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Halbjahresbilanz
«E-Auto-Boom in der Corona-Krise – reiner Zufall»

Auto-Schweiz-Direktor Andreas Burgener: «Der Trend zur Elektrifizierung wird sich weiter fortsetzen.»
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Andreas Burgener, wie geht es dem Schweizer Automarkt?

Auf der einen Seite haben die elektrifizierten Modelle stark zugelegt – mittlerweile geht fast jeder fünfte Neuwagen in der Schweiz entweder als reiner Stromer oder als Plug-in-Hybrid an die Steckdose. Auf der anderen Seite wurden bis Ende Juni 2021 zwar 20,7 Prozent mehr Autos verkauft als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres, aber 2020 war ein lausiges Jahr. Massstab sind die 300’000 Einheiten, die wir vor Corona jährlich absetzten, und da sind wir mit bislang 124’547 Einheiten massiv im Rückstand. Wir hatten auch dieses Jahr geschlossene Verkaufsräume, und wer weiss, was die neuen Covid-Varianten noch an Einschränkungen bringen.

Was hat die Branche in der Pandemie gelernt, um mit der drohenden vierten Welle besser umzugehen?

Wir haben gute Schutzkonzepte erarbeitet – in der Hoffnung, dass die Verkaufsräume nicht wieder ganz geschlossen werden. Und wir haben gelernt, dass viele Interaktionen auch übers Internet möglich sind. Das könnte eine Chance sein für jene Marken, die mit dem Onlineverkauf von Modellen neue Wege gehen. Auf die Verfügbarkeit von Neuwagen haben wir jedoch kaum Einfluss. Ich hoffe, die Hersteller überdenken ihr Just-in-time-Prinzip und legen sich einen Vorrat an Komponenten zu, damit die Produktion nicht wegen Lieferschwierigkeiten einzelner Elemente ins Stocken gerät. Das Problem ist derzeit vor allem ein Mangel an Halbleitern.

Zum Verständnis: Was hat es mit diesen Halbleitern auf sich?

Das sind Mikroprozessoren, die es in jedem elektronischen Gerät braucht – nicht nur in der Motorsteuerung des Autos, sondern auch im Fernseher, Smartphone, Staubsauger. Die Hintergründe des weltweiten Mangels sind mir unbekannt, aber er zeigt die Abhängigkeit der Hersteller von Systemlieferanten schmerzhaft auf.

Es heisst auch, dass Batteriekomponenten für E-Autos fehlen.

Ja, aber das ist eine andere Geschichte. Wenn die Welt plötzlich nach Elektroautos schreit – allein in der Schweiz haben die Stromer um über 100 Prozent und Plug-in-Hybride um über 130 Prozent zugelegt –, kann die Produktion mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Das führt zwangsläufig zu langen Lieferzeiten.

«Es braucht nicht nur neue Modelle, sondern auch politische Anstrengungen.»

Andrea Burgener

Die Nachfrage nach E-Autos ist während der Pandemie explodiert. Wie erklären Sie sich den Zusammenhang?

Kausalitäten lassen sich immer herbeizaubern. Der E-Auto-Boom in der Corona-Krise – reiner Zufall, wenn Sie mich fragen. Das Umweltbewusstsein hat in den letzten Jahren zugenommen, und seit 2020 sind die passenden Produkte in einer grossen Vielfalt endlich verfügbar. Der Boom hätte auch ohne Corona stattgefunden.

Trotz des Booms wurden die CO2-Ziele 2020 verfehlt. Gefordert war ein durchschnittlicher Ausstoss von 95 Gramm pro Kilometer bei den Neuwagen, letztlich waren es 123,6 Gramm. Wie beurteilen Sie das?

Wir haben immer gesagt, der Zielwert sei mit den bestehenden Massnahmen nicht zu erreichen. Positiv gesehen, war die Absenkung des durchschnittlichen CO2-Wertes um 10,3 Prozent innerhalb eines Jahres ein Rekordwert. Das ist tatsächlich den neuen Antriebstechnologien zu verdanken. Und nicht, wie es die Politik gerne hätte, durch eine Verhaltensänderung aufgrund von Verboten und Sanktionen.

Sie machen die Erreichung von CO2-Zielen allein von neuen Technologien abhängig?

Wenn die Leute Zugang haben zu sauberen Energien – seien es synthetische Treibstoffe, Strom, Erdgas oder Wasserstoff –, kann der Durchbruch jetzt wirklich stattfinden. Aber dazu braucht es nicht nur neue Modelle, sondern auch politische Anstrengungen, damit die erneuerbaren Energien in rauen Mengen zur Verfügung stehen und auch die Defizite bei der Infrastruktur behoben werden. Wer kein Eigenheim oder keine Garage mit Lademöglichkeit hat, wird sich auch weiterhin nicht für ein E-Auto entscheiden.

Ist es nicht zu einfach, die Politik für hohe CO2-Werte verantwortlich zu machen, wenn noch immer haufenweise Autos mit grossen, durstigen Verbrennungsmotoren im Angebot stehen – die in der Schweiz bekanntlich überdurchschnittlichen Absatz finden?

Wir sagen, der Kunde muss die freie Wahl haben. Und den grossen Motoren werden ja laufend Zylinder weggestrichen, auch da sieht man den technologischen Fortschritt.

Wie geht es weiter nach der Ablehnung des neuen CO2-Gesetzes?

Wir haben die CO2-Ziele nie infrage gestellt. Aber unserer Meinung nach ist der Weg dorthin nicht über Verbote, Sanktionen, Umverteilungen und Gebühren zu erreichen. Wir fordern ein positives Förderprogramm, wie es das auch bei den Gebäuden gibt, um diese nachhaltiger zu bauen. Ein solches hoffen wir Anfang August in die Wege zu leiten, wenn wir uns mit Frau Bundesrätin Sommaruga treffen. Unser Ziel ist eine liberale, marktorientierte Lösung.

Apropos Lösung: Bis Ende 2021 soll die Branche auch das E-Auto-spezifische Batterierecyclingproblem in den Griff bekommen. Wo stehen Sie da?

Wir arbeiten derzeit an einer branchenübergreifenden Lösung. Und wir sind im Gespräch mit einem Start-up, das ein Batterierecyclingzentrum in der Schweiz bauen will. Ich persönlich wünsche mir sehr, dass das klappt – unter der Voraussetzung natürlich, dass das Unterfangen weniger Geld kostet, als wenn wir die Batterien im Ausland recyceln lassen.

Und wo sehen Sie den Automarkt als Ganzes bis Ende Jahr?

Wir hatten Ende 2020 definiert, dass wir in diesem Jahr 270’000 Personenwagen absetzen wollen. Das Ziel erweist sich gerade als überaus sportlich, aber wir geben Gas.

Gas oder Strom?

Natürlich beides. Der Trend zur Elektrifizierung wird sich weiter fortsetzen.