Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Grimselprojekt nimmt wichtige Hürde
Ein neuer Megatunnel durch die Alpen – und sogar Städter sind dafür

Heute sind das Obergoms und das Haslital nur via Grimselpassstrasse miteinander verbunden – im Winter sind die beiden Täler getrennt. Das soll sich dank einem 23 Kilometer langen Eisenbahntunnel ändern.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Traum, das Haslital und das Obergoms mit Schienen zu verbinden, ist fast so alt wie die Geschichte der Eisenbahn selbst. Bereits 1850 wurde die Idee erstmals formuliert, am Donnerstag hat der Ständerat einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Er hat einen entsprechenden parlamentarischen Vorstoss überwiesen.

Der Bundesrat erhält damit den verpflichtenden Auftrag, den Ausbauschritt 2035 für die Eisenbahninfrastruktur mit einem multifunktionalen Grimseltunnel zu ergänzen – dies würde auch die Finanzierung der Projektierung erlauben. Konkret heisst das: Der Bau eines fast 23 Kilometer langen Schmalspurtunnels durch das Bergmassiv hat seine erste Hürde genommen.

Wie kam es zu diesem doch überraschend deutlichen Entscheid in einer Zeit, in der die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter mit eindringlichen Worten zum Sparen aufruft? Die Spur führt ins Wallis, zu einem Rechtsanwalt und Mitte-Politiker – berühmt und ein bisschen auch berüchtigt als Strippenzieher für innovative, aber oft auch umstrittene Vorhaben: Ständerat Beat Rieder. Schon im letzten Herbst trug er massgeblich dazu bei, dass die Schweizer Energiepolitik umgekrempelt wurde. Solaranlagen in den Alpen sind ab sofort erlaubt, die Grimselstaumauer kann erhöht werden.

Grosser zeitlicher Druck

Als Verwaltungsrat der Grimselbahn AG, die seit gut zehn Jahren das Projekt eines 23 Kilometer langen Eisenbahntunnels vorantreibt, kam Rieder damals zur Erkenntnis: Wenn er das Projekt nicht subito und mit Getöse ins Bundeshaus trägt, könnte es vorbei sein mit der Vision eines durchgehenden Schmalspurnetzes mit einer Länge von 850 Kilometern in den Alpen. Dem ehrgeizigen Projekt drohten die Felle davonzuschwimmen und Millionenbeträge zu versanden – die Grimselbahn AG hat bereits 6 Millionen in Projektierungsarbeiten investiert, der Bund auch schon 3 Millionen Franken.

Hintergrund für diese Eile sind zwei Bewilligungsverfahren, die parallel laufen, aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Denn bereits sicher ist, dass die Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid eine neue Hochspannungsleitung durch die Grimsel verlegt. Das Sachplanverfahren für dieses Projekt ist abgeschlossen. Spätestens 2027 soll es mit den Bauarbeiten losgehen. Dieser Tunnel wird also gebaut, so oder so. Die Vision der Schmalspurbahnfreunde: Wenn man schon ein Loch durch Granit und Gneis bohrt, kann man es auch ein bisschen grösser machen, damit Züge durch den Berg fahren können. Beim Eisenbahntunnel liegen die Pläne zwar auf dem Tisch, aber es fehlt ein Finanzierungsbeschluss.

Beat Rieder, Mitte-Ständerat aus dem Wallis, kämpft mit allen Mitteln für einen Eisenbahntunnel durch das Grimselmassiv. 

Den will Rieder mit seiner Motion vorantreiben, dieser Beschluss müsse noch 2023 vorliegen. Damit nahm er auch die Umgehung der normalerweise üblichen Prozesse in Kauf. Der Bundesrat lehnte Rieders Vorgehen ab, sowieso sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines solchen Eisenbahntunnels «ungünstig». Dieses zweifelten am Donnerstag zwar auch einzelne Ständeräte an, störten sich aber vor allem am forschen Vorgehen des Wallisers. So sagte etwa Rieders Luzerner Parteikollegin Andrea Gmür-Schönenberger in der Ratsdebatte vom Donnerstag: «Wenn wir dieser Motion zustimmen, dann können wir sämtliche Regeln, die wir selbst bestimmt haben, schlicht und einfach über Bord werfen.»

«Wenn wir zu stark pushen, riskieren wir einen Schiffbruch.»

Hans Stöckli, SP-Ständerat 

Dieser Problematik war man sich bereits in der vorberatenden Kommission bewusst. So sagte der Bieler Hans Stöckli (SP), der dem Projekt durchaus wohlgesinnt ist, dass man hier nicht aufs Ganze gehen sollte: «Wenn wir zu stark pushen, riskieren wir einen Schiffbruch.» Deshalb eilte ein anderer Bergler Rieder zu Hilfe: der Urner Ständerat Josef Dittli (FDP). Er formulierte als Kompromiss einen Kommissionsvorstoss, der ein wenig Tempo aus dem Vorhaben nimmt und die verwaltungstechnischen Abläufe mitberücksichtigt.

Die Vorgänge in der vorberatenden Verkehrskommission sorgten für einigen Wirbel, weil Kommissionspräsident Hans Wicki den Verwaltungsrat der Grimselbahn AG präsidiert und nicht in den Ausstand trat. Die «NZZ am Sonntag» thematisierte diesen Interessenkonflikt aufgrund des vertraulichen Sitzungsprotokolls, das auch dieser Zeitung vorliegt.

Die Angst der Grimselbahn AG

Wicki verwies in der Ratsdebatte mit einer spitzen Bemerkung auf diesen Artikel vom letzten Wochenende und deklarierte überdeutlich, dass er Verwaltungsratspräsident des Projekts sei und dieses aus Überzeugung unterstütze. Er sagte aber auch, dass man bei der Grimselbahn AG Angst gehabt habe. Nämlich dass man nicht warten könne, bis das Parlament dann irgendwann Ja zu einem Bahntunnel sage. Dann sei das Zeitfenster wegen der Pläne von Swissgrid wieder zu.

Dieses Argument ist auch in den Städten angekommen. Der Zürcher Ständerat Ruedi Noser (FDP) verwies darauf, dass sich der Bund sogar verpflichtet habe, solche Projekte zu bündeln: «Wenn wir ein Kabel verlegen, dann sollte es doch möglich sein, zu überlegen, ob man Synergien nutzen kann.» Zudem müsse man doch in den grossen Agglomerationen ein grosses Interesse haben an einer dezentralen Bevölkerungsstruktur in der Schweiz: «Der Grimseltunnel wäre eine einmalige touristische Aufwertung der Alpenregion von Zermatt bis Disentis.»

Rieder gab gegenüber dieser Zeitung schon im Vorfeld der Debatte zu verstehen, dass er seine Motion zurückziehen werde, sollte der Rat der Kommissionsmotion zustimmen. Das tat er auch. «Ich weiss auch, wann die Ziele erreicht sind», betonte er nach den Voten im Ständerat und die Sympathien für dieses Projekt seien im Ständerat übergreifend gross gewesen: «Der Grimselgranit ist härter als mein Kopf.»

Sollte auch der Nationalrat zustimmen, wird der Bundesrat bis im August eine Standortbestimmung vorlegen und die Projektierungskosten ausweisen. 2026 könnte laut dem neuen Verkehrsminister Albert Rösti das Parlament dann entscheiden, ob es den Grimseltunnel will oder nicht.