Weltmeister Henrik KristoffersenEr ist vom Erfolg getrieben – und jetzt so emotional wie nie
Der Norweger holt beim Abschluss Gold im Slalom. Hinter ihm schreibt der Grieche AJ Ginnis die wohl schönste Geschichte dieser WM.

Es ist eigentlich egal, wen Henrik Kristoffersen gerade neben sich hat. Es muss einfach ganz viel raus. Also packt er den Griechen AJ Ginnis, der wohl selbst gerade nicht versteht, was da passiert, und schüttelt ihn kräftig durch. Weltmeister ist er, noch vor Ginnis, die beiden umarmen sich lange, man sieht diese Emotionen nicht oft beim Norweger.
Denn dieser Henrik Kristoffersen hat einen Ruf im Skizirkus. Er gilt als einer, der sich nicht um den norwegischen Teamgedanken schert. Er ist ein vom Erfolg Getriebener, verbissen, manche sagen auch: besessen. Emotionen wurden ihm meist abgesprochen, es sei denn, es waren negative. So roboterhaft wirkte er. Erst in den letzten Monaten schien er in dieser Hinsicht etwas entspannter geworden zu sein.
Jetzt kauert er da im warmen Schnee von Courchevel, die Hände vor dem Gesicht, und weint. Kristoffersen hat schon so viel gewonnen in seiner Karriere, er ist erst 28 und 30-facher Weltcupsieger, er hat zwei Olympiamedaillen, WM-Gold im Riesenslalom und -Bronze im Slalom. Aber er hatte auch immer diese anderen Grössen des Skisports vor sich. Zuerst biss er sich jahrelang an Marcel Hirscher die Zähne aus. Als der Österreicher dann weg war, kam er mit dem Druck nicht klar. Jetzt ist Marco Odermatt da und Kristoffersen immer noch ohne Sieg im Gesamtweltcup.
Vielleicht macht es das ja so emotional für ihn an diesem Sonntag. Hinzu kommt auch noch die Ausgangslage. Man konnte Kristoffersen durchaus auf dem Slalompodest erwarten, aber nach diesem ersten Lauf? Bei Halbzeit lag er noch auf Rang 16. Im Gegensatz zu Kristoffersen hatte mit den zwei anderen Personen auf dem Podest keiner gerechnet. Da steht zum einen Alex Vinatzer, ein junger Italiener, zweifelsohne talentiert, aber auch anfällig für Ausfälle und darum oft belächelt. Da steht aber vor allem AJ Ginnis, dieser sensationelle Grieche.

Ginnis wurde vor der WM in Chamonix überraschend Zweiter, es war sein mit Abstand bestes Resultat im Weltcup. Offenbar setzte dieser zweite Rang viel frei beim 28-Jährigen, der eigentlich Alexandros Ioannis getauft wurde und als Sohn eines Griechen und einer Amerikanerin in einem griechischen Badeort nahe Athen zur Welt kam. Ginnis verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Österreich, wo er Deutsch und Skifahren lernte. Mit 15 zog er in die USA, aus Alexandros Ioannis wurde Alexander John und schliesslich AJ.
Mit diesem zweiten Rang schreibt Ginnis, der bis zur Saison 2020/21 für die USA fuhr, die womöglich schönste Geschichte dieser WM. Für die Schweizer Delegation hingegen enden die Titelkämpfe mit zwei Enttäuschungen. Im Slalom der Frauen vom Samstag schied Wendy Holdener mit besten Aussichten auf Gold aus, Aline Danioth wurde Sechste. Bei den Männern scheiterte Loïc Meillard beim dritten Tor im ersten Lauf, Ramon Zenhäusern fuhr als Bester des Teams auf Rang 9.
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