Geldberater: Der Marktschrei(b)erDufry gibt Schub bei angezogener Handbremse
Zurich sichert ihre Expansion +++ Endlich glänzt Swiss Steel +++ Dätwyler lässt Aktionäre ruhig schlafen +++ Poenina wollte ein Urteil gegen den Chef verschweigen.
Dufry: Halten
Ich möchte nicht mit den Verantwortlichen bei Dufry tauschen. Trotz der Feriensaison sind immer noch vergleichsweise wenig Touristen unterwegs, und somit wird an den Flughäfen nur spärlich geshoppt. Für den Reisedetailhändler bleibt die Normalisierung des Geschäfts eine weit entfernte Ahnung. In den ersten sechs Monaten des Jahres blieb der Umsatz 70 Prozent unter dem Wert von 2019. Besonders wenig beneide ich das Dufry-Management um seinen Spagat zwischen Sparen und Investieren. Derzeit zerrinnt ihnen das Geld zwischen den Fingern. Von Januar bis Juni flossen durchschnittlich 46 Millionen Franken pro Monat ab. Bei den Kosten gibt es weiteres Sparpotenzial, etwa beim Personal und den Mieten. Gleichzeitig müssen die Basler jederzeit bereit sein, wenn die Reiseaktivitäten wieder richtig Fahrt aufnehmen. Aus heutiger Sicht wird das vor 2023 nicht der Fall sein. Die Aktien sind deshalb weiterhin nur etwas für äusserst risikofreudige Anleger. Alle andere sollten noch nicht einsteigen. Halten
Zurich Insurance: Kaufen
Bei Zurich Insurance läuft es rund: zusätzliche Kunden, höhere Absatzpreise, mehr Geschäftsvolumina, kräftigere Gewinnmarge. Der Semesterüberschuss verdoppelte sich im Vergleich zum pandemiebedingt miserablen Vorjahreswert. Bereits verdient sind zwei Drittel des Betrags, der für eine unverändert hohe Dividendenzahlung nötig ist. Konzernchef Mario Greco verfolgt die Ambition, den Gewinn je Aktie im Jahresdurchschnitt um 5 Prozent zu steigern. Doch im zweiten Semester muss Zurich Insurance wegen der Flutschäden in mehreren europäischen Ländern kräftig an die betroffene Kundschaft zahlen. Und noch steht aus, welches Schadenpotenzial die bis Spätherbst dauernde Hurrikan-Saison in den USA und der Karibik entwickelt. Dennoch bin ich beeindruckt, wie sich der Konzern die weitere Expansion sichert. Aus der Zusammenarbeit mit der amerikanischen Versicherungsgenossenschaft Farmers wird dank der eben erst abgeschlossenen Akquisition weiterer Vertriebsstellen ab 2022 ein kräftigerer Honorarstrom erwartet. Und die Übernahme eines Finanzberater-Netzwerks in Italien fördert dort den Absatz von Lebensversicherungen. Kaufen
Swiss Steel: Verkaufen
So gut wie jetzt gerade ging es Swiss Steel schon lange nicht mehr. Im dritten Quartal hat der Hersteller von Speziallangstahl, der vor allem in der Automobilindustrie sowie im Maschinen- und Anlagenbau Anwendung findet, 30 Millionen Euro Gewinn erzielt. Man höre und staune, denn in den vergangenen Jahren hat Swiss Steel primär exorbitante Verluste gemeldet. Auch die finanzielle Basis ist einigermassen ausreichend, nachdem im März das Kapital massiv erhöht worden ist. Unter den Aktionären scheint es endlich weniger Streit zu geben. Zudem gibt es in dem erlauchten Eigentümerkreis mit Peter Spuhler einen prominenten Neuzugang, und auch die Geschäftsführung ist neu bestellt. Das Management muss jetzt «nur» noch Effizienz und Produktivität steigern. Die Produktionskapazitäten sind so gut wie ausgelastet, Skaleneffekte dank höherer Volumina sind nicht ohne weiteres zu erzielen. Und dann muss die Auto- und Maschinenbauindustrie weiter mitspielen. Das sind zu viele Ungewissheiten. Die Erwartungen an Umfeld und Unternehmen sind sehr hochgesteckt. Verkaufen
Dätwyler: Kaufen
Ich mag langfristig gute Aktien, die ihre Besitzer ruhig schlafen lassen. Ein Unternehmen, das am Weg zum Gotthardpass liegt, passt gut in diese Kategorie. In Altdorf – ich fahre ja meist, ohne nach links zu schauen, an diesem Ort vorbei, wenn es Richtung Süden geht – befindet sich der Industriezulieferer Dätwyler. Das gute Halbjahresergebnis bestätigt eine langfristige Erfolgsgeschichte. Zwischen 2010 und 2020 verdreifachte sich der Aktienkurs, denn die Firma liefert auch Kapseln und Dichtungen für Nespresso. Die Corona-Pandemie machte aus den im Bereich Healthcare produzierten Gummistöpseln für Impfstoffampullen plötzlich «systemkritische Elastomerkomponenten». Natürlich musste auch Dätwyler in der Krise Federn lassen, aber das ist mittlerweile Geschichte, und der Aktienkurs hat sich seit Januar 2020 nochmals fast verdoppelt. Allein im laufenden Jahr stieg er um über 30 Prozent an. Das Management ist nun gefordert, das sehr gute Momentum über die nächsten Jahre auszunutzen. Ich denke, die Dätwyler-Gruppe ist gut aufgestellt, um auch aus dem kommenden Jahrzehnt ein gutes werden zu lassen. Kaufen
Poenina: Meiden
Heute vor einer Woche war in dieser Zeitung zu lesen, dass der Chef und mit einem Anteil von 21 Prozent grösste Aktionär von Poenina, Jean Claude Bregy, im Juni wegen Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden war. Das Unternehmen hatte dazu geschwiegen und offenbar gehofft, dass niemand etwas merkt – schlechte Unternehmensführung par excellence. Die SonntagsZeitung hat diese Hoffnung zunichtegemacht. Was mich an diesem Schurkenstück am meisten irritiert, ist die Tatsache, dass sich der Verwaltungsratspräsident von Poenina, Marco Syfrig, hinter den Verurteilten stellt. Syfrig hat nämlich noch einen weiteren Job. Seit 2008 ist er Chef des kotierten Elektrotechnikunternehmens Burkhalter, jenes Unternehmens, das von Bregy und einem Komplizen zwischen 2005 und 2009 mit fingierten Rechnungen um fast drei Millionen Franken erleichtert wurde. Bregy war seinerzeit Betriebsleiter bei Burkhalter, sein Komplize Projektleiter. Der Betrogene versuchte also den Betrüger mit dem Verschweigen des Urteils zu schützen. Mein Vertrauen ist jedenfalls dahin. Meiden
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch.
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