TV-Kritik zu Golden Globes Einer kippte jedes Mal einen Schnaps, wenn er nicht gewann
Die Preisverleihung war umstritten und fand virtuell statt. Sie bot Überraschungen, kuriose Momente – und Einblicke in die Stuben der Hollywoodstars.
«Are we on?» Man würde diese Worte noch öfter hören an diesem Abend, und es war so etwas wie die Versinnbildlichung einer Show, die das Beste daraus zu machen versuchte, dass sie überwiegend aus zu- und wieder weggeschalteten Bildschirmen bestand.
Die 78. Golden Globes hatten zwar durchaus zwei Gastgeberinnen (Tina Fey, Amy Poehler) die auf echten Bühnen in New York und Los Angeles vor einem Minipublikum moderierten – und sich einmal symbolisch die Hand zu reichen versuchten.
Aber es dauerte nicht lange, bis man die Tücken von Corona-bedingten Videokonferenzen auch in den Stuben der Hollywoodstars wiederfand – namentlich beim ersten Sieger des Abends, Daniel Kaluuya («Judas and the Black Messiah»), der versehentlich sein Mikrofon stummgeschaltet hatte. Von den nachfolgenden Verständigungsproblemen inklusive Störgeräuschen in der dreistündigen Show ganz zu schweigen.
Immerhin: Die ersten beiden Globes-Gewinner des Abends waren zwei schwarze Schauspieler (neben Kaluuya gewann auch John Boyega, «Small Axe»), und das hätte der veranstaltenden Hollywood Foreign Press Association (HFPA) durchaus zu einer Art Ehrenrettung gereichen können. Die HFPA war bekanntlich vorab unter Beschuss geraten, da es im exklusiven Zirkel dieser 87 Filmjournalisten kein einziges dunkelhäutiges Mitglied gibt.
Natürlich erwartete man dann in der Show eine Reaktion, aber die beschränkte sich auf den einen oder andern Nebensatz der beiden Gastgeberinnen sowie ein nichtssagendes Versprechen des amtierenden HFPA-Präsidenten Ali Sar, dass sich die Organisation verändern müsse. Damit sprach er eigentlich nur aus, was schon alle wissen, ohne dem offenkundigen Missstand etwas Substanzielles hinzuzufügen.
«Er würde Gott danken, seinen Eltern und seinen Vorfahren für ihre Leitlinien und ihre Opfer.»
Und dennoch: Dass man die Show in dieser Form aufzog – als Versuch eines Screen-to-Screen-Miteinanders – bot eine ungeahnte Zahl von Überraschungen und emotionalen Momenten. Etwas vom Ergreifendsten war zweifellos die Dankesrede von Taylor Simone Ledward, der Witwe des letzten Sommer verstorbenen Chadwick Boseman («Black Panther»), der posthum für seine Hauptrolle in «Ma Rainey’s Black Bottom» ausgezeichnet wurde. «Er würde Gott danken, seinen Eltern und seinen Vorfahren für ihre Leitlinien und für ihre Opfer», sagte Ledward unter Tränen.
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Und dann gab es all die kuriosen Momente: Wenn die Stars ihre Haustiere in die Kamera hielten. Wenn Regisseur David Fincher («Mank» ging als Favorit ins Rennen) jedes Mal, wenn er nicht gewann, einen Schnaps kippte (ziemlich oft). Oder wenn plötzlich die Kinder von frischgebackenen Preisträgern im Hintergrund durchs Bild tanzten und Mama oder Papa kurz umarmten.
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Da spürte man so etwas wie eine ungeskriptete Fröhlichkeit, die oft stärker war als die Künstlichkeit, in der sie stattfinden musste. Und es gab auch Preisträger, die ihren Ohren nicht trauten, wenn sie als Sieger ausgerufen wurden.
«Da muss ein Fehler passiert sein!»
Jodie Foster («The Mauritanian») zum Beispiel, die mit Ehefrau und Hund auf dem Sofa fläzte, meinte: «Da muss ein Fehler passiert sein!» Und Jason Sudeikis («Ted Lasso»), der einen weissen Kapuzenpulli trug, stotterte derart unzusammenhängende Sätze, dass er von Schauspielkollege Don Cheadle zum Abschliessen gedrängt wurde.
Überhaupt: Je länger die Show dauerte, desto rascher wurden die Preisträger vom virtuellen Orchester zum Abbrechen aufgefordert. Bis es dann – kurz vor Schluss – zu zwei bemerkenswerten Doppelauszeichnungen kam. Die erste ging an «Borat Subsequent Moviefilm», und Sacha Baron Cohen dankte dabei nicht nur einer «rundum weissen HFPA», sondern pries in seiner sarkastischen Art auch den in seinem Werk veralberten Rudy Giuliani als «Komödiengenie».
Erst die zweite Regisseurin nach Barbra Streisand
Aber dann war Schluss mit lustig und Bling-Bling, als schliesslich das Americana-Epos «Nomadland» von Chloe Zhao die Preise für das beste Drama und die beste Regie erhielt. Zhao ist erst die zweite Regisseurin (nach Barbra Streisand), die bei den Globes ausgezeichnet wird.
Und wir erinnern uns: Bezüglich Unterrepräsentierung von Frauen hatte die HFPA in den letzten Jahren ebenfalls viel Kritik einstecken müssen. Wenn die Organisation klug ist, wird sie nun in ihren eigenen Reihen schnellstmöglich für Diversity sorgen, auch und gerade, was die Vertretung von schwarzen Journalisten betrifft.
«Nomadland»: Voraussichtlich ab 8. April in den Schweizer Kinos.
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