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Neue Musik von Taylor Swift
Edel, aber ohne Widerhaken

«Folklore» gilt bereits jetzt als ihr bestes Album: Pop-Superstar Taylor Swift.
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Andy Warhol sagte einmal, er liebe Werbespots, sie seien das Beste am Fernsehen, und er wünschte, sie wären länger. Er wäre sehr glücklich mit Taylor Swifts neuem Album «Folklore», denn es ist eine 16 Songs lange Strickjacken-Werbung. Inklusive der Single «Cardigan» und dem dazugehörigen Video, in dem Swift am Ende von einer Strickjacke vor dem sicheren Kältetod gerettet wird. Das Album ist ein Überraschungsalbum, entstanden während des Corona-Lockdowns. Donnerstag angekündigt, Punkt Mitternacht veröffentlicht. Die Amerikaner lieben es, denn es ist superpoliert und edelkuschelig. Die Menschen sehnen sich nach Behaglichkeit in diesen wirren Zeiten.

Mit an Bord sind Bon Iver und die Brüder von The National. Das hört man auch. Es pluckert so vor sich hin. Ab und zu schaut mal eine Geige vorbei, schliesslich sind wir im Wald. Swifts Wald klingt zwar nahbar und warm, aber so edel, dass sich ein etwas zu dicker Kauz mit zerzaustem Gefieder in diesem Wald vermutlich nicht trauen würde zu rufen. Trotz Bon Iver. Mal besingt Swift die langdauernde Liebe, dann die Trennung, dann scheint sie wie eine Diskokugel, dann freut sie sich, weil sie das Lieblingskleidungsstück von jemandem ist.

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«Folklore» gilt schon jetzt als neues «bestes» Swift-Album, und es ist ihr erstes Indiepop-Album. Die Bäume in ihrem Folkwald kommunizieren allerdings eher per 5G als über den Boden. Auch naturverbundene Introspektion ist in diesem Pop ein ganz und gar virtuelles Phänomen, man könnte ihr Video fast als Ausdruck eines digitalen Realismus lesen. Man sitzt in der Jagdhütte, aber dank Internet kann man jederzeit durchs Klavier in einen desinfizierten Videospieldschungel klettern, wenn’s die Stimmung verlangt.

Es fehlen die Widerhaken

Vielleicht war Authentizität nie zuvor etwas so unverhohlen Konstruiertes. Der Folk ist im Anthropozän angekommen. Man kann nie sicher sein, dass die Nachtigall nicht in Autotune singt. Seltsamerweise zeigt vor allem die amerikanische Medienöffentlichkeit derzeit kaum Distanz zu dieser artifiziellen «Confessional Pose». Wird inzwischen stillschweigend vorausgesetzt, dass allen Beteiligten bewusst ist, wie künstlich das Medium ist, in dem man sich begegnet? Aber darauf deutet wenig hin. Obwohl alle von «Handwerk» sprechen, scheint sich keiner dafür zu interessieren, was in der Werkstatt eigentlich passiert.

Wald dominiert hier auch in Sachen Ästhetik: Das Cover zum Album «Folklore».

«Folklore» fehlen so die Widerhaken, die etwa Lana Del Reys «Norman Fucking Rockwell» interessant gemacht haben. Sowohl die Momente musikalischer Entgrenzung als auch die Doppelbödigkeit der Texte und der Inszenierung insgesamt. «Exile» mit Bon Iver etwa ist erst mal überraschend in seiner gedeckten Klangfarbe, Reduktion und seinem sonoren Gesang. Aber ab der Bridge folgt der Song dem Konstruktionsplan eines Hits mit hymnischem Höhepunkt und Transzendenzcoda vom Reissbrett.

Insofern passt es perfekt, dass das Album im Paket mit einer Strickjacke verkauft wird – man die Strickjacke aber auch ohne das Album kaufen kann. Wenn man wirklichen Trost sucht, wäre man damit ohnehin besser beraten. Man spart dabei 3,50 und dafür bekommt man dann noch eine schöne heisse Schokolade.

Taylor Swift: Folklore. Republic Records, 24. Juli 2020.