Eskalation im Nahen OstenWas bisher zu den Angriffen auf Israel bekannt ist
Militante Palästinenser haben am Samstag einen massiven Angriff auf Israel gestartet. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist passiert?
Militante Palästinenser haben am Samstagmorgen überraschend Hunderte Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert. In Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten heulten laut Armee Warnsirenen. Die radikal-islamische Hamas, die in Gaza herrscht und für die Attacken verantwortlich ist, verkündete den Beginn einer «Militäroperation» und sprach von 5000 Raketen – Israels Militär bestätigte immerhin die Hälfte.
Ausserdem drangen Bewaffnete über Land, Luft und See auf israelisches Gebiet vor – wie ihnen das an der streng bewachten Grenze gelingen konnte, ist ungeklärt. Dem Hamas-Angriff schloss sich mit dem Islamischen Jihad eine weitere militante Palästinenserorganisation an. Es gab Geiselnahmen und Entführungen von Israelis in den Gazastreifen.
Warum kam der Angriff der Hamas so überraschend?
Ein derart gross angelegter Angriff muss von langer Hand geplant gewesen sein. Völlig unklar ist deshalb, warum Israels Armee von der Hamas so überrumpelt werden konnte. Vor allem in den ersten Stunden der Angriffe aus Gaza verbreiteten sich Hilferufe der israelischen Bevölkerung im Süden des Landes. Menschen verbarrikadierten sich in ihren Wohnungen und mussten stundenlang auf Hilfe der israelischen Sicherheitskräfte warten.
Normalerweise werden die Aktivitäten der Palästinenser in Gaza streng überwacht, an der Grenze gibt es immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten. Es ist eine tragische Ironie der Geschichte, dass die neue Eskalation Israel fast auf den Tag genau 50 Jahre nach Beginn des Jom-Kippur-Kriegs wieder unvorbereitet trifft.
Wie konnten Angreifer die schwer bewachte Grenze übergehen?
Wie genau die militanten Palästinenser trotz strenger Grenzkontrollen nach Israel vordringen konnten, war zunächst unklar. Laut dem israelischen Armeesprecher Richard Hecht drangen die Angreifer über Land, See und Luft ein. Hecht sagte, es seien unter anderem Gleitflieger eingesetzt worden. Offenbar wurden Grenzzäune mit Baumaschinen niedergerissen, wie Bilder zeigten. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben Dutzende Angreifer getötet.
Gibt es zivile Opfer?
Ja, bei den massiven Angriffen aus dem Gazastreifen auf Israel wurden israelischen Medien zufolge mindestens 150 Menschen getötet und mindestens 1100 verletzt. Mehrere Medien beriefen sich dabei auf den Rettungsdienst Magen David Adom. Die Hamas-Terroristen töteten auch gezielt Zivilisten. Einige nahmen sie zudem als menschliche Schutzschilde als Geiseln oder entführten sie in den Gazastreifen. Dort forderten Vergeltungsschläge der israelischen Armee mindestens 198 Leben, mehr als 1600 Menschen wurden verletzt.
Wie reagiert Israel?
Israel hat das Land in Kriegsbereitschaft versetzt. Das teilte die Armee am Samstag mit. «Die Hamas hat heute Morgen einen schweren Fehler begangen und einen Krieg gegen den Staat Israel begonnen», sagte Verteidigungsminister Joav Galant. Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, in geschützten Bereichen zu bleiben. Als eine Reaktion auf den Angriff bombardierten israelische Kampfflugzeuge den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen am Mittelmeer, wie ein Armeesprecher bestätigte.
Was bedeutet die Ausrufung des Kriegszustandes?
Die Ausrufung des Kriegszustandes ermöglicht es der israelischen Armee, aussergewöhnliche Schritte zu ergreifen und Reservisten zu mobilisieren.
Wie sieht die aktuelle Situation in Israel aus?
Die Lage in Israel ist zum jetzigen Zeitpunkt unübersichtlich. Die israelische Armee sei dabei, Tausende von Reservisten zu mobilisieren. Es gebe momentan Kämpfe mit israelischen Soldaten an verschiedenen Orten im Umkreis des Gazastreifens. Dazu zählten zwei Militärbasen, der Eres-Übergang zum Gazastreifen sowie mehrere Ortschaften. Es gebe Opfer auf israelischer Seite, man könne aber noch keine Zahlen nennen. Israelische Medien berichteten von Geiselnahmen, dafür gab es zunächst keine offizielle Bestätigung. Die neusten Entwicklungen finden Sie in unserem Live-Ticker.
Wie lange wird die Auseinandersetzung dauern?
Das ist schwer zu sagen, aber besonders schnell dürfte der Konflikt nicht abflauen. Der Angriff der Hamas war koordiniert und gross angelegt, auf einen schnellen Waffenstillstand scheinen es die militanten Palästinenser nicht abgesehen zu haben. Ägypten bemüht sich unterdessen eigenen Angaben zufolge intensiv um eine Beruhigung der Lage. In der Vergangenheit hatte Kairo immer wieder zwischen Israel und militanten Palästinenserfraktionen im Gazastreifen vermittelt. Im Angesicht der schweren Eskalation ist fraglich, wie schnell es einen Verhandlungserfolg geben kann.
Wie reagiert die Schweiz?
Die Schweiz hat den Abschuss von Raketen und die Angriffe auf Israel aus dem Gazastreifen verurteilt. Die Zivilbevölkerung müsse zu jeder Zeit geschützt werden, forderte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). «Wir fordern eine sofortige Beendigung der Gewalt», schrieb das EDA weiter.
Derzeit sind rund 28'000 Schweizer Staatsangehörige offiziell in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten registriert, wo sie leben und ihren Wohnsitz haben. Rund 140 Personen mit Bezug zur Schweiz sind in der Travel Admin App registriert.
Das EDA erinnert daran, dass Schweizer Staatsangehörige vor Ort den Anweisungen der lokalen Behörden folgen müssen. In Krisensituationen sind Schweizer Staatsangehörige im Ausland gehalten, sich selbst über die aktuelle Lage informieren, insbesondere über die Medien und die Mitteilungen der lokalen Behörden. Die Entscheidung, ob eine Reise durchgeführt oder abgebrochen wird, liegt im Ermessen und in der Verantwortung der Reisenden selbst. Rückreisen sind individuell oder über ein Reisebüro zu organisieren.
AFP/SDA/aru
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