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Talente optimal fördern
«Sorge dafür, dass das Kind am nächsten Tag wieder zu dir kommen will»

Interview mit Markus Graf, dem Ausbildungschef im Schweizer Eishockey. © Adrian Moser / Tamedia AG
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Markus Graf war in den letzten 18 Jahren Ausbildungschef beim Schweizer Eishockeyverband. Bis Ende August kümmerte sich der 65-jährige Emmentaler vor allem um die Trainerausbildung. Im «Eisbrecher», dem Eishockey-Podcast von Tamedia, sprach er über seine Arbeit und darüber, warum auch die Ausbildung der Trainer nicht vernachlässigt werden dürfe. Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Gespräch.

Sie legten stets Wert auf die Trainerausbildung, die mindestens so wichtig sei wie jene der Spieler. Warum ist das so?

Der Trainer kann in bestimmten Altersstufen zur stärksten Bezugsperson des Spielers werden. Wenn die Athletin oder der Athlet dem Trainer vertraut, sind das Verhalten und das Wissen des Trainers sehr wichtig. Genau wie seine Fähigkeit, dieses Wissen zu vermitteln. Die Anforderungen an einen Nachwuchstrainer werden immer grösser.

Und das nicht nur im sportlichen Bereich …

Gerade im Mannschaftssport kann er die Persönlichkeit von Spielern formen auf einer Ebene, auf der die Schule vielleicht gar nicht mehr übernehmen kann. Darum sind die Anforderungen auch an den Ausbilder des Trainers riesig: Wie viel können wir den Trainern zumuten? Wie können wir einen «Miliztrainer», der seine Arbeit in der Freizeit ausübt und der ganz anders abgeholt werden muss im Vergleich zu einem Profi, zusätzlich motivieren?

Nachwuchstrainer stehen weniger im Rampenlicht. Wie sieht es im Eishockey bei den Schweizer Proficlubs aus? Gibt es genug professionelle Betreuung der jungen Spielerinnen und Spieler?

Mittlerweile arbeiten sowohl auf Stufe U-20 und U-18, aber auch bei der Erfassungsstufe der ganz Jungen Profis. Die Budgets der Clubs wurden in diesen Bereichen grösser. Es kommen aber bei weitem nicht alle Talente von Grossclubs. Potenzielle Nationalspieler werden zunächst häufig in den kleinen Clubs ausgebildet. Darum müssen auch die Nachwuchstrainer jener Clubs so gut wie möglich unterstützt werden.

Viele kleine Vereine klagen, dass ihre besten Jungen schon früh von den Grossclubs zu sich geholt würden.

Das ist ein aktuelles Thema, bei dem auch Unfug getrieben wird. Aber es gibt keine generelle Lösung, da die Initiative nicht immer vom Club ausgeht. Es sind auch Eltern, die ihre Kinder zu den Grossclubs bringen wollen, teilweise auch zu früh. Man muss aber auch sehen, dass der Zeitpunkt kommen kann, wenn ein Spieler mit Potenzial ein grösseres Trainingsvolumen und spezialisiertes Training benötigt.

Haben wir genug Nachwuchstrainer im Schweizer Eishockey?

Wir haben im Moment genug. Aber zusätzliche Assistenten helfen immer, die Trainings qualitativ besser zu gestalten.

Man hört aber auch das Klagen aus der Erfassungsstufe, dass zu wenige Trainer sich um zu viele Kinder kümmern müssten.

Das hat auch mit dem Nachteil bei der Infrastruktur zu tun. Die Anzahl Eisfelder ist limitiert, beim Fussball lässt sich eher ein weiteres Trainingsfeld finden. Wichtiger ist, dass man sich um all die vielen Unterstützer, bei denen es sich häufig um Eltern handelt, kümmert, damit diese den Kindern die richtigen Sachen beibringen können. In diesem Bereich müssen wir nicht nur mehr Leute generieren, sondern für sie auch bessere Rahmenbedingungen und Perspektiven schaffen.

«Die Schweden haben mehr Trainer mit einem unglaublich vollen Hockey-Rucksack»

Auch wenn man den Vergleich mit Schweden in der Schweiz nicht immer gern hört: Warum hinken wir den Skandinaviern in diesem Bereich derart hinterher? Dass die schwedischen Teenager jenen der Schweiz in vielen Bereichen klar voraus sind, kann ja kein Zufall sein.

Ich scheue den Vergleich nicht. Und auch wenn wir nicht alles kopieren können und das auch nicht tun sollten, ist es wichtig, nach Schweden, aber auch nach Finnland zu schauen. Die Schweden haben mehr Trainer mit einem unglaublich vollen Hockey-Rucksack.

Woher kommt das?

Wenn Hunderte von ehemaligen Profis und NHL-Spielern nach der Karriere im Eishockey tätig bleiben und ihr Wissen weitergeben können, dann ist das unbezahlbar. Sie können Spieler und Trainer betreuen und ausbilden. Ein weiterer wichtiger Faktor ist aber auch das Schulsystem Schwedens. Auch wenn man in der Schweiz zuletzt grosse Fortschritte gemacht hat, ist jenes der Schweden besser adaptiert an die Sportwelt.

Sogar in der National League bemängeln Trainer hin und wieder die Grundausbildung der Schweizer Profis. Was sagen Sie, wenn zum Beispiel Schweizer Verteidiger davon erzählen, erst unter Tommy Albelin, dem Assistenztrainer unserer Nationalmannschaft, wichtige Basics gelernt zu haben?

Dass wir mehr Tommy Albelins brauchen. Und diese «anderen» Albelins, die die Detailarbeit auf den unteren Stufen übernehmen, müssen ja nicht alle Schweden, sondern können auch Schweizer sein.

Switzerland's assistant coach Tommy Albelin, right, speak with Switzerland's Dario Simion during a practice session in Prague at the O2 Arena, Czech Republic, on Friday, May 10, 2024. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Wie «züchtet» man diese Fachleute heran?

Wir sind wieder beim gleichen Thema. Damit sich Leute motivieren können, müssen sie bei diesem Beruf eine Zukunft sehen können. Faszinierend für werdende Trainer ist ja zunächst meistens eher die Glamourwelt im Profieishockey. Um gute Leute auch an der Basis zu haben, braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen. Der Verband müsste täglich mit den Clubs zusammen daran arbeiten, wie man noch bessere Bedingungen schaffen kann.

Warum nicht diese Jobs finanziell schmackhafter machen? Schaut man auf die Spielerlöhne, scheint im Schweizer Eishockey genug Geld vorhanden zu sein.

Als Vorschlag würde ich das unterschreiben. Aber die Löhne der Profispieler diktiert der Markt, die können wir nicht zugunsten der Nachwuchstrainer anpassen. Warum aber nicht automatisch einen Ausbildungsauftrag in die Spielerverträge nehmen? Egal, ob das nun in Form von Vorträgen, der Betreuung junger Spieler oder der Partizipation im Training wäre. Solche Sachen sollte man viel mehr kultivieren.

Es gibt Stimmen, die sagen: Die besten Trainer müssten auf den untersten Stufen arbeiten, nur dann könne man die Ausbildung verbessern. Einverstanden?

Was heisst «der beste Trainer»? Die Anforderungsprofile sind auf allen Stufen anders. Darum kann auch für alle mit dem «bestmöglichen Trainer» argumentiert werden: für die Erfassung der ganz jungen Kinder, für die Grundlagenausbildung, wo es darum geht, welche Spieler Richtung Leistungs- und welche Richtung Breitensport gehen. und für die letzte Phase bei den Junioren, wenn der Übergang zur Profiliga erfolgen soll. Darum kann man das nicht so pauschal formulieren.

Was sollte der Trainer auf Erfassungsstufe können?

Er muss die Kinder vor allem begeistern können. Mein Grundauftrag lautete immer: Sei nicht ihr letzter Trainer! Oder positiv formuliert: Sorge dafür, dass das Kind am nächsten Tag wieder zu dir kommen will. Das hat nichts mit Siegen, sondern mit Wertschätzung und Motivation zu tun.