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Chris Baltisberger im Pech
«Es ist völlig okay zu weinen»

Chris Baltisberger: «Ich wusste sofort, dass das gar nicht gut ist. So etwas hatte ich noch nie gefühlt.»
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Es war eine harmlose Szene, wie es sie oft gibt im Eishockey: Der Puck kam in der eigenen Zone via Bande zu Chris Baltisberger, der spielte ihn direkt weiter. Weil Gegenspieler Marc-Antoine Pouliot zu ihm hinstürmte, drehte Baltisberger nach rechts ab, um sich zu schützen. Die beiden berührten sich kaum, doch beim Drehen blieb die Kufe des linken Schlittschuhs von Baltisberger am Eis hängen. Ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Körper. «Ich wusste sofort, dass das gar nicht gut ist. So etwas hatte ich noch nie gefühlt.»

Er fiel rücklings aufs Eis, drehte sich auf den Bauch und versuchte aufzustehen. Es ging nicht. «Ich hatte keine Kraft mehr in diesem Bein.» Kollege Maxim Noreau trug ihn auf die Spielerbank.

Als Baltisberger wenig später auf dem Bett im Doktorraum im Hallenstadion lag und sich Schmerz mit Enttäuschung mischte, liefen die Tränen über sein Gesicht. «Das war der härteste Moment. Ich wusste, es wird nichts mehr in dieser Saison.» Derweil das Spiel lief, wartete er auf seine Freundin und seine Schwester, die ihn mit dem Auto in die Schulthess-Klinik hoch über Zürich fuhren.

«Meine Freundin ist schwanger, Mitte April kommt das Baby. Als ich daran dachte, ging es mir wieder besser.»

Chris Baltisberger

Tausend Gedanken huschten durch seinen Kopf. Er haderte: Ach, hätte er sich doch anders gedreht! Weil wegen des Coronavirus keine Angehörigen im Spital erlaubt sind, verabschiedete sich seine Freundin Sabrina im Warteraum – er sass noch in den Hockeyhosen da. «Sie sagte, alles komme gut. Uns stünden ja wunderschöne Zeiten bevor. Sie ist schwanger, Mitte April kommt das Baby. Als ich daran dachte, ging es mir wieder besser.»

Verletzungen und der Umgang damit gehören zum Alltag von Sportlern wie Siege und Niederlagen. Doch der 29-Jährige war davon bisher weitgehend verschont geblieben. «Als Teenager hatte ich zwei Adduktorenrisse, wegen derer ich mehrere Monate ausfiel. Aber dies war nun meine erste Verletzung, die eine Operation erforderte.» Er erlitt einen Spiralbruch am Schienbein, das von der Mitte des Unterschenkels bis zum Knöchel längs gespalten war. Das Schienbein wurde mit einer Platte fixiert und diese mit zehn Schrauben befestigt.

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Sein erstes Gefühl trog Baltisberger nicht: Die Saison ist für ihn gelaufen. Fünf Monate müsse er schon rechnen bis zum Comeback, sagt Teamarzt Gery Büsser. Dann ist Juni und das Eis abgetaut. Für Baltisberger ist dies besonders bitter, weil er gut in Schwung war, sich mit seinem kämpferischen Stil einen Fixplatz im Paradesturm mit Garrett Roe und Sven Andrighetto gesichert hatte. Mit neun Treffern war er der zweitbeste Torschütze des Teams, als er am 8. Januar ausfiel.

Baltisberger hatte viel investiert im langem Corona-Sommer und auch während der beiden Quarantänen bis zu vier Stunden täglich zu Hause trainiert. Dabei hatte er nicht nur an der Fitness gearbeitet, sondern auch Spielsituationen im Kopf visualisiert und Konzentrationsübungen gemacht. «Während der Quarantänen hielt ich mir die entscheidenden Spiele vor Augen, motivierte ich mich so. Ich hatte das Gefühl, die Saison beginne erst richtig. Nun ist sie auf einen Schlag vorbei.»

«Irgendwann musst du es akzeptieren, abhaken und nach vorn schauen. Der Prozess zurück ist auch eine Chance.»

Chris Baltisberger

Und wie geht er damit um? «Für mich war es wichtig, dass ich meinen Gefühlen Raum gab. Du kannst nichts erzwingen. Ich sagte mir: Es ist völlig okay zu weinen. Aber irgendwann musst du es akzeptieren, abhaken und nach vorn schauen. Verletzungen sind ein Berufsrisiko. Und der Prozess zurück ist auch eine Chance, daran zu wachsen.» Statt ans Playoff denkt er nun an den Moment, in dem er wieder aufs Eis zurück und wieder alles tun kann, was er vorher tat. Jetzt gehe es darum, den Weg dorthin zu planen.

Krücken mit Spikes

Die ersten sechs Wochen darf Baltisberger sein linkes Bein gar nicht belasten und kann sich nur mit Krücken fortbewegen. Schon am Tag nach dem Spitalaustritt stattete er dem Team einen Besuch in der Garderobe ab. Es hatte stark geschneit, der Weg dorthin war für ihn ein Drahtseilakt. Er brauche keine Spikes für die Krücken, hatte er im Spital gesagt. Sie gaben sie ihm trotzdem mit. Nun war er froh darum. Inzwischen besucht er auch wieder die Heimspiele.

Zu Hause richtet sich Baltisberger an kleinen Erfolgserlebnissen auf. Etwa, wenn es ihm gelingt, trotz der Stöcke den Kaffee ins Wohnzimmer zu tragen. Seine Freundin, mit der er ein kleines Business aufgebaut hat und Ingwer-Shots und Hanf-Öl vertreibt, unterstütze ihn aber sehr gut, fügt er sofort an. Und: «Es ist witzig: Jetzt haben wir vertauschte Rollen.»

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Als sie sich im Sommer 2019 beim Reisen in Kolumbien in einem Hostel kennenlernten, wollte er unbedingt mit ihr einen Reitausflug unternehmen. «Sie willigte ein, aber die Pferde waren leider sehr wild. Sie stürzte vom Pferd und erlitt einen dreifachen Beinbruch. Weil sonst niemand dort war ausser ihrer Kollegin, kümmerte ich mich um sie, trug sie herum, pflegte sie und schaute, dass alles klappte mit dem Transport in die Schweiz.»

Jene turbulente Zeit habe auch ihr Gutes gehabt: «Dadurch wurde uns schnell klar, dass es Liebe ist.» Bald werden sie Eltern, im Sommer wollten sie heiraten. So schlecht meint es das Leben nicht mit Chris Baltisberger.

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