlgang, bei dem das relative Mehr entscheiden wird. Das Resultat dürfte gegen 19 Uhr bekannt gegeben werden. Die Chancen sind intakt, dass dann der Schweizer Alt-Bundesrat zum Sieger erkoren wird. 

Es wäre das erste Mal, dass die Schweiz den Generalsekretär des Europarats stellt. Diese Organisation wacht über die Menschenrechtskonvention und umfasst auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Über 1800 Mitarbeitende

Mit der Europäischen Union ist der Europarat dagegen institutionell nicht verbunden. Stattdessen wird er von den 46 Mitgliedsstaaten getragen und engagiert sich neben den Menschenrechten auch für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit.

Als Generalsekretär wäre Berset für die strategische Planung des Europarats zuständig – ebenso für das über 600 Millionen Euro schwere Budget und die Führung der über 1800 Mitarbeitenden der gesamten Organisation. Er würde den Europarat auch auf internationaler Ebene repräsentieren.

Eine zentrale Rolle spielt gegenwärtig die Ukraine. Denn der Europarat will die Schäden dokumentieren, die durch den Angriff von Russland entstanden sind. Dies soll dereinst als Grundlage für Entschädigungszahlungen dienen.

Saar sorgt für Überraschung

Ein Wahlsieg Bersets wäre nicht nur für ihn selbst ein Erfolg, sondern auch für den Bund. «Es ist von grosser Bedeutung, dass die Schweiz in wichtigen Organisationen und Organen vertreten ist», sagt Pierre-Alain Eltschinger vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Zu diesen wichtigen Organisationen gehöre auch der Europarat. «Die Schweiz hat ein Interesse daran, dass ihr europäisches Umfeld genauso demokratie- und rechtsfreundlich ist wie sie selbst», so der EDA-Sprecher.

Das Aussendepartement hat Bersets Kandidatur denn auch tatkräftig unterstützt. Ein vierköpfiges Team erarbeitete mit dem Alt-Bundesrat die Strategie, erstellte Werbematerial und organisierte zahlreiche Reisen und Treffen. Am Sonntagabend hat die Schweizer Residenz in Strassburg einen Empfang veranstaltet, zu dem alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier des Europarats eingeladen waren.

Wer spannt nun mit wem zusammen?

Diese Anstrengungen scheinen nun Früchte zu tragen. Berset liegt zumindest nach dem ersten Wahlgang vorne. Dahinter folgt überraschend Indrek Saar auf dem zweiten Platz. Er war in Estland Kulturminister und Parlamentarier und galt eigentlich nicht als Schwergewicht.

Nun macht er aber mehr Stimmen als der Belgier Didier Reynders, der EU-Justizkommissar. Dieser hatte zuvor 20 Jahre lang verschiedene Ministerposten in der belgischen Regierung inne: Finanzminister, Aussenminister, Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister. Bereits 2019 hatte Reynders als Generalsekretär des Europarats kandidiert, musste sich aber der aktuellen Amtsinhaberin Marija Pejčinović Burić aus Kroatien geschlagen geben.

Alain Berset wiederum war bereits aus der Poleposition ins Rennen gestiegen: Das Ministerkomitee des Europarats hatte den Schweizer Alt-Bundesrat zuoberst auf das Dreierticket gesetzt, aus dem die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wählen können. Damit priorisierte es Berset gegenüber den beiden anderen Kandidaten.

Doch gewinnen wird jener Kandidat, der am Schluss vorne liegt – nach dem zweiten Wahlgang. Entscheidend wird daher sein, wie sich die Wählerinnen und Wähler von Bersets Konkurrenten verhalten. Werden sie zusammenspannen? Oder kann Berset einen Teil der Stimmen erben?

Der Schweizer Alt-Bundesrat ist wie Saar Sozialdemokrat. Aus der Parteilogik würde es also Sinn machen, die Stimmen zusammenzulegen und sich den Sitz zu sichern. Doch im Europarat sind Prognosen schwierig. Das Rennen bleibt also spannend.

«Schweizer Staatsmann»

Weder Reynders noch Saar waren je Regierungspräsident. Berset hingegen vertrat die Schweiz zweimal als Bundespräsident – jeweils für ein Jahr. Er lässt sich denn auch als «Schweizer Staatsmann» verkaufen.

Der Freiburger weiss nicht nur die Schweizer Delegation im Europarat hinter sich, sondern auch den Bundesrat. Aussenminister Ignazio Cassis lobt seinen ehemaligen Regierungskollegen in einem Empfehlungsschreiben. Der Freiburger sei hervorragend qualifiziert, spreche nebst Französisch auch Englisch und Deutsch und verstehe überdies Italienisch und Spanisch.

Villa Massol à Strasbourg
Hôtel particulier de notaire du XIXe siècle du frère de la villa Ritleng (en face), elle sert aujourd'hui comme résidence aux secrétaires généraux du Conseil de l'Europe.

Gewinnt Berset nach dem ersten auch den zweiten Wahlgang, kann er seine fünfjährige Amtszeit als Generalsekretär des Europarats am 18. September antreten. Der Posten ist mit zahlreichen Annehmlichkeiten verbunden. So stünde ihm etwa mit der Villa Massol eine prächtige Residenz in Strassburg zur Verfügung. Und mit der (gekürzten) Bundesratsrente zusammen käme er auf dasselbe Salär wie zuvor als Mitglied der Schweizer Landesregierung – also auf gut 470’000 Franken pro Jahr.

Als Chef des Europarats würde Berset mit 52 Jahren doch noch Diplomat. Obwohl er sich einst gegen eine solche Karriere entschieden hat. Dies, nachdem er zuvor das strenge Selektionsverfahren des Concours diplomatique bestanden hatte.