Ruderer Andrin GulichEin Zürcher will nach oben – mithilfe eines 80-Jährigen
Er war in den USA im College und will es nun kurzfristig nach Tokio an die Olympischen Spiele schaffen: Der 22-Jährige aus Zumikon debütiert an der EM im Vierer-ohne.
Als die Olympischen Spiele 2020 um ein Jahr verschoben werden, ergeben sich auch im Rudern Veränderungen. Mit Augustin Maillefer und Nico Stahlberg entschliessen sich zwei Schweizer Spitzenathleten, dem Sport nicht noch einmal ein Jahr alles unterzuordnen. Gesucht sind im Sommer plötzlich zwei Ersatzleute für den Vierer-ohne, das Riemenboot, das sich den Quotenplatz bereits an der WM 2019 in Linz gesichert hat.
Als dann der Name Andrin Gulich auftaucht, ist ein gutes Gedächtnis von Vorteil. Natürlich erinnert man sich in Fachkreisen an den hoch aufgeschossenen Zürcher vom SC Küsnacht, allerdings hatte man ihn erst wieder für Paris 2024 auf dem Radar. Der 22-Jährige, der durch seinen älteren Bruder zum Rudern gekommen war und dessen Onkel Thomas Anfang des Jahrtausends Präsident der Fussball-Sektion der Grasshoppers war, stand einst in den Nachwuchskadern des Verbandes. Er gewann auf Juniorenstufe auch Goldmedaillen an Europa- und Weltmeisterschaften. Dann führte sein Weg aber an die berühmte Yale-Universität in New Haven. Der Plan: ein vierjähriges Studium.
«Wir sind sechs Ruderer mit gleichen Chancen.»
Wegen Corona liess sich das Vorhaben nicht vollständig umsetzen. Im März 2020 kehrte Gulich unverrichteter Dinge nach Hause, wie so einige Schweizer Überseestudenten, als der Campus schloss. Bis Jahresende absolvierte er seine Kurse, die ihn zum Abschluss in Wirtschaft und Datenwissenschaft führen, online. Nun hat er das letzte Semester verschoben und wird das Studium im Frühling 2022 beenden. Die Diplomfeier ist für Mai geplant.
Im Moment gehört sein ganzer Fokus dem Rudersport. Seit Ende September trainiert er vollumfänglich im nationalen Leistungszentrum in Sarnen, und seit Oktober ist er im Vierer-ohne einer von sechs Athleten mit Olympia-Ambitionen neben: Joel Schürch (SC Sursee), Paul Jacquot (SC Zürich), Markus Kessler (RC Schaffhausen), Nicolas Kamber (GC) und Scott Bärlocher (RC Baden). «Wir sind sechs Ruderer mit gleichen Chancen», erklärt Gulich.
Kamber fällt aktuell mit einer Rückenverletzung aus, Bärlocher ist an der EM als Ersatzmann dabei, Gulich steht in Varese vor seiner Premiere als Schlagmann. Dass seine Form stimmt, bewies er zuletzt mit einem dritten Platz an den Swiss Rowing Indoors. Gross umstellen musste sich der Newcomer nicht: «Natürlich hat jeder einen etwas anderen Stil, aber bis zu den Trials haben wir sowieso praktisch immer im Zweier-ohne trainiert, in wechselnden Konstellationen.»
Wenige Tage vor dem Start der EM ist ihm keine Nervosität anzumerken. Dazu beigetragen hat auch die Zeit in den USA. Der Einstieg wurde ihm damals leicht gemacht, Jacquot war bei seiner Ankunft Captain des Ruderteams von Yale. «Er hat mir im ersten Jahr alles gezeigt», sagt Gulich und ist dankbar.
«Etwas mehr Selbstvertrauen kann nie schaden»
Den grössten Einfluss hatte allerdings eine Legende des Sports: Steve Gladstone. Er ist seit vielen Jahrzehnten ein bekannter Trainer, einst an der Brown University auch Coach von Xeno Müller und mittlerweile über 80, seine Passion aber ungebrochen. Drei Sachen habe er von Gladstone vor allem mitgenommen, sagt Gulich: «Man soll den Sport mit extremer Leidenschaft ausüben. Jeder einzelne Schlag zählt. Und es ist wichtig, dass man Freude hat, sich mit anderen im Wettkampf zu messen.»
Wer einmal in den USA an einer Hochschule in einem Sportteam war, weiss: Der Amerikaner glaubt auch dann noch an einen Sieg, wenn die Situation aussichtslos ist. Gulich hofft, zusammen mit Jacquot etwas von dieser Mentalität transportieren zu können: «Etwas mehr Selbstvertrauen hat noch nie geschadet.» Für den Vierer-ohne fehlt hinsichtlich Olympia nur noch die Leistungsbestätigung, der Resultatdruck ist also nicht riesig. «Wir wollen aber hier schon zeigen, dass die Richtung stimmt, dann können wir uns nachher voll auf Olympia konzentrieren», sagt Gulich.
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