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Musikfan aus Oberrieden
Er muss für Eric Clapton den zehnfachen Preis bezahlen

Der passionierte Gitarrenspieler Kaspar Gross wollte schnell Billette kaufen – und klickte sich zu völlig übertriebenen Preisen. 
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Den Gitarrengott Eric Clapton noch mal live sehen – gute Idee, dachte sich Kaspar Gross. Der Oberriedner weilte in Argentinien, als er erfuhr, dass der Schöpfer von «Layla» und «Tears in Heaven» im Sommer 2020 im Hallenstadion spielen sollte. Via Smartphone klickte er sich schnell zu vier Tickets. Zu Hause kam dann die grosse Überraschung: Gross sollte für die vier Eintritte über 4000 Franken berappen. Dabei kosten selbst die teuersten Billette für das Konzert nicht mehr als 200 Franken. So ist es zumindest, wenn man über den offiziellen Verkaufskanal geht, wie in diesem Fall Ticketcorner. Pech für den ehemaligen Hausarzt, dass er stattdessen auf die Seite von Viagogo geklickt hatte.

Der sogenannte Ticketvermittler Viagogo schafft es immer wieder, negativ in die Schlagzeilen zu geraten. So scheiterte die Firma letztes Jahr am Bundesgericht mit einer Beschwerde gegen den Circus Knie. Viagogo habe unlautere Methoden angewendet, hiess es im Entscheid. Gross ist auch nicht allein mit seinem Problem. Als er sich beim «Kassensturz» meldete, hiess es, sein Fall sei nur einer von vielen.

Kaspar Gross versuchte seither alles, um gegen den übertriebenen Preis vorzugehen. Mit Anfragen an Viagogo kam er nicht weit. Seine Kontaktversuche blieben lange unbeantwortet, wie er sagt. Im März 2020 gibt er bei der Kantonspolizei Zürich in Horgen eine Anzeige auf. Diese wird aufgenommen und nach Genf weitergeleitet. Die dortige Staatsanwaltschaft ist zuständig, weil Viagogo ihren Sitz im Westschweizer Kanton hat. Von der Staatsanwaltschaft hat der Rentner bis heute nichts gehört.

Er versucht mit Mahnungen und Betreibungen das Geld zurückzubekommen. Und er beantragt beim Friedensrichter in Oberrieden eine Klagebewilligung, um vor Gericht eine Forderung geltend zu machen. Jetzt reagiert der «Ticketvermittler» doch noch. Ein Mitarbeiter fordert, dass Gross die Betreibung stoppt und den Gang vor den Friedensrichter zurückzieht. Der Oberriedner lehnt das ab. Solange er sein Geld nicht wiedersehe, stoppe er nichts.

Klage zurückgezogen

Der Friedensrichter entscheidet im August 2021 im Sinne von Gross, er erteilt die Klagebewilligung. Der Anwalt von Viagogo ist an der Verhandlung nicht aufgetaucht. Es sieht also für einmal gut aus. Auch wenn sich mittlerweile Gebühren um 2000 Franken angesammelt haben. Dann folgt der grosse Dämpfer. Der Anwalt, den die Rechtsschutzversicherung Gross vermittelt hat, rät ihm, die Klage zurückzuziehen.

Die Erfolgsaussichten seien zu schlecht. Wörtlich: «Es muss leider festgehalten werden, dass Ihre Klage absolut keine Aussichten auf Erfolg hat, ja geradezu aussichtslos ist.» Die Preise würden nicht von Viagogo bestimmt. Dies sei gerichtlich festgehalten. Das wäre dann wieder die Begründung mit der Vermittlerin, welche die Tickets nicht verkauft.

Seco unterlag

Die Geschäftspraktiken wie Druckaufbau beim Kaufvorgang könnten Viagogo nicht als unlauteres Verhalten nachgewiesen werden, argumentiert Gross’ Anwalt. Auch dazu gebe es einen Bundesgerichtsentscheid. Das Seco sei deswegen sogar unterlegen. Kaspar Gross gibt nach, er zieht die Klage zurück.

Die Recherchen dieser Zeitung schrecken die Verantwortlichen bei Viagogo offenbar auf. Noch in dieser Woche meldet sich ein Vertreter bei Kaspar Gross. Man habe ihm angeboten, das Geld zu schicken, wenn er auf rechtliche Schritte verzichte, sagt Gross. Er müsse dafür seine Kontodaten angeben. Das will der Oberriedner nicht. Schliesslich habe er schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht, als ihm 4000 Franken vom Konto abgezogen worden seien.

Transparent informiert

Viagogo weist auf Anfrage jegliche Verantwortung zurück. «Die Verkäufer, die unseren Marktplatz nutzen, legen ihre eigenen Preise fest, die unter oder über dem Originalpreis liegen können», erklärt ein Pressesprecher. Tickets, die zu extrem hohen Preisen angeboten werden, würden sehr selten verkauft. 

«Wir stellen sicher, dass alle Käufer umfassende und transparente Informationen über die Tickets, einschliesslich Buchungsgebühren und eventuell anfallender Steuern, erhalten, bevor sie ihren Kauf abschliessen, damit sie eine fundierte Kaufentscheidung treffen können», sagt er weiter. In diesem Fall habe das Kundendienstteam mehrmals Kontakt mit Herrn Gross aufgenommen und versucht, die Angelegenheit so schnell wie möglich zu lösen.

Datenschutz betont

Dem Oberriedner bleibt nur der Ärger über die Firma. «Dass die Behörden nichts dagegen machen, kann ich nicht nachvollziehen», sagt er. Gross hofft, dass andere gewarnt werden können. Das Geld dürfte weg sein. Einzig wenn das Konzert von Eric Clapton abgesagt würde, hätte er Chancen, das Geld zu erhalten. Doch dieses wurde jetzt schon zweimal verschoben, im Mai soll es stattfinden. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist festgehalten, dass es bei Verschiebungen keine Rückerstattung gibt. Gross kann am Ersatzdatum aus familiären Gründen nicht ins Hallenstadion gehen.

Wen er einklagen müsste, scheint im Übrigen auch nicht ganz klar zu sein. Der ursprüngliche Verkäufer Ticketcorner verlangt sicher keine Fantasiepreise. Es muss also ein Käufer sein, der seine Billette gezielt über Viagogo weiterverkauft. Wer das ist, sagt Viagogo generell nicht, aus Datenschutzgründen.

Wer heute ein Billett kaufen will und via Google danach sucht, bekommt übrigens als Erstes weiterhin die Anzeige von Viagogo zu Gesicht. Ticketcorner und das Hallenstadion folgen erst danach.

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