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Analyse zu neuen Russland-Sanktionen
Die EU braucht einen langen Atem

Gegen ein sofortiges Ölembargo: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europaparlament. 
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Die EU macht ernst mit dem Ölembargo gegen Russland. 70 Tage nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat Ursula von der Leyen am Mittwoch vor dem EU-Parlament inzwischen das sechste Sanktionspaket gegen das Regime in Moskau präsentiert. Das Ziel sei ein komplettes Einfuhrverbot für russisches Öl, sagte die Kommissionschefin. Der Ausstieg soll allerdings geordnet und in Schritten erfolgen.

Ursula von der Leyen setzt sich damit über Empfehlungen von Experten und osteuropäische EU-Staaten hinweg, die einen schnellen Schnitt gefordert haben, um Wladimir Putin sofort die Mittel für seinen Krieg zu entziehen. Hintergrund ist, dass die EU-Staaten Sanktionen am Ende aber einstimmig gutheissen müssen.

Die Diskussion im Kreis der EU-Botschafter hat inzwischen begonnen und könnte einige Tage dauern. Die Regierung in Budapest hat bis zuletzt mit einem Veto gegen ein Ölembargo gedroht. Ungarn und auch die Slowakei dürften deshalb mit langen Übergangsfristen rechnen. Beide Länder sind zu hundert Prozent von russischen Öllieferungen über Pipelines abhängig.

Ein schneller Ausstieg beim russischen Öl wäre für Haushalte und Firmen in Europa ein Problem.

Hinzu kommt aber auch die Befürchtung, ein sofortiger Ausstieg könnte der europäischen Wirtschaft mehr schaden als Putins Regime. Wenn sich die Europäer auf einen Schlag auf dem Weltmarkt eindecken müssen, könnte dort der Preis noch mal massiv steigen. Das wäre ein Problem für ärmere Länder in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Dort verbreitet Putins Propaganda jetzt schon das gefährliche Narrativ, die Sanktionen des Westens und nicht der russische Krieg seien für steigende Preise verantwortlich.

Ein schneller Ausstieg wäre aber auch für Haushalte und Firmen in Europa ein Problem, die jetzt schon unter den Energiekosten leiden. Und Russland könnte bei schnell steigenden Preisen die Ausfälle in der EU anderswo möglicherweise sogar überkompensieren. «Wir wollen uns und unseren Partnern erlauben, alternative Versorgungsrouten zu organisieren und die Erschütterungen für die globalen Märkte zu minimieren», sagte Ursula von der Leyen. Deshalb sollen die Lieferverträge für russisches Rohöl erst in sechs Monaten, für raffinierte Produkte wie Diesel und Benzin bis Ende Jahr auslaufen.

Strafmassnahmen gegen Banken und TV-Sender

Die EU will damit nach den Worten von Ursula von der Leyen den Druck auf Russland maximieren und gleichzeitig den Kollateralschaden für Europa sowie seine Partner minimieren. Als Teil des Pakets sollen zudem die Sberbank als Russlands grösstes Finanzinstitut sowie zwei weitere Banken vom Zahlungsdienstleister Swift ausgeschlossen werden. Nach wie vor ungehindert international Geschäfte machen kann hingegen die Gazprombank, wichtig für die Begleichung der Gasrechnungen.

Vorgesehen sind auch neue Massnahmen gegen die Propaganda aus Moskau: Nach dem Verbot von «Russia Today» und Sputnik schlägt Brüssel vor, die Verbreitung von drei weiteren Sendern zu blockieren. Zu Recht, denn die TV-Stationen sind keine Medien, sondern Instrumente der russischen Kriegsführung.

Die neuen Sanktionen könnten delikat werden für den Handelsplatz Schweiz.

Die Schweiz hat bisher die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen. Delikat könnte das Verbot aller Dienstleistungen für russische Energiekonzerne werden, wie etwa Versicherung, Finanzierung, Beratung oder Buchhaltung. Ob davon auch Finanzinstitute, Treuhänder und Anwälte auf den wichtigen Handelsplätzen in Zug oder Genf betroffen sind, wird sich spätestens gegen das Wochenende zeigen, wenn die EU-Staaten die Details des Sanktionspakets beraten und veröffentlicht haben.

Anfang April zu Besuch im Kriegsgebiet: Ursula von der Leyen hier in Butscha ausserhalb von Kiew.  

Ob die Rechnung aufgeht und das sechste Sanktionspaket die erhoffte Wirkung zeigt, ist offen. Wladimir Putin könnte im Gegenteil den Konflikt in der Ukraine weiter eskalieren lassen und neue Sanktionen nötig machen. Möglich ist auch, dass Russland als Reaktion auf das Ölembargo die Gaslieferung nach Europa stoppt. Entsprechende Drohungen gibt es. Rationale Erwägungen spielen in Moskau keine Rolle mehr.

Entsprechend haben die Sanktionen Putin bisher nicht beeindruckt. Sie haben aber den Preis für den russischen Angriffskrieg hochgetrieben und dürften andere Autokraten abschrecken, Nachbarländer zu überfallen. So oder so wird es einen langen Atem brauchen.