Entspannen im Luzerner SeelandDer erste Achtsamkeitstrail der Schweiz im Test
Oberhalb des Baldeggersees Velo zu fahren, ist schön. Noch schöner ist es, dabei seine Sinne für die kleinen Dinge zu schärfen.
Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Der Baldeggersee hat an diesem Morgen ein glänzendes Grau, als hätte jemand Silber ins Seetal gegossen. Darüber wölben sich Wolken wie Walzen den Horizont entlang. Vor wenigen Minuten hat es aufgehört zu regnen, und meine Freundin Kathrin und ich konnten unsere Fahrt auf dem ersten Achtsamkeitstrail der Schweiz beginnen, der an diesem See entlangführt.
Wir sind auf E-Bikes unterwegs, die wir am Bahnhof Hochdorf gemietet haben. Auf den ersten Kilometern müssen wir vor allem wegen des Verkehrs achtsam sein. Aber dann biegen wir auf einen Veloweg ein, und ich kann mich ganz dem Erleben des Augenblicks widmen – denn genau darum geht es bei der Achtsamkeit.
Der Blick verändert sich
Die Tour um den Baldeggersee ist einer von zwei Trails, die im Mai dieses Jahres im Seetal eröffnet wurden. An «Raststätten zum kleinen Glück» kann man dabei Übungen machen, um die eigene Wahrnehmung des Moments zu schärfen.
Die erste dieser «Raststätten» unserer Route liegt etwas oberhalb von Hitzkirch unweit des Schlosses Heidegg. Auf einer Tafel steht die Anleitung zur Achtsamkeitsübung: Ich muss meine Augen schliessen, und Kathrin positioniert mich so, dass ich beim Augenöffnen einen Blick erhasche, der ihr besonders gefällt.
Tatsächlich bekommt so jedes Sujet, das sie mir zeigt, mehr Gewicht: Mein Fokus ist genau auf eine Schweizer Fahne im Wind gerichtet, als ich das erste Mal die Augen öffne. Beim zweiten Mal sind es gelber Hornklee und lila Witwenblumen mitten in einer Wiese. Das dritte Bild finde ich besonders schön, weil es noch vertont wird: ein Rotmilan, der über dem See kreist und einen Schrei ausstösst.
Der Greifvogel ist allerdings nicht das Einzige, worauf ich achte – ich habe auch die grauen Regenwolken im Blick, die sich gerade wieder auftürmen. Also pedalen wir weiter den Berg hinauf in Richtung Alpwirtschaft Horben, wo wir unsere Mittagspause machen wollen.
Einfach nur sein
Wir erreichen eine Anhöhe, von der es stattliche Bergkämme zu sehen gäbe. Aber heute hüllen die sich in finstere Wolkenbänder, was dem Bild noch mehr Dramatik verleiht. Inzwischen hat der Wind aufgefrischt, und die Blätter der Bäume lassen ihre weissen Unterseiten aufblitzen. «Wir sollten weiterfahren, sonst werden wir klitschnass», mahnt Kathrin.
Der Weg zur Wirtschaft führt nach den offenen Feldern durch einen Tannenwald, in dem die Baumstämme so dicht stehen, dass man kaum zwischen ihnen hindurchblicken kann. Der Duft von frisch gesägtem Holz steigt mir in die Nase. «Eigentlich ist allein die Fahrt über diese Route eine Achtsamkeitsübung für alle Sinne», sage ich zu Kathrin. Sie pflichtet mir bei.
Weil wir auf unserer Reise auch achtsam die Natur und die Anzeichen am Himmel beobachtet haben, schaffen wir es vor dem Einsetzen des Regens in die Wirtschaft.
Das gemütliche Lokal wird zu einer weiteren «Raststätte zum kleinen Glück» für uns, weil wir jeden Bissen des köstlichen Zmittags im Trockenen besonders geniessen.
Gestärkt gehts zum nächsten Posten unserer Route, wo wir einfach nur SEIN sollen: S steht dabei für still stehen und in sich spüren, E für einatmen und sich mit dem Körper verbinden, I für inneres Lächeln und Freundlichkeit gegenüber sich selbst, N für nachspüren, bevor man wieder aktiv wird.
Kleine Dinge tun gut
Wir setzen uns dazu auf eine Bank am Feldrand. Ich schliesse die Augen und höre zu, wie der Wind die Blätter der Birke über mir zum Rauschen bringt, und spüre, wie die Sonnenstrahlen zwischen den Ästen hindurch den Weg auf meine Haut finden. Ich hatte schon fast vergessen, wie gut solch kleine Dinge tun.
Dann ist die Fahrt auch schon fast zu Ende. Der Achtsamkeitstrail beim Baldeggersee wird erst im Herbst noch zusätzliche «Raststätten zum kleinen Glück» bekommen. Aber wir kehren auch ohne weitere Übungen zufrieden und mit vielen schönen Eindrücken nach Hause zurück.
Vielleicht werde ich bei nächster Gelegenheit auch noch die Tour um den Hallwilersee machen. Dort hat es mehr Posten – und meine Neugierde für die Achtsamkeit ist nun geweckt.
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