Ein Wolf streift durch das Linthgebiet
Jäger und Landwirte sind sich sicher: Ein Wolf streift durch das Linthgebiet. Das kantonale Amt kann aufgrund der geschossenen Bilder aber nicht abschliessend klären, ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt.
So schnell wird Toni Kühne den Freitagabend nicht vergessen. Kurz nach 18.30 Uhr war der Landwirt und Schafzüchter mit seinem Auto im Gebiet Altwies ob Kaltbrunn unterwegs. «Aus kurzer Distanz habe ich am Waldrand eindeutig einen Wolf gesehen», erzählt Kühne. Sofort zückt er sein Handy und schiesst so viele Fotos wie möglich. «Erst sass der Wolf nur da, stand dann aber langsam auf.» Kühne steigt an der Bergstrasse aus seinem Auto, geht auf den Wolf zu und verscheucht ihn. «Erst dann ist das Tier wieder zurück ins Tobel.» Das Tier kam und ging Richtung Rieden. Was Kühne hautnah erlebt hat, könnte historisch sein: Es wäre die erste Wolfsbeobachtung im St. Galler Linthgebiet.
Die Fachleute des Kantons St. Gallen wurden von Kühne und einem Jäger der Jagdgesellschaft Kaltbrunn, der das Tier auch beobachtet hat, informiert. Dominik Thiel, Leiter des Amtes für Natur, Jagd und Fischerei, hat die Bilder von Kühne ebenfalls gesehen. Er geht davon aus, dass das Tier «mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Wolf» ist. Ohne DNA-Proben – etwa nach Schafsrissen oder durch Kotproben – könne man das aber nicht mit Bestimmtheit sagen. Ein Wolfshund sehe praktisch gleich aus. Weil ein herumstreifender Wolf ein «Schadenpotenzial» habe, wolle man aber auf Nummer sicher gehen und die Bevölkerung über die Sichtung informieren. «Wölfe können in der Schweiz immer und überall auftauchen», sagt Thiel. Es sei deshalb immer nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ein Wolf auch im Linthgebiet auftauche. Die Wolfspopulation in der Schweiz wächst insgesamt. Drei Rudel – in den Kantonen Wallis, Tessin und Graubünden – haben eigenen Nachwuchs, dazu gibt es immer wieder Wölfe, die zuwandern.
Etwas kann Thiel bei der aktuellen Beobachtung in Kaltbrunn ausschliessen: Beim gesichteten Tier handelt es sich nicht um einen Goldschakal – diese Tierart war im Juli erstmals im Linthgebiet gesichtet worden. Goldschakale sind grösser als Füchse, aber deutlich kleiner als Wölfe. Es gibt verschiedentlich Befürchtungen, Schakale und Wölfe könnten sich vermischen – und so anderen Tieren noch gefährlicher werden. Laut dem Bund ist das aber unwahrscheinlich, weil die Tierarten verfeindet sind.
Angst vor Schafsriss
Bei Toni Kühne ist die Verunsicherung nach seiner Wolfssichtung gross – auch weil ein Wolf im Verdacht steht, vor einer Woche in Einsiedeln vier Schafe gerissen zu haben. «Es ist beängstigend, nicht zu wissen, was mich am Morgen beim Besuch der Weide erwartet.» Er versuche möglichst viele Tiere abends in den Stall zu bringen. Weil seine über 100 Schafe aber in Gruppen verteilt sind, ist das nicht überall möglich. «Einzelne Gruppen leben auf Weiden ohne Stall.» Diese Weiden seien jedoch mit Elektrozaun gesichert – auf Einhagungen ohne Strom verzichtet er derzeit. «Wenn der Wolf grossen Hunger hat, hilft aber wohl auch der Elektrozaun nichts.» Die kantonale Fachstelle für Herdenschutz informierte die Schafhalter im Gebiet See und Gaster per SMS-Alarm über die Beobachtung. Bisher gingen aus dem Linthgebiet keine Meldungen von gerissenen Nutztieren ein. Kühne und seinen Schafzuchtkollegen bleibt deshalb nur eines: mehrmals täglich Kontrollgänge unternehmen und hoffen, dass der Wolf wieder von dannen zieht.
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