Um Bevölkerungswachstum zu stoppenEcopop hilft SVP im Kampf gegen die Zuwanderung
Die Organisation unterstützt die Volksinitiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit – aus Sorge um die Umwelt. Wie stehen die Grünen dazu?
Überfüllte Züge, tägliche Staus, zubetonierte Landschaft: Als 2014 die Masseneinwanderungsinitiative an die Urne kam, stritt die Schweiz leidenschaftlich über die Zuwanderung und ihren Einfluss auf die Umwelt. Seither ist die Bevölkerung von 8,2 auf 8,6 Millionen gewachsen, die Zahl der Staustunden auf den Nationalstrassen ist um fast die Hälfte auf 30’000 Stunden gestiegen, Zehntausende neuer Wohnungen sind entstanden.
Das Thema indes scheint wie weggezaubert, das damals populäre Wort «Dichtestress» ist aus der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. Nun will der Verein Ecopop die Debatte neu beleben. Wie Geschäftsführer Andreas Thommen auf Anfrage bestätigt, unterstützt der Verein die «Begrenzungsinitiative», wie die SVP ihr Volksbegehren zur Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union nennt.
Das Volksbegehren kommt am 27. September zur Abstimmung. «Wir sehen keinen anderen Weg, das Bevölkerungswachstum in der Schweiz zu stoppen, als über eine Begrenzung der Zuwanderung», sagt Thommen. «Wir werden insbesondere auf die Umweltaspekte der unbegrenzten Zuwanderung hinweisen.» Der Verein ist daran, mit Gleichgesinnten eine Umweltallianz zu bilden. Im August ist eine Medienkonferenz geplant.
«Ich hoffe sehr, dass noch mehr Vereine und Verbände, die sich für eine bessere Umwelt einsetzen, unsere Initiative unterstützen werden.»
Die SVP zeigt sich über die Unterstützung «sehr erfreut», wie Kampagnenleiterin und Nationalrätin Esther Friedli sagt. Alle Bürgerinnen und Bürger, denen eine intakte Umwelt, Klimaschutz und eine rege Biodiversität wichtig seien, müssten am 27. September ein Ja zum Volksbegehren in die Urne legen. «Ich hoffe sehr, dass noch mehr Vereine und Verbände, die sich für eine bessere Umwelt in der Schweiz einsetzen, unsere Initiative unterstützen werden», sagt Friedli.
Wieder grüne Dissidenten?
Bisher gibt es allerdings keine Signale in diese Richtung. Die grossen Umweltverbände jedenfalls bezeichnen die Volksinitiative als «Augenwischerei». «Die Hebel für eine Senkung des Ressourcenverbrauchs und damit die Bekämpfung unserer gravierenden Umweltprobleme liegen nicht in der Zuwanderungspolitik», sagt Antje Mosler, Geschäftsleiterin der Umweltallianz. Zu finden seien sie vielmehr in der Raumplanung, in der Energie- und Verkehrspolitik sowie in der Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik.
Ecopop-Geschäftsführer Thommen hofft nun auf den Support kleinerer Umweltorganisationen, von Vogelschutzvereinen und regionalen Sektionen grosser Verbände. Keine Hilfe darf Ecopop dagegen von der Grünen Partei erwarten. Diese lehnt die Initiative ab. Wie schon 2014 bei der Masseneinwanderungsinitiative bewirtschafte die SVP auch jetzt wieder «das Bild der Einwanderung als Sündenbock», schreibt die Partei auf ihrer Homepage. Das sei destruktiv und missachte den wichtigen Beitrag, den Migranten für das Wohl der Schweiz leisten würden.
«Wir Grünen sind uns einig, dass diese Initiative der falsche Ansatz ist.»
Noch nicht sicher ist indes, ob die Grüne Partei geeint auftreten kann. 2014 warben Dissidenten für die – später vom Volk verworfene – Ecopop-Initiative, die vorsah, dass die Schweizer Wohnbevölkerung infolge Zuwanderung längerfristig nur noch 0,2 Prozent pro Jahr wachsen darf. Nationalrat Bastien Girod glaubt nicht, dass es wieder so weit kommt: «Wir Grünen sind uns einig, dass diese Initiative der falsche Ansatz ist.» Girod hält es jedoch für wichtig, darüber zu diskutieren, welches Wachstum in der Schweiz stattfinden müsse.
Die Antwort darauf gebe aber nicht die Initiative. Vielmehr sind es laut Girod Instrumente wie die Steuerpolitik, die – je nach Ausgestaltung – mehr oder weniger Firmen in die Schweiz lockt. Oder die Raumplanung. Allerdings hat das Stimmvolk die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen letztes Jahr verworfen. Girod hofft nun, dass das Parlament das Raumplanungsgesetz verschärfen wird.
Ein ungelöstes, verdrängtes Problem
2009 hatte Girod selber – zusammen mit der damaligen Grünen-Nationalrätin Yvonne Gilli – auf die Folgen des Bevölkerungswachstums der Schweiz aufmerksam gemacht: Sozial schwache Einheimische würden in schlechte Wohnlagen verdrängt, Verkehrsengpässe sich verschärfen und Erholungsräume zerstört. Das schnelle Bevölkerungswachstum, so das Fazit des Duos, bedrohe die Lebensqualität. Schon damals betonte Girod, das Problem lasse sich nicht via Grenzpolitik lösen. Er machte aber auch klar, das Thema Migration und das damit verbundene Bevölkerungswachstum werde stark ideologisch betrachtet. Es lasse sich darum kaum differenziert aufgreifen.
Prompt provozierte die Veröffentlichung des Arbeitspapiers in der Partei einen öffentlichen Disput über die Migration. Auch heute noch spricht zumindest ein Teil der grünen Politiker von einem ungelösten und verdrängten Problem. Die Angst, sich in die ausländerfeindliche Ecke gestellt zu sehen, scheint gross. Jetzt, gerade vor der Volksabstimmung, offen und ehrlich über das Thema zu sprechen, sagt ein bekanntes Grünen-Mitglied, käme «politischem Selbstmord» gleich.
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