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Hockey-Phänomen Nico Hischier
Weiss er eigentlich, wie gut er wirklich ist?

Nico Hischier, hockeyeur et capitaine des New Jersey Devils pose pour un portrait apres son entrainement lors d'une rencontre avec les medias ce vendredi 25 aout 2023 au Mont-sur-Lausanne. (KEYSTONE/Valentin Flauraud)
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Vielleicht beschreibt dieser Satz von Lars Weibel das Phänomen am besten: «Hin und wieder frage ich mich, ob er überhaupt weiss, wie gut er wirklich ist.» Natürlich ist dies als Kompliment gemeint, der Direktor des Schweizer Nationalteams war an der WM in Prag nicht der einzige Beobachter Nico Hischiers, der immer wieder ins Staunen und Schwärmen geriet. «Ich habe ihm diese Frage übrigens auch schon direkt gestellt», sagt Weibel.

Die Ruhe des Wallisers auf dem Eis, seine Gabe, auch unter Druck ohne Schnörkel stets richtige Entscheide zu treffen, seine Spielintelligenz auch ohne Puck faszinieren. Erst recht, weil der Mittelstürmer all dies seit Jahren mit der Selbstverständlichkeit eines Routiniers tut, obwohl er dieses Jahr erst 25 wurde. Weiss nun Hischier aber, wie gut er wirklich ist? Die Frage dürfte unbeantwortet bleiben. In den Mittelpunkt gerückt zu werden, oder gar sich selbst dorthin zu platzieren, ist ihm ein Graus, das entspricht so gar nicht seinem Wesen.

Das frühe Interesse an Yoga und Pilates

Die Ruhe, auch neben dem Eis, aber auch die Bescheidenheit, sie wirken authentisch, und sie kommen nicht von ungefähr. «So wurde ich erzogen. Und ich achte auch bewusst darauf», sagt Hischier. Die stillen Momente sucht er auch als Sportler. In seiner Trainingsgestaltung war er seinem Alter ebenfalls schon früh voraus, mit Yoga und Pilates begann er bereits als junger Spieler.

Und seit er in seinem Trainingsplan der Erholung noch mehr Gewicht gibt, steht auch stille Meditation auf seinem Programm: «Ich habe gelernt, dass richtige Atmung etwas vom Wichtigsten ist», sagt Hischier. Er habe sich in dieses Thema eingelesen. Das passt: Hischiers Interesse am Spiel und an den Möglichkeiten, sich immer weiter zu verbessern, ist ausgeprägt. Wer in Drucksituationen instinktiv gute Entscheide trifft, dürfte in solchen Situationen auch im Training mehr Wert darauf legen als andere.

19.05.2024; Prag; Eishockey Nationalmannschaft - IIHF Weltmeisterschaft 2024 - Schweiz - Kanada;
Nico Hischier (SUI) 
(Urs Lindt/freshfocus)

Wenn Teenager im Eishockey heute laut und forsch auftreten, dann dürfte Hischier sich kaum in ihnen wiedererkennen. «Aber ich möchte sie nicht abstempeln», betont er. «Lieber diskutiere ich mit ihnen und versuche, klarzumachen, dass Dinge wie mangelnder Einsatz oder Eigensinn nicht okay sind in einem Teamsport.» Auf einen wie ihn dürften sie hören.

NHL-Star. Ein Begriff, der gerade hierzulande inflationär verwendet wird. Hischier wäre aber einer der ganz wenigen Schweizer, die damit nicht überhöht würden. Er steht vor seiner fünften Saison als Captain der New Jersey Devils, dabei ist er erst 25-jährig und damit teilweise deutlich jünger als viele Mitspieler. Aber der Walliser ist auch ein Mensch und Spieler der Gegensätze.

Die Rolle des Captains sieht er als stete Entwicklung seines Selbst: «Ich bin neugierig und sammle so viele Informationen wie möglich. Ich bin froh um die älteren Mitspieler und ihre Meinungen. Aber am Ende möchte ich meine eigenen Entscheide treffen.» Und wenn er dabei Fehler macht, akzeptiert er diese, weil er weiss, dass gerade für einen jüngeren Leader einer Mannschaft viele Fallen lauern.

«Du kannst nicht jedem Mitspieler auf dieselbe Weise begegnen», sagt Hischier. «Als Leader musst du anpassungsfähig sein. Ich bin da immer noch am Lernen.» Kann er auch laut und emotional werden? Einen wütenden Nico Hischier sehe die Mannschaft nur sehr selten: «Ansonsten verliert es schnell die Wirkung.»

Das Augenmerk für die Betreuer

Ein Star? So nimmt ihn auch in der Schweizer Nationalmannschaft niemand wahr. Es schwärmen selbst jene im Hintergrund rund ums Team, weil Hischier vorangeht, wenn es um die Wertschätzung geht, die ihnen gegenüber gezeigt wird. Das liege ihm sehr am Herzen, sagt Hischier.

«Es ist mir wichtig, dass sich niemand im Team als weniger wertvoll fühlt.» Dazu gehörten alle Spieler, auch jene mit kleineren Rollen. Aber auch alle Betreuer: «Sie sind für uns da, wenn wir Massagen brauchen. Sie erledigen unsere Wäsche. Ihre Arbeit ist nicht selbstverständlich.»

Hischier scheint überzeugt davon zu sein, dass dies alles kleine Puzzleteilchen bei der Bildung einer erfolgreichen Mannschaft sind: «Bei der Nationalmannschaft gefällt mir das sehr gut: Wir haben eine sehr gute Energie in der Garderobe. Jeder in Prag gehörte dazu. Auch Spieler wie Thierry Bader, die gar nie zum Einsatz kamen, waren voll integriert.» Zur Leaderrolle gehören aber nicht nur nette Gesten.

Switzerland's Headcoach Patrick Fischer, center, speak with Nino Niederreiter, Roman Josi, Nico Hischier and Philipp Kurashev, from left, during a practice session in Prague at the O2 Arena, Czech Republic, on Friday, May 10, 2024. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Es war Patrick Fischer, der auf der Suche nach der perfekten Teamatmosphäre schon seit Jahren auch aneckt – inklusive Folgen für Spieler, die sich aus seiner Sicht nicht vollkommen diesem Gedanken unterordnen. Der Nationaltrainer betont dabei stets die Wichtigkeit der Führungsspieler, die als Vorbilder vorangehen müssen.

Hischier gehört auch zu Fischers Captainteam. Einzelfälle will er nicht kommentieren. Aber er sagt: «Ich finde es grundsätzlich gut, dass man eine klare Linie hat. Und wenn man Regeln nicht befolgt, gibt es Konsequenzen.» Das sei bei seinem NHL-Club in New Jersey nicht anders: «So muss es im Profisport sein. Ansonsten ist es eben nicht Profi-, sondern Breitensport.»

Das Gespräch mit Hischier findet an einem heissen Nachmittag im August statt. Er hat sich früh entschieden, alle Medienanfragen des Sommers an einem einzigen Tag zu absolvieren, um sich danach besser auf die kommende Saison konzentrieren zu können. Die WM in Prag und der mit 0:2 gegen Gastgeber Tschechien verlorene Final ist bei diesem Gesprächsmarathon darum schon fast drei Monate her.

Hin und wieder stolpere er zwar noch über Bilder des entscheidenden Finaltors von David Pastrnak zehn Minuten vor Schluss, dem Treffer, der die Schweizer Goldhoffnungen begrub. Dann merkt er kurz, dass die Enttäuschung über das knapp verpasste Gold ganz tief drin immer noch da ist. Was im Moment unmittelbar nach dem Spiel noch nicht möglich war, hat er aber mittlerweile geschafft: Frieden zu schliessen mit der Finalniederlage und stolz zu sein auf WM-Silber: «Es gab so viele positive Erlebnisse an der WM», sagt Hischier. «Ich werde diese Wochen ein Leben lang nicht mehr vergessen.»