E-WinzlingeDie Schmalspur-Revoluzzer kommen
Von wegen E-Autos sind überteuert: alles nur eine Frage der Ansprüche. Denn es gibt auch Stromer für schmale Budgets. Nur gehen die kaum als echte Autos durch.

Wer sagt denn, dass Elektroautos unbezahlbar sind? Ja, die ersten Viersitzer starten bei rund 20’000 Franken, und wer eine respektable Reichweite verlangt, ist schnell bei über 30’000. Doch wenn es um urbane Mobilität und das klassische Zweit- oder gar Drittfahrzeug geht, ist man schon für viel weniger dabei. Denn die elektrische Revolution hat ein paar Schmalspurstromer auf die Strasse gespült, die zwar keine grossen Sprünge machen können, meist nur rudimentäre Sicherheit und noch weniger Komfort bieten, dafür aber oft nicht mehr kosten als ein High-End-Mountainbike.
Zwar haben die einzelnen Modelle mal mehr und mal weniger Charme, doch mit ihrem handlichen Format kompensieren sie zumindest im Stadtverkehr den Mangel an Leistung locker und machen im Stop-and-Go-Verkehr durchaus Spass. Doch für den Durchbruch wird das kaum reichen, glauben Experten: Dazu mangle es ihnen an der Nutzbarkeit, sagt Andreas Radics vom Münchner Strategieberater Berylls: «Reichweite, Geschwindigkeit und Raumangebot können nicht mit konventionellen Autos konkurrieren. Deshalb sind sie nur eingeschränkt alltagstauglich.» Trotzdem ist Bewegung in diesem kleinen Markt. Denn ein paar Stammspieler halten sich jetzt schon seit mehreren Jahren, und neue Modelle wollen frischen Wind bringen. Hier sind fünf Beispiele.
Mobilize Duo:
Aus dem Renault Twizy wird nun der Mobilize Duo – doch an der Idee hat sich nichts geändert. Auch die zweite Auflage des elektrischen Minimobils ist ein Schmalspurstromer für die Stadt mit zwei hintereinander montierten Sitzen und minimalistischer Verkehrsfläche von 2,50 mal 1,30 Metern. Neu gibt es auch eine Cargo-Variante, die statt eines zweiten Sitzes einen Kunststoffkoffer auf dem Rücken trägt und auf den Namen Bento hört. Wie schon beim Original gibts wieder zwei Leistungsstufen: Als L6e-Fahrzeug ist er auf 45 km/h limitiert, als L7e sind 80 km/h drin. Gegenüber dem Twizy haben die Franzosen allerdings noch einmal kräftig aufgerüstet: bei der Ausstattung, weil es jetzt auch einen Airbag gibt, eine Sitzheizung und Parksensoren zum Schutz der Kehrseite, das Smartphone besser integriert wird und eine Art Ghettoblaster aus den 1980ern das Cockpit dominiert. Und beim Antrieb, weil der Akku jetzt 10,3 kWh fasst und damit für bis zu 160 Kilometer reicht. Die Markteinführung des französischen Winzlings wurde auf Ende 2025 verschoben, die Preise beginnen schätzungsweise bei 10’000 Franken.

Silence S04 Nanocar:
Statt einfach den Duo aka Twizy zu übernehmen, emanzipiert sich Renaults Schwestermarke Nissan und geht mit dem spanischen Hersteller Nanocar fremd. Der baut einen ebenfalls zweisitzigen Stromer auf ähnlich schmaler Spur, der sogar nur 2,28 Meter lang ist. Mindestens 11’995 Euro teuer, fällt er ebenfalls in die Kategorien L6e oder L7e und schafft so je nach Variante 45 oder 70 km/h. Während das Design etwas zurückhaltender ausfällt als beim Duo, leistet sich der Silence S04 einen anderen Clou: Um die Geduldsprobe beim Laden, die in dieser Klasse gern mal vier Stunden und mehr währt, zu verkürzen, haben die Spanier ein Wechselsystem für die ein oder zwei Batterien entwickelt, die bis zu 149 Kilometer Reichweite ermöglichen sollen. Das funktioniert zwar nicht ganz so ausgeklügelt wie bei Nio und erfordert ein bisschen Handarbeit, macht den Winzling aber in wenigen Minuten wieder fit fürs nächste Abenteuer.

XEV Yoyo:
Der originale Smart ist zwar seit bald einem Jahr Geschichte. Doch beim chinesischen Hersteller XEV lebt die Idee als Yoyo munter weiter – und findet ihren Weg auch wieder zu uns. Genau wie der Bonsai-Benz ist auch der chinesische Winzling ein Zweisitzer mit klassischer Bestuhlung und imitiert sogar die Sicherheitszelle des Originals. Er wird im Netz für Preise um 18’000 Franken angeboten, hat dafür aber auch bis 15 kW und damit doppelt so viel Leistung wie der Duo. Ausserdem schafft er für diese Klasse fast schon abenteuerliche 90 km/h. Seine Akkus fassen ebenfalls runde 10 kWh und ermöglichen bis zu 150 km Reichweite. Der Clou auch hier: Statt mit mageren 2,2 kW in gut und gern vier Stunden den Strom aus der Leitung zu nuckeln, lassen sich die Batterien ebenfalls in wenigen Minuten tauschen. Wenn man denn in der Nähe einer entsprechenden Station unterwegs ist.

Citroën Ami:
Vom baugleichen Stellantis-Trio Citroën Ami, Opel Rocks und Fiat Topolino ist in der Schweiz bislang nur der Ami erhältlich. Alle drei locken in unseren Nachbarländern den automobilen Nachwuchs, da sie teilweise bereits ab 15 Jahren gefahren werden dürfen. Auch die klassische Drittwagen-Kundschaft ist im Blickfeld dieser rollenden Plastikschachtel aus Marokko, die jede Marke ein bisschen ihrem Image angepasst hat. Unter dem Blech der – sorry – knarzenden Kunststoffkarosse sind sie alle gleich. Weil der Würfel mit zwei Sitzen von Gesetzes wegen nicht schneller fahren darf als 45 km/h, reicht ihm auch eine E-Maschine von 8 PS. Gespeist wird die aus einer 5,4 kWh grossen Batterie, die für bis zu 75 Kilometer reicht und dann binnen vier Stunden an der Haushaltssteckdose geladen wird. Der Citroën Ami startet bei 10’490 Franken.

Microlino:
Er hat uns mit dem Charme der 1950er gelockt und als Microlino die Isetta als elektrischen Kleinwagen zurückgebracht. Und zwar nicht spassbefreit, weil auf 45 km/h beschnitten wie das Stellantis-Trio, sondern mit 17 PS und 90 km/h fast so schnell und auf jeden Fall so unterhaltsam wie das Original. Gut, man muss dafür auch mindestens 17’990 Franken bezahlen, was viel Geld ist für einen elektrischen Kleinstwagen mit 10,5 kWh und 177 Kilometern Reichweite. Doch dafür wird man im Microlino auch an- und nicht ausgelacht und stiehlt in der Stadt in der Charmewertung jedem Sportwagen die Schau. Der Schweizer Winzling ist ausserdem auch als Microlino Lite mit einer Beschränkung auf 45 km/h erhältlich. Und im Herbst wurde auf dem Pariser Salon der Microlino Spiaggina als lebenslustiges Strandkörbchen mit Stoffdach vorgestellt und damit gleichzeitig sehr treffend der Markt für die Minimobile beschrieben: Da gibt es noch viel Luft nach oben.

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