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Corona-Massentests in Graubünden
Ein Dorf stellt sich quer

Eine Schülerin an der Evangelischen Mittelschule Schiers beklebt ein Röhrchen für den Antigen-Schnelltest
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Rund 1600 Menschen leben im abgelegenen Dorf Zernez im weiten Talboden des Engadins. Die meisten sprechen Rätoromanisch und werden ils magliachognas bezeichnet, zu Deutsch «Hundefresser». Derzeit macht das Dorf aber nicht wegen dieses etwas skurril anmutenden Übernamens Schlagzeilen.

Es sind das Coronavirus und seine Bekämpfung, die dem Dorf auf 1474 Metern zu ungewollter Berühmtheit verhelfen. «Bündner Schulratspräsident vergleicht Corona mit Karies», titelten «Blick» und «20 Minuten» letzte Woche. Inzwischen ist Beat Schärer vorsichtig geworden, wenn Journalisten bei ihm anklopfen. Telefonieren mag der Schulpräsident der Gemeinde Zernez nicht mehr, über seine Person gibt er nur sein Alter bekannt, er ist 59. Schärer zeigt sich auf eine entsprechende schriftliche Anfrage denn auch sehr überrascht über die heftigen Reaktionen. Aber den Zahnarztvergleich würde er wieder machen: «Auf jeden Fall.» Obwohl dieser in der Öffentlichkeit überbewertet und verdreht worden sei.

Der umstrittene Zahnarztvergleich

Was ist in dem Bergdorf geschehen? Der Schulrat unter der Ägide von Schärer hat die Eltern vor rund zwei Wochen informiert, dass die Gemeinde Zernez bei den kantonsweiten Corona-Tests nicht mitmachen werde. Die Schultestungen sind im Kanton Graubünden freiwillig, rund 95 Prozent machen laut dem kantonalen Erziehungsdepartement mit. Schulärzte beschwerten sich in einem Leserbrief, dass sie nicht angehört wurden. Lehrer und Eltern zeigten sich besorgt. Diesen schrieb der Zernezer Schulpräsident in einem E-Mail unter anderem: «Gehen Sie, um sich die Zähne gesund zu erhalten, auch jede Woche zum Zahnarzt in die Kontrolle?»

«Gesunde Kinder, die das Virus trotzdem in sich tragen, werden es kaum in der Schule weiterleiten, weil sie eben gesund sind.»

Beat Schärer, Schulratspräsident von Zernez

In einem ausführlichen Interview mit der «Engadiner Post» erläutert Schärer seine Überlegungen, die zwar darlegen, dass im Vorfeld die Angelegenheit breit diskutiert worden sei. Andererseits schimmert da auch seine doch eigenwillige Interpretation der Ansteckungsgefahr durch: «Gesunde Kinder, die das Virus trotzdem in sich tragen, werden es kaum in der Schule weiterleiten, weil sie eben gesund sind.» Das hält wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht stand: Kinder und Erwachsene sind gerade in dieser Phase sehr ansteckend.

Doch mit seinen Ansichten begeisterte er viele Leserinnen und Leser in den Kommentarspalten. Da gab es viele «Bravo, Herr Schärer». Eine Leserin ist ganz entzückt vom Mut des Schulpräsidenten: «Wenn nur viel mehr Menschen in Ihrer Position nebst Ihrem gesunden Menschenverstand auch Ihren Mut hätten, dann würden wir uns jetzt nicht in dieser traurigen, von irrationaler Angst geprägten Zeit befinden.»

Nicht auf alle Wissenschaftler hören

Schärer hält sich für vernünftig und mutig, wie er im Mailverkehr mit dieser Zeitung darlegt: Schliesslich brauche es schon Mut, sich mit dem Mainstream einzulassen. Und man müsse nicht auf alle Wissenschaftler hören, vor allem nicht auf diejenigen, die «auf die Mühle des Corona-Wahnsinns sprechen». Würde er sich selbst als Corona-Skeptiker bezeichnen? Seine Antwort ist ebenso deutlich wie sein Festhalten an dem gefällten Entschluss: «Corona-Skeptiker? Nur weil ich mir nicht jeden Blödsinn auf die Nase binden lasse? Nein.»