WM-Qualifikation: Italien - SchweizEin monumentaler Schritt in Richtung WM 2023
Die Schweizer Fussballerinnen landen in Italien einen grossen Erfolg. Dabei erweist sich Nationaltrainer Nils Nielsen als gewiefter Taktiker – und übt sich dennoch in Selbstkritik.
Als der Schlusspfiff ertönt, sinkt Lia Wälti auf die Knie, hält sich die Hände vors Gesicht. Es ist vollbracht, dieses 2:1 gegen Italien ist ein riesiger, ja ein monumentaler Schritt in Richtung WM 2023 in Australien und Neuseeland. Vor allem aber ist ihnen dieser so wichtige Sieg Sekunden zuvor beinahe entglitten, als Barbara Bonansea von der Strafraumgrenze noch einen Schuss abfeuert, bei dem Goalie Gaëlle Thalmann zwar machtlos ist, aber Glück hat, dass der Ball von der Lattenunterkante zurück ins Feld springt. Das passiert inmitten heftiger Proteste der Italienerinnen, die nach einem Zweikampf zwischen Luana Bühler und Bonansea vehement einen Penalty fordern.
Dann klärt Eseosa Aigbogun, so gut sie nur kann, Schiedsrichterin Stéphanie Frappart pfeift ab – Captain Wälti und ihre Teamkolleginnen sind erlöst. Dabei wäre das Zittern, dieses Leiden gar nicht notwendig gewesen, die Partie hätte schon kurz nach der Pause entschieden sein können. Vielleicht sogar müssen. Dann nämlich, als Bachmann dem gegnerischen Goalie Laura Giuliani den Ball abluchst, ihn auf Svenja Fölmli zurücklegt, die an den Pfosten schiesst. Oder die beiden Male, als Ramona Bachmann allein aufs italienische Tor losziehen kann, einmal aber zu wenig Kraft in ihren Schuss legen kann und einmal an der glänzend reagierenden Giuliani scheitert. 2:0 steht es da, das 3:0 ist längst überfällig.
Doch in der 60. Minute, mitten in dieser Schweizer Chancenflut, wagt Bonansea einen Verzweiflungsschuss, via Knie von Luana Bühler landet der Ball im Tor. «An einem guten Tag halte ich den», sagt Thalmann. Plötzlich steht es 2:1, es beginnt eine Phase, die Fölmli nach Spielschluss als «viel Hektik» beschreibt. Vor allem ist das Publikum zurück.
Die Schweizerinnen bringen 10’000 zum Schweigen
Wie gross die Vorfreude auf diese Partie in Palermos Bevölkerung war, zeigte sich bereits am Donnerstag: Unter dem Anreiz von Gratistickets waren rasch 9000 Eintrittskarten abgesetzt. Trotz Regen und der doch etwas frühen Anspielzeit machen über 10’000 Fans zu Beginn im leicht baufälligen, aber dennoch charmanten Stadio Renzo Barbera mächtig Stimmung, singen gemeinsam inbrünstig die Hymne «Fratelli d’Italia», auch wenn auf dem Platz Schwestern stehen und keine Brüder. Es wird dann aber relativ schnell relativ still im Stadion.
Grund dafür ist die frühe kalte Dusche, die ihnen die Gäste verpassen. Nach 19 Minuten hat die Schweiz bereits zweimal getroffen, beides sind nahezu identische Angriffe, bei Coumba Sows Kopftor ist es eine Flanke von rechts, bei Ana Maria Crnogorcevics 2:0 eine von links. Eingeleitet werden die Treffer via diagonale Bälle auf die von Italiens Defensive vernachlässigten Aussenbahnen.
Und Nationaltrainer Nils Nielsen, der hierzulande vor allem für seinen empathischen Umgang mit seinen Spielerinnen geschätzt wird, zeigt, dass in ihm auch ein hervorragender Taktiker steckt. In den Tagen vor dem Spiel kündigte er an, dass Italiens Verteidigungsstil seinem Team liegt. Was er genau damit meinte, wollte er nicht verraten: «Ich hoffe, das sieht man am Freitag.» Nun, bei den beiden Treffern wurde der Plan klar ersichtlich: «Immerhin das hat ja gut geklappt», sagt er nach Schlusspfiff.
Dieses «immerhin» erklärt ein paar hitzige Diskussionen Mitte der zweiten Halbzeit auf dem Platz, vor allem Crnogorcevic verwirft immer wieder die Hände. Nielsen spricht das an der Medienkonferenz von sich aus an, erklärt, dass seine Kommunikation nicht gut genug gewesen sei. Weil er nur die eingewechselten Spielerinnen über taktische Planänderungen informiert hatte, kam Verwirrung auf. Aufgrund des Resultats kann er natürlich locker sagen, dass er immer dazulerne, ergänzt dann aber mit Blick auf die EM im kommenden Sommer: «In England muss das besser klappen.»
Zuerst aber mal geniessen die Schweizerinnen den Sieg, Torschützin Sow erzählt dem SRF, dass sie sich eine «fette Pizza» und vielleicht sogar noch ein Bierchen gönnt. «Hat sie das wirklich gesagt?», fragt Nielsen und fügt an: «Dann will ich das auch. Aber morgen fokussieren wir uns auf Litauen.» Schliesslich steht am Dienstag das nächste Qualifikationsspiel an – nicht, dass die Schweizerinnen kurz nach dem Riesenschritt in Richtung WM noch über einen Aussenseiter stolpern.
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