Entführungsfall schockiertDer Liverpool-Star will doch nur seinen Vater zurück
Noch immer fehlt vom Vater des kolumbianischen Nationalspielers Luis Diaz jede Spur. Womöglich ist der Familie ihre Bescheidenheit zum Verhängnis geworden.
Sie kamen auf Motorrädern. Sie waren bewaffnet. Sie hatten nur ein Ziel: die Entführung der Eltern von Luis Diaz, dem Star des FC Liverpool.
Als Cilenis Marulanda und Luis Manuel Diaz am Samstag im kolumbianischen Bezirk Guajira an einer Tankstelle haltmachten, schlugen die vier Männer zu. Die Mutter wurde noch gleichentags freigelassen, aber mit dem Vater fuhren die Entführer gemäss lokalen Medien von Gemeinde zu Gemeinde, durch schwer zu befahrenes und von dichtem Mangrovenwald überzogenes Gelände, immer näher an die venezolanische Grenze heran. Zwei der Motorräder liessen die Entführer schliesslich zurück.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Der Bezirk ganz im Nordosten des Landes, umgeben vom Karibischen Meer und Venezuela, gilt als ärmster Kolumbiens. Am Montag gab die Polizei bekannt, dass sie «Klarheit» über die Identität der Entführer habe. Aber vom Vater fehlt nach wie vor jede Spur.
Was das zu bedeuten hat, was die Beweggründe sein könnten, ob und welche Forderungen die Kriminellen stellen – das alles blieb offen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der Vater nach Venezuela verschleppt wurde. Für Informationen, die helfen, ihn zu finden, haben die Behörden eine Belohnung von 200 Millionen Pesos ausgesetzt, was rund 45’000 Franken entspricht.
Gemäss der «New York Times» ist die Anzahl von Entführungen seit dem Friedensvertrag zwischen Kolumbien und den Farc-Rebellen 2016 zwar zwischenzeitlich drastisch zurückgegangen. Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens hatten ihre Operationen mit solchen erpresserischen Aktionen finanziert. Doch in den letzten Jahren kämpften andere kriminelle Gruppen um Gebiete, die zuvor von der demobilisierten Farc gehalten worden waren. Deshalb kommt es wieder vermehrt zu Erpressungen, Entführungen und Lösegeldzahlungen.
Klopp hat so etwas noch nie erlebt
Luis Diaz bleibt vorerst nur das bange Warten. Als ihn die Nachricht ereilte, weilte er mit Liverpool im Hotel, um sich auf die Partie vom Sonntag gegen Nottingham vorzubereiten. Von den Verantwortlichen wurde er sofort nach Hause geschickt, zu seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter, mit denen er in der Liverpooler Vorortsgemeinde Crosby wohnt.
An seiner Stelle spielte Jota. Als der Portugiese das 3:0 erzielte, jubelte er mit dem Trikot von Diaz. Nach dem Sieg sagte ein emotionaler Trainer Jürgen Klopp, unter solch schwierigen Umständen sei er noch nie zu einer Partie angetreten. Dabei würde man nach mehr als tausend Spielen denken, man habe schon alles erlebt. «Wir alle beten, dass es gut ausgehen wird.»
Der 43-fache kolumbianische Nationalspieler hat einen aussergewöhnlichen Aufstieg hinter sich. Aufgewachsen ist er in Barrancas, einer Stadt in Guajira. Viele der 40’000 Einwohner leben von der Arbeit in und rund um die gewaltige Cerrejon-Mine, die grösste Tagebaumine Südamerikas, die vom in Baar ansässigen Rohstoffmulti Glencore betrieben wird. Die Mine ist der wichtigste Wirtschaftstreiber in der äusserst strukturschwachen Region.
«Mein Vater ist mein Held»
Dazu gehört Diaz einer indigenen Minderheit an, den Wayuu. Diese sind per se systematisch benachteiligt. Das Volk hat eine lange Geschichte des Kampfes hinter sich, von der Rebellion gegen die spanische Herrschaft bis hin zu erbitterten Auseinandersetzungen mit den Bergbauunternehmen in der Region. 2017 berichtete die interamerikanische Kommission für Menschenrechte, dass in den acht Jahren zuvor 4470 Wayuu-Kinder an Unterernährung oder damit verbundenen Krankheiten gestorben waren – mehr als das Fünffache des nationalen Durchschnitts.
Wer in solche Umstände hineingeboren wird, kann ihnen meist nicht entfliehen, schon gar nicht bringt er es zum Star und Multimillionär wie Diaz. 2022 überwies Liverpool 47 Millionen Euro Ablöse an Porto für den Flügel. Beim Weltclub hat er sich in dieser Saison als Stammspieler etabliert.
Dabei war Diaz schon 17, als er erstmals in einen professionell geführten Club kam. Zuvor war er unter anderem vom Vater ausgebildet worden, der eine kleine Fussballschule in Cerrejon betrieb. In dieser hatte Diaz im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit vielen Kindern von Bergarbeitern mit dem Fussball angefangen. Trotz des Erfolgs des Sohnes verblieb die Familie in Barrancas, das wurde ihr jetzt zum Verhängnis. «Mein Vater hat mir beigebracht, wie man spielt», sagte Diaz einst. «Er ist mein Held.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.