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China gegen Indien
Ein alter Himalaja-Konflikt flammt wieder auf

Wird von Indien und von China beansprucht: Die Bergrücken mit dem Pangong-See in der Region Ladakh.
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China und Indien streiten sich um «die acht Finger». So nennen die Strategen eine Reihe von Bergrücken, die
sich, durch steinige Rinnen voneinander getrennt, an der Nordseite des Sees Pangong aneinanderreihen – von «Finger eins» bis «Finger acht». Und beide Armeen versuchen, so viele wie möglich davon zu kontrollieren. Wem das Gebiet in den eisigen Höhen des westlichen Himalaja gehört, ist ungeklärt. Es gibt keine vereinbarte Grenze. Und seit Wochen wachsen dort die Spannungen.

So stark ist die Lage eskaliert, dass sich nun am Wochenende Generäle beider Länder trafen, um einen Ausweg zu erkunden. Kaum etwas sickerte durch von diesen ersten Verhandlungen über den sogenannten «Stand-off» in Ladakh. Doch das indische Aussenministerium war bemüht, Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit zu verteilen. Die Gespräche seien «herzlich und positiv» verlaufen, hiess es, beide Seiten seien sich einig, dass man «die Situation in den Grenzgebieten friedlich lösen» müsse. Der Ernst der Lage kam in diesen Phrasen kaum zum Ausdruck, die «Hindustan Times» berichtete ernüchtert von einem «nicht schlüssigen» Ende.

Alles scheint offen, nichts gelöst

China soll mehrere Tausend Soldaten in das umstrittene Gebiet verlegt haben, während Delhi angekündigt hat,
nachzuziehen. In den Bergen des westlichen Himalaja vollzieht sich somit eine rasante Militarisierung zwischen den führenden Nuklearmächten Asiens, China und Indien. Diese Entwicklung fügt dem ohnehin schon angeheizten Verhältnis zwischen Pakistan und Indien in Kashmir eine weitere bedrohliche Dimension hinzu.

In Delhi setzt man auf weitere Gesprächsrunden, doch es hat sich viel Misstrauen aufgestaut hat. 3488 Kilometer lang ist die Grenze und auf weiten Strecken nicht demarkiert. So beschuldigen sich beide Seiten immer wieder gegenseitig, neue Positionen einzunehmen und den Status quo zu verändern.

Der See Pangong und die «acht Finger» liegen auf mehr als 4300 Metern Höhe, tiefes Blau vor beigefarbenen und kupferroten Höhen, die Bilder sehen aus, als stammten sie von einem fernen Stern. Militärstrategen beider Seiten beugen sich nun über Truppenpläne, Geländekarten und GPS-Koordinaten, sie studieren
Satellitenbilder, die Aufschluss geben können über Strassentrasses, Brücken und Artilleriestellungen.

1962 kam es zu einem Krieg

Oben in Ladakh haben beide Nationen schon mal Krieg gegeneinander geführt, 1962, im Schatten der Kubakrise erregte das wenig globale Aufmerksamkeit. Aber China fügte dem Nachbarn damals eine
schmachvolle Niederlage zu. Offiziell betonten beide Seiten zuletzt immer wieder ihre friedliche Koexistenz.

In Indien ist man der Ansicht, dass China an verschiedenen Punkten in Ladakh bis zu 60 Quadratkilometer Territorium besetzt hat, das Delhi für sich beansprucht. In Peking wiederum pocht die Führung darauf, chinesische Souveränität zu schützen. So sei Indien etwa im Galwan-Tal vorgerückt, Peking ist verärgert über
den Bau einer indischen Strasse und Brücke in umstrittenen Gebieten. Indien wiederum hat Satellitenbilder veröffentlicht, die von China errichtete Stellungen zeigen sollen, am Nordufer des Pangong-Sees.

Das historische Gepäck ist beträchtlich. Die britische Kolonialmacht hat beim Abzug aus Südasien unklare Verhältnisse hinterlassen, Delhi und Peking haben sich seither nie auf einen Grenzverlauf geeinigt. Zwar ist oft die Rede von einer «Line of Actual Control» (LAC) – einer Demarkationslinie, die seit den 1950er-Jahren das indische vom chinesischen Staatsgebiet trennen soll. Doch nicht einmal über deren Verlauf herrscht Einigkeit.

«Chinas Kampfeslust gegenüber Indien»

Chinas Vorstösse mögen sich innerhalb jenes Territoriums bewegen, das Peking für sich beansprucht. Doch
Südasienexperte Ashley Tellis vom US-Thinktank «Carnegie Endowment for International Peace» glaubt, dass China eine «neue Kampfeslust gegenüber Indien» erkennen lasse, und dies nicht erst seit Beginn der Corona-Krise. Tellis spricht von einer «beabsichtigten Einschüchterung durch militärische Mittel».

Pekings Vorstösse bringen Indien in eine prekäre Lage: Falls Gespräche versanden, könnte Delhi nur durch Gewalt versuchen, den früheren Status quo wieder herzustellen. Damit allerdings würde Indien womöglich einen Krieg riskieren, den keiner will.