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Mit 92 ins Fitness Oberrieden
Er ist fitter als so manche in ihren Zwanzigern

Dreimal in der Woche trainiert Samuel Reichen im Holmes Place seine Ausdauer, Kraft und Koordination.

Schwungvoll bewegt Samuel Reichen seinen Oberkörper in die Luft und lässt ihn sogleich wieder in Richtung Boden sinken. Immer und immer wieder. «Das wiederhole ich jeweils 24-mal, mit einer kurzen Pause dazwischen», sagt er und steuert das nächste Gerät im Fitnessclub Holmes Place an.

Ein kurzer Blick auf seinen Trainingsplan, und Reichen weiss wieder, wie viel Gewicht er an der nächsten Maschine einstellen soll. «Manchmal muss ich kurz spicken, ich kann es mir nicht immer merken.»

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Samuel Reichen trainiert nach einem für ihn zugeschnittenen Plan.  
Um seinen Rücken zu stärken, trainiert Samuel Reichen auf dem Rückentrainer.  
Samuel Reichen trainiert nach einem für ihn zugeschnittenen Plan.  

Dass Reichen, gekleidet in kurze blaue Trainingshosen, ein rotes atmungsaktives T-Shirt und Turnschuhe, in zwei Monaten 93 Jahre alt sein wird, erstaunt: Dreimal pro Woche trainiert er nämlich im Fitnessclub Holmes Place in Oberrieden und ist damit das älteste Mitglied des Clubs. «Für drei Stunden bin ich jeweils hier.»

Während dieser drei Stunden absolviert er nicht nur Trainingseinheiten, die seine Kraft, Ausdauer und Koordination fordern. «Ich mache auch Gleichgewichtsübungen, gehe zweimal in die Sauna, dusche kalt und schwimme abschliessend im Zürichsee.» Danach müsse er sich im Ruheraum für ein Nickerchen hinlegen. «Nach dem Training bin ich dann schon etwas müde.»

Muskelkater habe er nach dem Fitness aber keinen. «Ich bin ja trainiert.» Lediglich Krämpfe würden ihn ab und zu plagen. «Da reicht es dann aber meistens, dass ich eine Banane esse», sagt Reichen. Extra auf seine Ernährung achten würde er nicht. «Ich trinke gerne und regelmässig auch ein Glas Rotwein zu einem Stück Fleisch.»

Runter mit dem Bähnli

Der Besuch im Gym ist aber nicht alles, was Samuel Reichen für seine Fitness tut: «Jeden Tag fahre ich eine halbe Stunde zu Hause auf dem Hometrainer Velo.» Geht er ins Fitnesscenter Holmes Place, setzt er sich um sechs Uhr morgens auf den Hometrainer. Mit seiner Frau bestieg er bis vor einem Jahr noch immer die Rigi und das Stanserhorn. «Auf den Berg ging es zu Fuss, runter nahmen wir dann das Bähnli – wegen des Knies.» Zudem würden sie fast jeden Tag von ihrem Wohnort in Oberrieden zur Frohen Aussicht spazieren. «Das ist zwar steil, aber die Aussicht ist wunderbar.»

Vor einem Jahr musste sich der 92-Jährige einer Knieoperation unterziehen, weil er an Arthrose litt. Ein Jahr später ist, ausser einer Narbe, aber nicht mehr viel zu sehen davon. «Nach der Operation habe ich aber geistig abgegeben.» Der Oberriedner spielt noch immer leidenschaftlich Harfe und liest Texte auf Spanisch. «Nach der Operation wusste ich auf einmal nicht mehr, wie das Harfenspielen geht.» Samuel Reichen vermutet, dass ihn die vielen Medikamente vergesslich gemacht haben.

Stürzen vorbeugen

Wie aber kam der Oberriedner überhaupt zum Fitness? «Als ich mit 70 Jahren mit dem Lehrerturnen aufgehört hatte, bin ich aus Neugier mit einem Kollegen ins Holmes Place mitgegangen und bin dann geblieben.» Reichen schätzt die freundliche Atmosphäre und die Unterstützung, die er erhält. «Jederzeit kann ich mich an die Trainer wenden, und alle schauen gut zu mir.» Seit über 20 Jahren ist Reichen nun Mitglied im Fitnessclub.

In die Sauna darf der 92-Jährige jedoch nur noch für drei Minuten. Clubmanagerin Tiffany Schmid hat Reichen vor einem Jahr wegen der Hitze bewusstlos in der Sauna aufgefunden. «Wir haben seitdem immer ein Auge auf Samuel», sagt sie. Ihr sei es wichtig, dass ältere Menschen erfahren, dass auch sie noch etwas für ihre Fitness tun können und so Stürzen vorbeugen können. «Es geht nicht darum, grössere Muskeln zu erhalten, sondern darum, besser zu leben.»

Samuel Reichen mit Clubmanagerin Tiffany Schmid. 

Samuel Reichen sagt von sich selbst, dass es ihm trotz seines hohen Alters «sehr gut» gehe. Bis vor einem Jahr sei er sogar noch als SAC-Mitglied auf Skitouren gegangen. «Damit habe ich aber aufgehört, mein Tourenkollege ist gestorben.»

«Pickelhart» mit sich selbst

Aufgewachsen ist Reichen in Thalwil in einer «eher ärmlichen Grossfamilie». Schon früh habe er sich viel bewegt, sei Abenteuern nicht abgeneigt gewesen und habe viele Velotouren unternommen. «An einem Freitag ging ich mit dem Velo los und war am Sonntag in Genua. Geschlafen habe ich draussen, auf einer Wolldecke.» Als gelernter Schreiner hat Reichen an der Berufswahlschule Horgen als Lehrer für Holzberufe unterrichtet.  

Mit geschlossenen Augen und auf wackligem Untergrund absolviert Samuel Reichen eine Balanceübung. 100-mal wird er den Schaumstoffblock in seinen Händen um seinen Körper reichen. 

Seine Frau ist dreizehn Jahre jünger als er. Es ist Samuel Reichens zweite Ehe. Seine erste Frau, mit der er drei Kinder hatte, ist früh an Brustkrebs verstorben. «Das war eine schlimme Zeit.» Mit seiner zweiten Ehefrau ist er mittlerweile 51 Jahre verheiratet. In Oberrieden wohnen die beiden in einem Haus aus dem 17. Jahrhundert, mit hauseigener Schreinerei, wo Reichen immer noch kleinere Arbeiten erledigt. «Das Haus haben wir selbst renoviert – das war viel Arbeit.» Obwohl sie ihn auf Wandertouren begleitet und ihn mit dem Auto ins Training bringt und abholt – das Aus- und Einparken übernimmt Reichen –, ist sie nicht Mitglied im Holmes Place. «Sie findet, dass sie nicht hierhin gehört», meint er schmunzelnd. 

Das wöchentliche Training verpasst hat Samuel Reichen nach eigenen Angaben nur wegen Ferien und der Knieoperation. Woher hat er die Motivation, jeden Tag seine Übungen auszuführen? «Die ist mir von Gott mitgegeben worden.»  Zudem sei er «pickelhart» mit sich selbst. Er ziehe sein Programm einfach durch.