Entscheid zum Flughafen ZürichViele Abweichler im Kantonsrat – knappes Ja zu den Pistenverlängerungen
Das Kantonsparlament heisst die Pistenausbauten am Flughafen gut. Es gab sieben Parteiabweichlerinnen und -abweichler sowie zwei Enthaltungen. Und vier Parlamentsmitglieder haben nicht abgestimmt.
Das Wichtigste in Kürze:
Mit 87 gegen 83 Stimmen hat der Kantonsrat der Verlängerung von zwei Flughafenpisten in Kloten zugestimmt.
Das Stimmvolk wird das letzte Wort haben, weil SP, Grüne und AL noch im Ratssaal das sogenannte Kantonsratsreferendum ergriffen haben.
Das Bauvorhaben kostet 250 Millionen Franken, welche der Flughafen übernimmt.
Das Datum für die Volksabstimmung ist noch unklar, wird aber sicher nicht mehr dieses Jahr sein.
Zusammenfassung
Der Flughafen Zürich hat im Kantonsrat einen Erfolg erzielt. Technisch gesprochen, hat das Parlament mit 87:83 Stimmen den zwei Vertreterinnen (Carmen Walker Späh, Beatrix Frey-Eigenmann) und dem Vertreter (Vincent Albers) des Kantons im Verwaltungsrat des Flughafens die Erlaubnis erteilt, im Gremium der Einreichung eines Plangenehmigungsverfahrens für zwei Pistenverlängerungen beim Bund zuzustimmen. Diese Erlaubnis ist nötig, weil die Kantonsvertretung im Flughafen-VR ein Vetorecht hat, wenn es um Länge und Lage der Pisten geht.
Konkret will der Flughafen die Westpiste 28, auf der am Abend die Flieger landen, um 400 Meter auf 2900 Meter verlängern. Das soll bis 2030 geschehen. Zudem soll die Nordpiste 32 um 280 auf 3580 Meter verlängert werden. Da starten die Flugzeuge am Abend. Dieses Bauvorhaben ist bis 2034 geplant. Auf den beiden Pisten können schwere Maschinen unter gewissen Wetterbedingungen heute nicht landen oder starten, weil die Pisten zu kurz sind.
Aufgrund der Pistenverlängerungen werden die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden südlich des Flughafens – also Opfikon, Wallisellen, Zürich-Schwamendingen, Gockhausen/Dübendorf, Zollikerberg, Zumikon – etwas entlastet. Jene im Osten – Kloten, Bassersdorf, Nürensdorf, Lindau – werden mehrbelastet.
GLP im Fokus
Der Kantonsrat hat insgesamt sieben Stunden lang über die Pistenfrage debattiert. Am Ende sagten SVP/EDU, FDP, Die Mitte und die EVP Ja. SP, GLP, Grüne und AL sagten Nein. In vielen Fraktionen gab es einzelne Abweichungen. Pikant: Hätten alle anwesenden GLP-Vertreterinnen und -Vertreter geschlossen Nein gesagt, hätte eine knappe Ablehnung per Stichentscheid der SP-Ratspräsidentin resultiert. Doch es gab bei der GLP eine Ja-Stimme, eine Enthaltung, und eine Grünliberale hat nicht abgestimmt.
Hätten sich handkehrum alle jene Parlamentsmitglieder, die abgewichen sind, sich enthalten oder nicht abgestimmt haben, im Sinne ihrer Parteien beteiligt, hätte es ein noch viel klareres Ja gegeben.
Volksabstimmung im Jahr 2024
Das grosse Bauvorhaben am Zürcher Flughafen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die linken Parteien haben noch im Ratssaal das Behördenreferendum ergriffen, weshalb am Ende das Stimmvolk entscheiden wird. Dies wird 2024 geschehen. Noch nicht sicher ist, ob zusätzlich noch das Volksreferendum ergriffen wird.
Laut Flughafen dienen die Pistenverlängerungen einem stabileren Betrieb, weil die Flugregimes weniger aufgrund von Wetterumschwüngen geändert werden müssen. Das vermeidet auch Verspätungen. Zudem müssen die Flugzeuge weniger Pisten kreuzen, weshalb die Ausbauten auch der Sicherheit dienten.
Die Gegnerschaft glaubt dem Flughafen nicht und ist sich sicher, dass über kurz oder lang die Kapazität ausgebaut wird, also mehr Flüge abgewickelt werden. Insbesondere im Osten und im Norden des Flughafens sind viele skeptisch.
Das sind die Abweichler
Nur die SP, Grünen und AL stimmten geschlossen. Alle anderen Parteien hatten Abweichler in ihren Reihen.
Ja-Abweichungen:
Benno Scherrer (GLP, Uster)
Nein-Abweichungen:
Stefan Schmid (SVP, Niederglatt)
Hans Egli (EDU, Steinmaur)
Michael Biber (FDP, Bachenbülach)
Priska Hänni-Mathis (Die Mitte, Regensdorf)
Markus Schaaf (EVP, Zell)
Donato Scognamiglio (EVP, Freienstein)
Enthaltungen:
Claudia Hollenstein (GLP, Stäfa)
Christian Pfaller (SVP, Bassersdorf)
Nicht abgestimmt:
René Isler (SVP, Winterthur)
Yvonne Bürgin (Die Mitte, Rüti)
Janine Vannaz (Die Mitte, Aesch)
Cristina Cortellini (GLP, Dietlikon)
Fehlend: 2 GLP, 1 Die Mitte
Das Ratspräsidium, welches derzeit Sylvie Matter (SP, Zürich) innehat, stimmt nur im Fall eines Patts ab und fällt den Stichentscheid, ansonsten nicht.
Rechts gewinnt gegen links
Nach insgesamt siebenstündiger Debatte an zwei Tagen ist plötzlich alles ganz schnell gegangen. Zum entscheidenden Antrag sprachen nur noch die Grünen.
Ja gesagt haben die SVP/EDU, FDP, Die Mitte und EVP.
Nein votierten die SP, GLP, Grünen und AL.
Kantonsrat sagt Ja
Mit 87:83 Stimmen hat das Parlament Ja gesagt zu den Pistenverlängerungen.
Debatte wird fortgesetzt
Nun nähert sich der Kantonsrat endlich einem Entscheid. Es geht nach der Mittagspause um den entscheidenden Ablehnungsantrag der Grünen und der SP gegen den Antrag der Regierung. Sie will die dreiköpfige Vertretung des Kantons im Verwaltungsrat des Flughafens ermächtigen, Ja zu sagen zum Gesuch um eine Pistenverlängerung.
Fortsetzung um 14.30 Uhr
Nun wird die Sitzung unterbrochen. Der Hauptentscheid folgt erst am Nachmittag. Die Mittagspause dauert bis 14.30 Uhr.
Jetzt ist auch die Präsenz der Ratsmitglieder klar. Es fehlen zwei Personen auf der Gegnerseite und eine Person auf der Befürworterseite. Damit bleibt diese leicht in der Favoritenrolle. Allerdings ist nicht klar, ob am Nachmittag wieder all jene Ratsmitglieder kommen, welche am Morgen präsent waren. Es bleibt also sehr spannend.
Erste Abstimmungen zu Minderheitsanträgen
Ratspräsidentin Sylvie Matter (SP) hat gezählt: «Nach 80 Votantinnen und Votanten kommt es nun zu den ersten Abstimmungen.» Zur Erinnerung: Der Kantonsrat hat 180 Mitglieder.
Der SP-Minderheitsantrag um Rückweisung der Vorlage scheitert mit 61:115 Stimmen. Da ging es um eine Überarbeitung aufgrund eines Gerichtsentscheids.
Der GLP-Antrag um Rückweisung und Überarbeitung wurde ebenfalls abgelehnt (82:94 Stimmen). Hier ging es um verbindliche Zusagen etwa für einen jährlichen Plafond von 5000 Flügen zwischen 22 und 23 Uhr (also rund 13 Flüge pro Stunde) und ein absolutes Flugverbot zwischen 23 und 6 Uhr.
Walker Späh: «Kein Kapazitätsausbau»
Kurz vor Mittag kommt Regierungsrätin Carmen Walker Späh (FDP) zu Wort. Sie betont, dass der Flughafen einen Auftrag des Bundes hat, einen Landesflughafen zu betreiben. Es ist auch der Bund, der entscheidet, ob das vorliegende Plangenehmigungsgesuch genehmigt wird.
Heute entscheide der Kantonsrat quasi, ob ein Gesuch für eine Baubewilligung eingereicht wird. Für die Volkswirtschaftsdirektorin und Flughafen-Verwaltungsrätin ist klar, dass es die Pistenverlängerungen braucht. Eine Sicherheitsüberprüfung habe schon vor Jahren gezeigt, dass die Pistenausbauten nötig sind. Walker Späh beteuert, dass es nicht um einen Kapazitätsausbau geht. Es gehe um Stabilität, Sicherheit und mehr Nachtruhe. «Sie haben die Chance, den Zürcher Fluglärmindex zu senken», sagt sie.
Nun wird der Kantonsrat bald über die beiden Minderheitsanträge von SP und GLP abstimmen. Sie wollen die Vorlage zur Überarbeitung an die Regierung zurückweisen. Doch das gehe rechtlich gar nicht, sagt Walker Späh. «Sie müssen heute entscheiden.»
Walker Späh erinnert daran, dass der Kantonsrat schon verschiedentlich Pistenverlängerungen abgelehnt hat. Doch als das Parlament den entsprechenden Richtplaneintrag strich, übersteuerte der Bund den Kanton Zürich und trug die Verlängerungen wieder in den Richtplan ein.
Rednerliste wird geschlossen
Die Debatte dauert nun schon drei Stunden, es stehen noch acht Politikerinnen und Politiker auf der Rednerliste. Und nun wurde diese geschlossen. Der Antrag kam von SVP-Fraktionspräsident Martin Hübscher und kam mit 83:75 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) durch. Betroffen ist aber nur die Debatte über die beiden Minderheitsanträge von SP und GLP zur Rückweisung der Vorlage an den Regierungsrat.
Der Hauptantrag von Grünen und SP, das gesamte Geschäft abzulehnen, folgt danach. Unklar bleibt, wie viele Rednerinnen und Redner sich danach noch melden werden.
Die zuständige Regierungsrätin, Volkswirtschaftsdirektorin und Flughafen-Verwaltungsrätin Carmen Walker Späh (FDP), hatte noch keine Gelegenheit zu sprechen.
Debatte läuft wieder – Piloten-SMS zitiert
Die Diskussionen werden fortgesetzt. Jean-Philippe Pinto (Die Mitte, Volketswil) sagt, technische Innovationen würden weniger Lärm und weniger Schadstoffausstoss bringen.
Barbara Grüter (SVP, Rorbas) berichtet von einer SMS eines Airline-Piloten, der sich wünscht, entspannter anfliegen zu können, wenn die Piste 28 verlängert wird.
Nicola Siegrist (SP, Zürich) repliziert, es gehe nicht um das Partikularinteresse eines Piloten, sondern darum, das Klima zu schützen und letztlich den Planeten zu retten.
Stellungen sind bezogen
Wie erwartet melden sich zahlreiche Votantinnen und Votanten zu Wort. Die Meinungen sind gemacht: Die Befürworter der Pistenverlängerungen versprechen sich eine bessere Pünktlichkeit der Flüge und weniger Nachtflüge sowie zum Teil weniger Flüge über den Süden des Flughafens. Auch Sicherheitsargumente werden vorgebracht, da die Flugzeuge die Pisten weniger kreuzen müssten.
Die Gegnerschaft verhehlt nicht ihre grundsätzliche Abneigung gegen das umweltschädliche Fliegen und glaubt nicht, dass der Flughafen 250 Millionen Franken investieren würden, wenn er nicht irgendwann die Kapazität erhöhen wolle.
Jetzt ist bis 10.15 Uhr Pause.
Josef Felder eingetroffen
Inzwischen ist auch Josef Felder, von 1998 bis 2008 CEO und seit diesem Jahr Verwaltungsratspräsident der Flughafen AG, auf der Tribüne eingetroffen. Er nimmt zuvorderst auf den reservierten Rängen Platz, wenige Meter vor den Fluglärmprotestlern. Neben Felder sitzt René Huber, SVP-Stadtpräsident von Kloten. Auch Nationalrätin und SP-Co-Präsidentin Priska Seiler Graf ist anwesend.
Abweichlerin meldet sich
Vereinzelt melden sich Parlamentsmitglieder, welche eine abweichende Meinung zu ihrer Fraktion haben. So erklärte Priska Hänni-Mathis (Die Mitte, Regensdorf) ihr Nein mit der ausbleibenden Zusicherung, die Nachtruhe jeweils ab 23 Uhr durchzusetzen.
In der ersten Debatte im Juni hatte bereits Markus Schaaf (EVP, Zell) sein Nein begründet und umgekehrt Benno Scherrer (GLP, Uster) angekündigt, Ja zu stimmen. Scherrer hatte dies bereits als GLP-Regierungsratskandidat während des Wahlkampf im letzten Winter angedeutet.
Gemäss Recherchen dieser Redaktion sind sieben Nein-Stimmen aus dem bürgerlichen Lager und eine Ja-Stimme aufseiten des Gegnerlagers gesichert.
SVP: «Affentheater»
Zu Beginn der Ratsdebatte haben alle Fraktionen die Gelegenheit, ihre Position nochmals zu verdeutlichen. 28 Kantonsrätinnen und Kantonsräte hatten ja schon drei Stunden lang im Juni debattiert. Die Sitzung musste damals unterbrochen werden, weil die Zeit nicht reichte für einen Entscheid. Heute Montag wurde deshalb eine Doppelsitzung angesetzt. Ob ein Entscheid noch vor dem Mittag fällt, ist noch unklar.
Im ersten Votum bezeichnete Ueli Bamert (SVP) das Verhalten der Pistengegner als «Affentheater», da es bloss um eine sinnvolle Ergänzung des Flughafens gehe. Die Linke wolle am liebsten das Fliegen verbieten.
Debatte beginnt mit Ermahnung
Mit etwas Verspätung hat die Debatte im Rathaus Hard im Zürcher Kreis 4 begonnen. Auf der Ratstribüne haben sich Fluglärmgegner eingefunden, welche dem Aufruf des Vereins Fair in Air (vormalig Fluglärmprotest Ost) gefolgt sind. Nach einem Votum gegen die Pisten von Felix Hoesch (SP) applaudierten sie und wurden sofort von Ratspräsidentin Sylvie Matter (SP) ermahnt: «Bitte keinen Applaus von der Tribüne, das ist nicht erlaubt.»
Erwartet wird, dass auch Verwaltungsratsmitglieder der Flughafen AG auf der Tribüne Platz nehmen werden.
Das Zürcher Unterland ist skeptisch
Im Vorfeld der Pistenabstimmung im Kantonsrat haben die Gemeinden der Flughafenregion Stellung genommen. Die meisten lehnen die Verlängerungen ab, die Standortgemeinde Kloten aber befürwortet das Vorhaben des Flughafens. Hier gehts zum weiterführenden Artikel.
Ausgangslage
Der Flughafen Zürich will die Westpiste 28 und die Nordpiste 32 um mehrere hundert Meter verlängern. Er verspricht sich dadurch mehr Stabilität beim Flugbetrieb, weniger Verspätungen und weniger Nachtflüge. Die Südgemeinden würden etwas entlastet, die Gemeinden östlich des Airports etwas stärker mit Fluglärm belastet. Die Kosten von 250 Millionen Franken übernimmt der Flughafen.
Die Gegner befürchten, dass der Flughafen mit dem Bauvorhaben mittelfristig die Kapazitäten erhöhen wird. Viele Gemeinden aus dem Zürcher Unterland und dem Osten des Flugahfens stehen dem Vorhaben gegenüber skeptisch bis ablehnend gegenüber.
SVP, FDP, Die Mitte, EVP und EDU, also eine Mehrheit von 97:83 Stimmen, unterstützen die Pistenverlängerungen, SP, GLP, Grüne und AL lehnen den Ausbau ab. Vorab bei den Bürgerlichen gibt es eine Handvoll Abweichler, vor allem aus dem Unterland und vereinzelt aus den Ostgemeinden. Deshalb geht man davon aus, dass es im Parlament ein knappes Resultat geben wird. Das Stimmvolk wird aller Voraussicht nach über das Bauvorhaben abstimmen können.
Hier geht es zur ausführlichen Vorschau über das Vorhaben des Flughafens und die Parlamentsdebatte.
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