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Meinung

Kommentar zum Freispruch von Andrea Stauffacher
Ein Sieg des Rechtsstaats

Im Zweifel für die Angeklagte:  Andrea Stauffacher an einer unbewilligten Demo im März 2022. 
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Als im Januar 2017 Feuerwerkskörper auf das türkische Generalkonsulat in Zürich abgefeuert wurden, schien schnell klar, wessen Handschrift der Anschlag trug. Auf einem der Holzstäbe, die als Abschussvorrichtung dienten, wurde die DNA von Andrea Stauffacher gefunden. Klar doch, wer auch sonst?

Die mittlerweile 72-Jährige sorgt ja seit Jahrzehnten dafür, dass die Zürcher Tradition der 1.-Mai-Nachdemo nicht in Vergessenheit gerät – Slogan: «Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland!» Sie scheint auch sonst mit allem über Kreuz, was nach Staat und staatlicher Autorität/Macht riecht. Und war sie vor 20 Jahren nicht an Anschlägen auf das spanische Generalkonsulat beteiligt, die offenbar nach einem vergleichbaren Muster abliefen?

Die Zweifel an ihrer Gehilfenschaft sind grösser als die Indizien, die für ihre Schuld sprechen.

Dass Stauffacher «in verbrecherischer Absicht» das Leben von Menschen oder fremdem Eigentum durch Sprengstoff in Gefahr gebracht hat, liess sich nicht nachweisen. Aber dass sie dazu mindestens mitgeholfen hat, belegte offenbar ihre DNA am Tatort – insbesondere aber auch ihre radikale politische Gesinnung, ihre Vergangenheit.

Die 14-monatige unbedingte Freiheitsstrafe des Bundesstrafgerichts hat dessen Berufungskammer nun aufgehoben und Stauffacher vom Vorwurf der Gehilfenschaft freigesprochen. Die Zweifel an ihrer Gehilfenschaft sind grösser als die Indizien, die für ihre Schuld sprechen. 

Der Freispruch ist ein Sieg für den Rechtsstaat. Die DNA am Tatort ist, isoliert betrachtet, nie ein Beweis für die Anwesenheit einer Person am Tatort. Und wenn als weitere Indizien nur die Vergangenheit und die politische Einstellung einer beschuldigten Person ins Feld geführt werden können, nähern wir uns einer Gesinnungsjustiz. Bestraft werden so nicht konkrete Taten, sondern Haltungen, Überzeugungen.

Auch wenn ein Täter im Laufe seines Lebens immer wieder in Häuser einbricht, muss ihm der Staat immer wieder jeden einzelnen Einbruch zweifelsfrei nachweisen. Das unterscheidet den Rechtsstaat vom Unrechtsstaat.